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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 03.04.2020

Lappenplastik: Parascapularlappen

Verfasst von: Alexander Sogorski, Martin Siebeck und Marcus Lehnhardt
Die Parascapular-Lappenplastik wurde erstmalig 1982 von Nassif et al. als eine damals neue mikrochirurgische Lappenplastik beschrieben. Entsprechend der Gewebezusammensetzung ordneten die Autoren die Parascapular-Lappenplastik, in Abgrenzung zu den myokutanen Lappenplastiken, der Gruppe der kutanen Lappenplastiken zu. Als freie oder gestielte Lappenplastik gilt die Parascapular-Lappenplastik als etabliertes Verfahren in der Defektdeckung nach Traumata der oberen und unteren Extremität.

Anatomie und Operationstechnik

In Bezug auf die anatomischen Studien zu Verlauf und Lage (innerhalb der dorsalen thorakalen Faszie) des arteriellen Versorgungssystems der Arteria-subscapularis-Achse von Kim et al. wird die Parascapular-Lappenplastik heute den fasziokutanen Lappenplastiken zugeordnet (Kim et al. 1987).
Ausgehend von der A. axillaris dient die A. subscapularis als zuführendes Gefäß sowohl der A. thoracodorsalis als auch der A. circumflexa scapulae. Die A. circumflexa scapulae zieht durch die dreieckig geformte mediale Achsellücke („triangular space“) und teilt sich im Verlauf ihres absteigenden Astes in einen scapularen und parascapularen Endast auf (Abb. 1). Der parascapulare Ast verläuft parallel des Margo lateralis der Scapula und stellt das axial versorgende arterielle Gefäß der Parascapular-Lappenplastik dar. Üblicherweise finden sich im Verlauf des arteriellen Gefäßnetzes 2 Begleitvenen mit einer prominenteren Vene größeren Kalibers. Je nach Absetzungsstelle im arteriellen Gefäßbaum resultiert ein Gefäßstiel der Lappenplastik von bis zu 14 cm Länge bei einem Gefäßdurchmesser von 1,5–4,5 mm (Nassif et al. 1982; Kim et al. 1987). Die Größe der gehobenen Lappenplastik wurde, unter Berücksichtigung einer primär zu verschließenden Hebestelle, in der Originalpublikation von Nassif et al. mit 30 cm × 15 cm (Breite × Länge) beschrieben (Nassif et al. 1982). Diese Angaben wurden durch Kon et al. bestätigt, die einen primären Wundverschluss bei den genannten Ausmaßen erreichen konnten (Kon 1988). Nach vorausgegangener Gewebeexpansion konnten Parascapular-Lappenplastiken als gestielte Lappenplastik mit einer Gesamtlänge von bis zu 44 cm (Breite bis zu 16 cm) oder ohne vorheriger Expansion im Einzelfall mit einem Ausmaß von 43 cm × 10 cm als freie Lappenplastik erfolgreich transplantiert werden (Albarah et al. 2010; Sachs et al. 2015).
Die Präparation der Lappenplastik erfolgt in Seitenlagerung und Schulterabduktion. Zur Vermeidung von Plexusschäden sollte eine zu brüske Abduktion vermieden werden. Die mediale Achsellücke, durch die die A. circumflexa scapulae zieht, wird palpatorisch identifiziert. Die anatomischen Begrenzungen bilden nach kranial der M. teres minor, nach kaudal der M. teres major und nach lateral der M. triceps brachii (Caput longum). Zusätzlich muss die Margo lateralis der Scapula identifiziert werden, entlang der parallel die Längsachse der Lappenplastik verläuft. Die Lappenplastik wird nun dem zu deckenden Defekt entsprechend eingezeichnet (Abb. 2). Nach vollständiger Präparation des Gefäßstiels durch die mediale Achsellücke wird die Lappenplastik vollständig umschnitten und von distal nach proximal (von verschiedenen Autoren bevorzugt gegenüber der proximal-distalen Präparation) epifaszial der tiefen Muskelfaszie gehoben. Im Bereich des Gefäßstiels ist eine Präparation unterhalb der Faszie notwendig. Soll die Transposition als freie Lappenplastik erfolgen, werden zunächst das arterielle Gefäß und dann die Begleitvene abgesetzt. Die Hebestelle kann anschließend unter Einlage einer Drainage primär verschlossen werden. An der Empfängerstelle erfolgt der mikrochirurgische Anschluss, die Arterie wird zuerst an die Empfängergefäße in End-zu-Seit- oder End-zu-End-Technik angeschlossen. Die Vorbereitung der Empfängerstelle (Debridement, ggf. Osteosynthese, Präparation der Anschlussgefäße) muss zur Minimierung der Ischämiezeit bei freiem Gewebetransfer vor Absetzung der Lappenplastik an der Hebestelle abgeschlossen sein (Abb. 3 und 4).
Die Parascapular-Lappenplastik vereint eine Vielzahl positiver Eigenschaften, die zu ihrer weiten Verbreitung als „workhorse-flap“, gerade auch im unfallchirurgischen/traumatologischen Patientengut, beigetragen haben. Aufgrund der verlässlichen anatomischen Verhältnisse ist unter standardisiertem Vorgehen eine zügige Präparation der Parascapular-Lappenplastik möglich. Durch einen langen Gefäßstiel stehen bei gestieltem Lappentransfer ein großer Rotationsbogen, bei freiem Gewebetransfer vielfältige Anschlussmöglichkeiten zur Verfügung. Unter Berücksichtigung der oben beschriebenen Dimensionen können bei geringer Hebestellenmorbidität große Weichteildefekte durch eine Parascapular-Lappenplastik verschlossen werden (Chen et al. 1989; Izadi et al. 2012; Ring et al. 2016; Sachs et al. 2015; Dumont et al. 2007). Durch die Planung sogenannter chimärer Lappenplastiken kann die Parascapular-Lappenplastik, ausgehend von der Gefäßachse der A. subscapularis, im Verbund mit beispielsweise der Scapular-Lappenplastik oder der Latissimus-dorsi-Lappenplastik präpariert und zum Weichteilverschluss ausgedehnter Defekte eingesetzt werden (Izadi et al. 2012; Hallock 2008; Koshima und Soeda 1985; Mutaf und Sensoz 1994). Den positiven Attributen stehen insbesondere eine fehlende Innervation der Parascapular-Lappenplastik sowie eine, durch die intraoperative Lagerung häufig gegebene, Notwendigkeit zur Umlagerung im Verlauf der Operation entgegen (Tab. 1).
Tab. 1
Vor- und Nachteile der Parascapular-Lappenplastik
Vorteile
Nachteile
Verlässliche Gefäßarchitektur
Intraoperative Lagerungswechsel
Zügige Präparation
Fehlende Innervation
Langer Gefäßstiel
 
