Einleitung
Häufigkeit
Schulterschmerzen
werden vermehrt bei Sportlern bestimmter Disziplinen beobachtet. Insbesondere Personen, die Überkopf- und Wurfsportarten wie Handball, Baseball, Volleyball, Schwimmen oder Turnen ausüben, sind am häufigsten betroffen (Oliveira et al.
2017). Ursache kann sowohl ein funktionelles Problem sein, als auch eine strukturelle Schädigung im Rahmen von Verletzungen der Schulter. Hierbei ist die Entstehungsursache abhängig von der jeweiligen Sportart und deren bewegungsspezifischen Eigenheiten. Defekte der Rotatorenmanschette sowie Defekte des Labrums bzw. des SLAP („superior labrum anterior to posterior“) werden bei Schulterschmerzen des Sportlers mit am häufigsten als Pathologie beobachtet. Studien zeigen, dass im Leistungs- und Spitzensport bei Überkopfsportarten wie Volleyball
34 % der Sportler Schulterschmerzen haben (Verhagen et al.
2004). Schwimmer
sind mit 75 % noch häufiger betroffen (McMaster und Troup
1993). In der Literatur werden Rotatorenmanschettendefekte bei Handballern
mit bis zu 83 %, bei Volleyballern mit bis zu 58 % beobachtet (Doyscher et al.
2014). Auch bei Turnern
im Leistungs- und Spitzensport konnten degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette in 75 % der Sportler nachgewiesen werden (De Carli et al.
2012).
Trauma
Bei Schulterschmerzen des Sportlers ist es wichtig, zwischen traumatischen und überlastungsbedingten Schäden des Labrums bzw. der Rotatorenmanschette zu unterscheiden. Direkte Traumen der Schulter treten bei Sportlern insbesondere als
Schulterluxation und Verletzung des Schultereckgelenks auf. Seltener kommt es zur direkten Schädigung der Rotatorenmanschette oder des SLAP. Diese Schädigungen der Rotatorenmanschette und des SLAP entstehen im Sport überwiegend atraumatisch durch repetitive Überlastung in Kombination mit konstitutionellen Veranlagungen und hieraus resultierender veränderter Biomechanik der Schulter. Dies führt zu belastungsabhängigen Schulterschmerzen des Sportlers. Diese Beschwerden werden als Sportlerschulter bezeichnet.
Definition
Die Sportlerschulter ist ein komplexes Krankheitsbild, das in der Regel durch repetitive sportartspezifische Überlastung insbesondere bei Überkopfsportarten verursacht wird und durch einen Schulterschmerz charakterisiert ist. Es stellt somit einen Symptomkomplex dar. Die Sportlerschulter tritt entsprechend vor allem bei schulterbelastenden Sportarten auf. Bei den typischen Sportarten kann man zwischen Wurf-, Überkopf- und Rückschlagsportarten unterscheiden. Bei Sportarten wie Schwimmen und Turnen ist hier ebenfalls die Überkopfbewegung entscheidend. Dabei kommt es zu repetitiven endgradigen Bewegungen des Armes im Schultergelenk, die bei entsprechender Veranlagung beziehungsweise Konstitution des Sportlers zur Sportlerschulter führen. Hierbei existieren für die Sportlerschulter zahlreiche synonym verwendete Begriffe bzw. Subklassifikationen: Walch-Läsion, antero-superiores Impingement, postero-superiores Impingement, Wurfschulter, Werferschulter, inneres Impingement, Dead-arm-syndrom, Throwers’ shoulder, athlets’ shoulder, Schwimmerschulter.
Der Begriff Sportlerschulter wird zum Teil widersprüchlich eingesetzt. Einige Autoren verwenden den Begriff als Sammelbegriff für Verletzungen und
Schmerzsyndrome der Schulter des Sportlers. Von anderen wird der Begriff Sportlerschulter isoliert als Bezeichnung für Erkrankungen der Schulter bei wiederholter sportartspezifischer Belastung von Überkopfsportarten verwendet (Majewski
2010). Dieser letzten Definition schließen sich die Autoren dieses Beitrages an.
