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Hepatitis D-Virus (HDV)

Verfasst von: A. Ehling, B. Gierten und T. Arndt
Hepatitis D-Virus (HDV)
Synonym(e)
HDV; δ-Agens; Hepatitis-Delta-Virus; delta-Antigen
Englischer Begriff
hepatitis D virus
Beschreibung des Erregers
Hepatitis-D-Virus – früher auch als delta-Antigen bezeichnet – ist ein defektes einzelsträngiges RNA-Virus mit zirkulärem Genom. Es benötigt zur Replikation die Hülle des Hepatitis B-Virus (HBV), weshalb HDV immer zusammen mit einer Hepatitis-B-Infektion auftritt.
HDV gehört der Gattung Deltavirus an und ist die einzige Spezies, die keiner Virusfamilie zugeordnet werden kann. Bislang ließen sich 8 HDV-Genotypen identifizieren, einziger natürlicher Wirt ist der Mensch.
HDV kommt weltweit vor. Als Endemiegebiete gelten vor allem der Mittelmeerraum, einige nordafrikanische Länder, der Mittlere Osten und Südamerika. Ungefähr 5 % der HBs-Antigenträger weisen eine zusätzliche HDV-Infektion auf.
Erkrankungen
Hepatitis-D-Viren werden analog zu Hepatitis-B-Viren durch Kontakt mit Blut oder Körperflüssigkeiten infizierter Personen übertragen (Geschlechtsverkehr, gemeinsam benutzte Injektionsnadeln). Die Infektion kann entweder als Simultaninfektion (Koinfektion) gleichzeitig mit HBV oder als Superinfektion einer bereits HBV-infizierten Person erfolgen.
In der Regel führt eine Simultaninfektion nach einer Inkubationszeit von 4–8 Wochen zu einer akuten, häufig schwer verlaufenden Hepatitis, die nur in wenigen Fällen (ca. 5 %) chronisch wird. Allerdings ist das Risiko eines akuten Leberversagens etwas höher verglichen mit einer HDV-Superinfektion. Eine Superinfektion führt nach einer Inkubationszeit von 50–180 Tagen meist zu schweren, akuten Hepatitiden, die fast immer chronifizieren. Chronische HBV-Träger mit HDV-Superinfektion entwickeln häufiger eine Leberzirrhose als chronische HBV-Träger ohne HDV-Infektion. Der Einfluss von HDV auf die Entwicklung eines Leberzellkarzinoms ist umstritten.
Einzige Therapieoption ist derzeit pegyliertes Interferon-alpha mit mäßigem Therapieerfolg. Eine Hepatitis-B-Impfung eignet sich auch als Prophylaxe gegen eine HDV-Infektion. Bereits HBV-Infizierten bleibt als einzige prophylaktische Maßnahme die Expositionsprophylaxe.
Analytik
Direktnachweis: Der nur noch selten durchgeführte HDV-Antigennachweis gelingt im Serum mittels Immunoassay. Der Antigennachweis ist zunehmend durch die NAT (Nukleinsäureamplifikationstechnik) verdrängt worden. HDV-RNA lässt sich mittels NAT in Serum, Plasma und Gewebe (Leberbiopsie) nachweisen. Die hohe Variabilität im Genom kann falsch negative Ergebnisse verursachen.
Serologie: Je nach Hersteller und Testsystem werden Immunoassays zum Nachweis von Total HDV-Ak (IgG und IgM-Ak), seltener HDV-IgG-Ak und separat HDV-IgM-Ak angeboten.
Untersuchungsmaterial und Probenstabilität
Direktnachweis: Stabilität des Antigens in Serum bei +4 °C 2 Tage, längere Lagerung bei −20 °C. HDV-RNA: Vollblut innerhalb von 6 Stunden zentrifugieren; Plasma und Serum sind bei +4 °C 3 Tage, bei −20 °C mindestens 1 Monat stabil. Gewebe bei −20 °C einfrieren.
Serologie: Serum und Plasma für den Nachweis der Antikörper sind bei +4 °C bis zu 4 Wochen und bei −20 °C 1 Jahr stabil.
Diagnostische Wertigkeit
HDV-Diagnostik ist nur bei positivem HBs-Ag (Hepatitis B-Virus (HBV)) sinnvoll. Als Suchtest wird meist ein Total-HDV-Ak-Test zum Nachweis von HDV-IgG- und HDV-IgM-Ak genutzt. Es sollte sich die Bestimmung der HDV-RNA im Blut anschließen, um zwischen einer ausgeheilten oder aktuellen HDV-Infektion unterscheiden zu können. Die HDV-RNA im Blut ist ein Maß für Virämie und Infektiosität. Sie dient der Therapiekontrolle. Der zeitliche Verlauf der verschiedenen Marker ist bei Simultaninfektion und Superinfektion unterschiedlich.
Simultaninfektion: Bei der gleichzeitigen Infektion mit HBV und HDV werden die Hepatozyten zuerst mit HBV infiziert. Die HDV-Expression erfolgt 1–2 Wochen später. Durch diese zeitliche Abfolge der Infektionen kommt es häufig zu einem biphasischen Transaminasenanstieg (einer durch HBV, der andere durch HDV bedingt). HDV-RNA und -Ag sind bereits früh (6–8 Wochen nach Exposition) nachweisbar. HDV-Ag lässt sich in Serum nur in einem kurzen Zeitfenster detektieren, häufig bleibt es unter der Nachweisgrenze. Tage bis Wochen nach Beginn der Hepatitis setzt die IgM-Ak-Antwort, gefolgt von der IgG-Ak-Bildung, ein. Bei immundefizienten Patienten kommt es zu einer verzögerten Immunantwort. IgM-Ak sind meist nur wenige Wochen in der akuten Phase nachweisbar. Der gleichzeitige Nachweis von HDV-Ak und HBc-IgM-Ak spricht für eine Simultaninfektion. Da diese meist zur Eradikation beider Viren führt, verschwindet HBs-Ag im Verlauf und HBs-Ak wird gebildet, HDV-IgG-Ak-Titer fallen langsam ab.
Superinfektion: Auch bei der Infektion eines HBV-Infizierten mit HDV sind HDV-RNA und HDV-Ag früh (ca. 2 Wochen nach Exposition) detektierbar. HDV-RNA ist meist in hoher Konzentration nachweisbar. Mit Ausbruch der klinischen Symptomatik sind zunächst HDV-IgM-Ak nachweisbar, gefolgt von HDV-IgG-Ak. Oft führt die Superinfektion zu einer deutlichen Reduzierung der HBV-Replikation in den Hepatozyten bis hin zum Verschwinden von HBs-Ag und HBe-Ag, Bildung von HBe-Ak und Abfall der HBV-DNA unter die Nachweisgrenze. Der Nachweis von HDV-Ak, HBs-Ag und HBc-Ak bei nicht nachweisbarem HBc-IgM-Ak spricht für eine Superinfektion.
Von einer chronischen HDV-Infektion spricht man, wenn die HDV-RNA mindestens 6 Monate persistiert. Auch HDV-IgM-Ak bleibt weiter nachweisbar; HDV-IgG-Ak liegt in hohen Titern vor. Eine erfolgreiche Therapie der HDV-Infektion lässt sich am Verschwinden der HDV-IgM-Ak und der HDV-RNA monitoren.
Literatur
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WHO Fact sheets Hepatitis D. http://​www.​who.​int/​mediacentre/​factsheets/​hepatitis-d/​en/​. Zugegriffen am 05.04.2018