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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 28.02.2024

Sportassoziierte Erkrankungen des Kniegelenkes/Überlastungsreaktionen

Pathologien des Hoffa-Fettkörpers, Plica synovialis Syndrom, Bursitiden, Überlastungen der Apophyse und der Tuberositas tibiae, Knochenmarködem
Verfasst von: Sarah Schröter und Martin Engelhardt
Um Überlastungsreaktionen durch sportliche Aktivitäten zu vermeiden, sollte ein Gleichgewicht zwischen sportlichen Belastungsanforderungen und den Eigenschaften des menschlichen Bewegungsapparats vorliegen. Das primäre Ziel in der sportmedizinischen Prävention ist eine sportliche Aktivität, die die Adaptationsfähigkeit fördert und übermäßiges Training vermeidet. Letzteres erhöht die Verletzungsanfälligkeit und kann zu langfristigen Leistungsminderungen führen.
Überlastungssyndrome werden durch wiederholte Mikrotraumata verursacht. Das Kniegelenk ist im Sport am häufigsten von Überlastungen betroffen. Ein Grund hierfür ist, dass das Kniegelenk bei nahezu allen sportlichen Aktivitäten beansprucht wird. Zu den Pathologien im Zusammenhang mit Überlastungssyndromen gehören: femoropatellarer Schmerz, Jumper’s-Knee-Syndrom, Osgood-Schlatter-Syndrom, Sinding-Larsen-Johansson-Syndrom, Patella-Stressfrakturen, Sehnen-Enthesopathien, Tendinopathien, Bursitiden, Pathologien des Hoffa-Fettkörpers, Iliotibialband-Syndrom (Läuferknie), Knochenmarksödeme und Fabella-Syndrom.

Einleitung

Um Überlastungsreaktionen durch sportliche Aktivitäten zu vermeiden, sollte ein Gleichgewicht zwischen sportlichen Belastungsanforderungen und den Eigenschaften des menschlichen Bewegungsapparats vorliegen. Das primäre Ziel in der sportmedizinischen Prävention ist eine sportliche Aktivität, die die Adaptationsfähigkeit fördert und übermäßiges Training vermeidet. Letzteres erhöht die Verletzungsanfälligkeit und kann zu langfristigen Leistungsminderungen führen.
Überlastungssyndrome werden durch wiederholte Mikrotraumata verursacht. Das Kniegelenk ist im Sport am häufigsten von Überlastungen betroffen (Draghi et al. 2008). Ein Grund hierfür ist, dass das Kniegelenk bei nahezu allen sportlichen Aktivitäten beansprucht wird. Zu den Pathologien im Zusammenhang mit Überlastungssyndromen gehören: femoropatellarer Schmerz, Jumper’s-Knee-Syndrom, Osgood-Schlatter-Syndrom, Sinding-Larsen-Johansson-Syndrom, Patella-Stressfrakturen, Sehnen-Enthesopathien, Tendinopathien, Bursitiden, Pathologien des Hoffa-Fettkörpers, Iliotibialband-Syndrom (Läuferknie), Knochenmarksödeme und Fabella-Syndrom.

Pathologien des Hoffa’schen Fettkörpers

Neben dem suprapatellaren und dem präfemoralen Fettkörper stellt der Hoffa’sche Fettkörper als infrapatellarer Fettkörper (englisch: infrapatellar fat pad = IFP) bzw. Corpus adiposum infrapatellare eines der drei Fettpolster im vorderen Kniegelenkskompartiment dar. Es handelt sich bei dem IFP um eine intrakapsuläre, aber extrasynoviale Struktur, die im hinteren Bereich von einer Synovialmembran bedeckt ist. Die physiologische Funktion ist seit langem umstritten. Anatomisch wird der IFP gut durchblutet (Dragoo et al. 2012) und ist von zahlreichen Nerven versorgt (Butler-Manuel et al. 1992). Eine Reihe von pathologischen Veränderungen im Kniegelenk wird mit der Entzündung des IFP in Verbindung gebracht. Ein pathologisch veränderter Hoffa’scher Fettkörper findet sich meist als Begleiterscheinung bei intraartikulären Kniegelenkspathologien wie einer Gonarthrose, einer Arthrofibrose oder Erkrankungen, die Schmerzen im vorderen Kniegelenksbereich verursachen (Clockaerts et al. 2010). Seltener tritt eine isolierte Pathologie des IFPs auf, welche sich als entzündliche Hypertrophie, eine Hoffitis, als Hoffa-(Kastert-)Syndrom oder als Hoffa-Impingement äußern kann.