Aufgrund der Begriffsunschärfe wird jedoch die Verwendung des Begriffs Sportlerschulter als Bezeichnung der klinischen Beschwerdesymptomatik bei Sportlern mit Schulterbelastung empfohlen, bei denen als Ausgangspunkt der Erkrankung keine traumatische strukturelle Schädigung vorliegt. Hinsichtlich der strukturellen Schädigungen der Schulter durch sporttraumatologische Verletzungen wird auf die entsprechenden Kapitel verwiesen. Im Folgenden wird der Begriff Sportlerschulter verwendet und die Definition wie voranstehend geschildert zugrunde gelegt.
Klinik
Der Patient mit Sportlerschulter klagt in der Regel über einen stechenden
Schmerz bei der maximalen Ausholbewegung oder über Beschwerden in der Beschleunigungsphase der Wurfbewegung. Bei der klinischen Untersuchung sind häufig eine leichte Instabilität und positive Impingementzeichen feststellbar. Meist besteht eine Einschränkung der Innenrotation bei vermehrter Außenrotationsfähigkeit sowie eine scapulothorakale Dyskinesie
. Diese muskuläre Dysbalance der scapulothorakalen Strukturen kann in einer Scapula alata resultieren, wobei nicht klar ist, ob diese auch Ursache für den pathologischen Bewegungsablauf und die Beschwerdesymptomatik ist.
Diagnostik
Das klinische Bild einer Sportlerschulter ist uneinheitlich und kann zum Teil schwierig zu diagnostizieren sein. Es werden die folgenden Strukturen im Rahmen der Diagnostik untersucht: Gelenkkapsel, Stabilität, Rotatorenmanschette, lange Bizepssehne, scapulothorakaler Rhythmus, Rumpfstabilisierung.
Bei der Untersuchung der Gelenkkapsel wird ein GIRD-Syndrom
detektiert. Von diesem ist bei einer um 20° verminderten Innenrotationsfähigkeit bei 90°-Abduktion auszugehen (Burkhart et al.
2003b). Zur Vermeidung einer scapulären Ausgleichsbewegung wird empfohlen, die Untersuchung der Schulterinnenrotation beim liegenden Patienten durchzuführen.
Auch muss bei der Diagnostik die scapulothorakale Bewegung genau analysiert werden. Häufig findet sich eine Schwäche der scapulastabilisierenden Muskulatur, die durch die MM. rhomboidei sowie den M. trapezius pars ascendens und den M. serratus anterior gebildet wird. Zudem ist der M. pectoralis minor in vielen Fällen verkürzt.
Die generelle Laxizität des Patienten muss geprüft werden. Dabei sollte der Apprehension-Test sowie der Relocation-Test durchgeführt werden sowie auf ein Sulcus-Zeichen geachtet werden. Eine bei diesen Patienten häufig vorliegende generelle Rumpfschwäche kann anhand von Sprungübungen analysiert werden.
Zum Teil bestehen bei den Patienten schon sekundäre Schäden der Rotatorenmanschette (PASTA-Läsionen, komplette Rotatorenmanschettenrupturen), die mittels einer Magnetresonanztomographie-(MRT-)Untersuchung der Schulter abgeklärt werden können.
Auch Schäden des Bizepssehnenankers oder des Pulley-Systems können in der MRT-Untersuchung nachgewiesen werden. Klinisch sind hierbei der O’Brien-Test und der Speed-Test hilfreich. Für Verletzungen des Pulley-Systems kann ein Druckschmerz im Bereich des Rotatorenmanschettenintervalls hinweisgebend sein.
Insgesamt gelingt der Nachweis dieser Läsionen durch MRT-Untersuchungen mit intraartikulärer Kontrastmittelgabe besser, teilweise ist auch eine Lagerung des Armes während des MRT in einer ABER-Position (Abduktion/externe Rotation) hilfreich.
Bei Patienten mit einer generellen Laxizität und somit bestehendem Hypermobilitätssyndrom fallen überstreckbare Daumensattelgelenke und Ellbogengelenke auf. Weitere Tests für die Bestimmung der
Translation des Glenohumeralgelenks sind der Anterior-and-posterior-drawer-Test und der Load-and-shift-Test.