Geringe Hebestellenmorbidität
 
Verschluss großer Defekte
 
Einschluss in chimäre Lappenplastiken
 

Chimäre Lappenplastiken und Composite Grafts

Unter Berücksichtigung der Gefäßarchitektur können entlang der Gefäßachse der A. subscapularis (Abb. 5) Parascapular-Lappenplastiken im Verbund mit beispielsweise der Latissimus-dorsi-Lappenplastik oder der Scapular-Lappenplastik gehoben werden. Solche, auch als chimäre Lappenplastiken bezeichnete Gewebetransplantate kommen zur Anwendung, wenn bei weit ausgedehnten Defekten mit Exposition funktionell bedeutsamer Strukturen eine suffiziente Weichteildeckung erforderlich ist (Izadi et al. 2012; Hallock 2008; Koshima und Soeda 1985; Rowsell et al. 1984; Sauerbier et al. 2001; Bakhach et al. 1996). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die fasziokutane Parascapular-Lappenplastik als „composite graft“ (Transplantat aus verschiedenen Geweben) in Kombination mit einem über einen separaten Gefäßast vaskularisierten, knöchernen Anteil der Scapula zu heben. So können am Empfängerort auch ossäre Defekte ausgefüllt oder stabilisierende Strukturen rekonstruiert werden (Prantl et al. 2009; Bakhach et al. 1996; Cho et al. 2007; Roll et al. 2008).

Hebestellenmorbidität und Outcome

Zusammenfassend ist die Parascapular-Lappenplastik generell eine sichere und verlässliche Option, auch unter funktionellen Gesichtspunkten, zur Defektdeckung durch eine freie bzw. gestielte Lappenplastik.
Insbesondere die Hebestellenmorbidität stellt sich im postoperativen Verlauf als gering dar. Das Auftreten eines postoperativen Seroms der Hebestelle ist im Vergleich zur Latissimus-dorsi-Lappenplastik deutlich geringer. Dennoch sollte die Einlage einer Drainage als obligat betrachtet werden. Darüber hinaus kommt es durch die Transplantation einer Parascapular-Lappenplastik in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle zu keinen funktionellen Einschränkungen hinsichtlich der Schulter-Arm-Mobilität und -Kraft. Vorliegende Komorbiditäten wie beispielsweise Pathologien der Rotatorenmanschette konnten in Outcome-Studien als Grund für postoperative Einschränkungen identifiziert und ein direkter Zusammenhang mit der Lappenhebung nicht belegt werden (Klinkenberg et al. 2013; Roll et al. 2007). In vergleichenden Analysen zur Gesamtzufriedenheit nach Operation wurde die Parascapular-Lappenplastik im Vergleich mit der ALT-Lappenplastik („antero-lateral thigh“) und der Oberarm-Lappenplastik von betroffenen Patienten am Besten bewertet. Der für die Patienten nicht sichtbaren Narbe am Rücken scheint hier ein erhebliches Gewicht in der Bewertung zuzukommen. Auch die sensorischen Störungen im Bereich der Entnahmestelle wurden von den Patienten deutlich positiver bewertet (Klinkenberg et al. 2013).
Literatur
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Chen D et al (1989) The parascapular flap for treatment of lower extremity disorders. Plast Reconstr Surg 84(1):108–116CrossRef
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Sauerbier M et al (2001) Defect coverage of the hand and forearm with a free scapula-parascapula flap. Handchir Mikrochir Plast Chir 33(1):20–25CrossRef