Aufgrund ihres Verhaltens bei labortechnischen Nachweismethoden werden in Transfusionsmedizin und
Immunhämatologie komplette und inkomplette
Antikörper unterschieden. Inkomplette Antikörper sind stets Antikörper der IgG-Klasse und können beim Antikörpernachweis im Labor im Kochsalzmilieu
Erythrozyten, die die korrespondierenden
Antigene auf der Zelloberfläche tragen, nicht direkt, sondern nur nach Zusatz eines Sekundärantikörpers (Anti-Humanglobulin) agglutinieren.
Komplette Antikörper hingegen gehören immer der IgM-Klasse an und können direkt die Erythrozyten agglutinieren. Diese unterschiedlichen Eigenschaften von Antikörpern, deren Einteilung in komplette und inkomplette Antikörper rein aufgrund ihres labortechnischen Verhaltens erfolgt, beruht auf den Größenunterschieden von IgM- und IgG-Antikörpern und dem
Zetapotenzial der Erythrozyten. Das Zetapotenzial ist eine erythrozytenspezifische Eigenschaft, die dazu führt, dass sich Erythrozyten gegenseitig abstoßen und in physiologischem Milieu einen Abstand zueinander von bis zu 300 Å einhalten. Dieser Abstand kann direkt nur von Antikörpern der IgM-Klasse, die ein Molekulargewicht von ungefähr 900 kDa aufweisen, überbrückt und somit eine
Agglutination der Erythrozyten im Reagenzglas herbeigeführt werden. IgG-Antikörper sind aufgrund ihres geringeren Molekulargewichtes von ungefähr 160 kDa nicht in der Lage, direkt den Abstand von 2 Erythrozyten zu überbrücken und somit ohne Zusatz eines vernetzenden Sekundärantikörpers (Anti-Humanglobulin) eine Agglutination zu induzieren. Wichtig ist, dass die Unterscheidung von kompletten und inkompletten Antikörpern lediglich aufgrund ihres Verhaltens bei Nachweismethoden im Labor erfolgt und für die Antikörperwirkung
in vivo, die nur über die Antigen-Antikörper-Wechselwirkung bestimmt wird, ohne Bedeutung ist.