Therapie
Die Behandlung erfolgt in der Regel bei noch fehlenden stärkeren strukturellen Schäden zunächst konservativ. Dabei kann in folgenden Phasen unterteilt werden:
Akute Phase
Hierbei steht die Entzündungshemmung im Vordergrund und ggf. die Unterstützung der Resorption von Einblutungen bei Rissbildungen. Zudem wird eine Zentrierung des Humeruskopfes im Glenohumeralgelenk angestrebt. Hierfür bedarf es einer Kaudalisierung mit Dehnung der kontrakten dorsalen Kapsel und Kräftigung der ventralen Kapsel.
Stabilisierungsphase
In der Stabilisierungsphase ist die Zielsetzung die Rückgewinnung der neuromuskulären Kontrolle und die Verbesserung der Sensomotorik. Dies gelingt durch ein gezieltes Training der kaudalisierenden Muskeln, um der muskulären Dysbalance entgegen zu wirken. Eine Stabilisierung der geschwächten schulterstabilsierenden Muskulatur kann beispielsweise durch das Übungsprogramm „Throwers’ Ten“ erfolgen.
Das „Throwers’ Ten“-Programm ist ein gezieltes Training der Muskulatur bei Schultersportlern, speziell des Werfers. Dafür benötigt man 2 Hanteln und ein elastisches Band. Es wird empfohlen, das Übungsprogramm mit verringerter Intensität während der Saison und mit verdoppelter Intensität in der Saisonvorbereitung durchzuführen.
Basiert die Sportlerschulter auf einer Schwächung der periscapulären Muskulatur mit gleichzeitiger Scapuladyskinesie
wird eine Stabilisierung dieser Muskelgruppe empfohlen. Diesbezüglich ist eine Kräftigung der Rumpfmuskulatur, der sog. Core-Muskulatur, ratsam. Spezifisch werden die Zentrierung der Scapula trainiert und anschließend isometrische Übungen zur Stabilisierung durchgeführt. Im letzten Schritt erfolgen dynamische Übungen (Dexel et al.
2014).
Spezifische Phase
In der nachfolgenden spezifischen Phase oder der Aufbauphase wird vor allem das Krafttraining zur Vermeidung eines Rezidivs intensiviert.
Die operative Therapie ist der Behandlung von strukturellen Folgeschäden vorbehalten mit Naht der Rotatorenmanschette bzw. Rotatorenmanschettedebridement sowie Reparatur der kranialen Labrumstrukturen. Zum Teil werden auch eine dorsale Arthrolyse der Kapsel bzw. Raffung der ventralen Kapsel empfohlen. Sowohl die Arthrolyse als auch die Kapselraffung sollten nur nach frustraner suffizienter konservativer Therapie über mehrere Monate erfolgen und gelten letztendlich als Ultima-Ratio-Therapieversuch.
Prognose
Die Prognose der Sportlerschulter ist unter entsprechender Therapie als gut anzusehen. Wichtig sind eine suffiziente Aufklärung des Sportlers und eine Anpassung des Trainings und Bewegungsablaufs mit Einbeziehung der oben genannten Übungen. Nach Angaben der Literatur kann somit eine Rückkehr zur Sportart in ca. 90 % der Fälle erzielt werden (Jobe
1995; Burkhart et al.
2003c).
Strukturelle Schäden nach operativer Therapie führen ebenfalls zu einer guten Rückkehrquote des Sportlers zum Sport. In der Literatur wird angegeben, dass über 87 % der Sportler eine Rückkehr zum Sport erreichen. Allerdings erreichen nur 65 % eine Wiederaufnahme der sportlichen Aktivität auf demselben Niveau wie vor Beginn der Beschwerden. Bei Wettkampfsportlern ist der Anteil sogar noch geringer. Hierbei liegt die Rückkehrquote zum Sport auf demselben Niveau nur bei etwa 50 % (Klouche et al.
2016).