Anatomische und Physiologische Grundlagen

Der Hoffa’sche Fettkörper befindet sich intrakapsulär und extrasynovial im Kniegelenk. Er besteht aus Bindegewebe, welches von Adipozyten durchzogen ist (Magi et al. 1991). Die arterielle Blutzufuhr wird über Anastomosen aus der Aa. genu superior und inferior sowie der A. genu medius gewährleistet (Kohn et al. 1995). Innerviert wird das Corpus adiposum infrapatellare über Nervenabgänge aus dem N. femoralis, dem N. saphenus und dem N. peroneus communis (Lang und Wachsmuth 1972).
In vergangenen Arbeiten wurde die Zytokin- und Wachstumsfaktorenproduktion, beispielsweise bFGF (basic fibroblast growth factor), VEGF (vascular endothelial growth factor), TNF α (tumour necrosis factor α) und IL-6 (Interleukin-6), durch den IFP bewiesen (Ushiyama et al. 2003). Diese endokrine Funktion spielt mutmaßlich eine wichtige Rolle im Knorpelstoffwechsel und scheint folglich grundlegend in der Entwicklung der Gonarthrose.

Pathogenese

Eine Hypertrophie des Hoffa Fettkörpers tritt meist infolge einer Kniegelenksbinnenpathologie auf. Kniebinnenschäden können aufgrund von mechanischen Überlastungen oder entzündlichen Veränderungen auftreten. Die häufigsten intraartikulären Kniegelenkspathologien, die zu einer hypertrophen Veränderung des IFPs führen, sind Gonarthrosen, Arthrofibrosen oder Schmerzsyndrome im vorderen Kniegelenksbereich (Clockaerts et al. 2010).

Diagnostik

Das primäre Diagnosekriterium der Hypertrophie des IFP ist die Anamnese sowie die körperliche Untersuchung. Typischerweise findet sich eine druckschmerzhafte Schwellung medial, seltener auch lateralseitig der Patellasehne. Bildgebende Verfahren wie die Sonografie und das MRT können hilfreich sein, um entzündungsbedingt eingelagerte Flüssigkeit im Hoffa’schen Fettkörper sichtbar zu machen.

Therapie

Die Therapie sollte sich immer nach den ursächlichen Kniegelenkspathologien richten. Generell können konservative Therapieverfahren wie Entlastung, Kühlung, Analgetika-Einsatz sowie physiotherapeutisches Muskeltraining in der akuten Phase zu einer Symptomlinderung führen. Nichtsdestotrotz ist bei persistierender bzw. rezidivierender Symptomatik die arthroskopische Resektion des Hoffa’schen Fettkörpers die Methode der Wahl.

Plica synovialis Syndrom

Eine Plica synovialis beschreibt eine Schleimhautfalte in der Gelenkinnenhaut des Kniegelenks, die bei etwa 50–70 % der Erwachsenen auftritt. Das Kniegelenk ist, ebenso wie jedes andere Gelenk, von einer dünnen, glatten Schicht überzogen, der sogenannten Synovialmembran. Diese produziert Gelenkflüssigkeit, welche Reibung im Gelenk verhindert und den Gelenkknorpel mit Nährstoffen versorgt. Während der Embryonalentwicklung bildet die Synovialmembran eine Barriere, die das Kniegelenk in zwei getrennte Bereiche unterteilt. Normalerweise bildet sich diese Membran bis zum Ende der kindlichen Entwicklung vollständig zurück, um eine größere Bewegungsfreiheit im Kniegelenk zu ermöglichen. Bei etwa 50–70 % der Erwachsenen verbleibt jedoch eine kleine Gewebefalte, die sogenannte Plica synovialis. Wenn eine Plica stark ausgeprägt ist, kann sie schmerzhafte Reizungen verursachen, insbesondere bei Überlastungen des Kniegelenks. Dies wird als Plica-Syndrom bezeichnet. Das Plica-Syndrom kann die Plica suprapatellaris, die Plica infrapatellaris oder die Plica mediopatellaris betreffen, wobei die letztgenannte die häufigste Ursache für eine Entstehung des Plica-Syndroms ist.

Pathogenese

Sportliche Aktivitäten, bei denen das Knie wiederholt gebeugt und gestreckt wird, sind die häufigsten Ursachen für eine symptomatische Äußerung einer Plica synovialis. Durch Reibungen am Gelenksknorpel kann eine Plica langfristig eine Gonarthrose bedingen.

Diagnostik

Eine symptomatische Plica kann zu Einklemmungserscheinungen, einem Impingement, einem Schnappgefühl im anteromedialen Bereich und zu diffusen Schmerzen im Kniegelenksbereich, insbesondere bei Belastung, führen (Rixen und Höher 2020). Die Diagnose sollte klinisch gestellt werden. Nur bei unklaren Fällen sollte auf eine MR-Bildgebung zurückgegriffen werden. Eine Plica stellt sich als hypointense, von der Kapsel ausgehende Struktur dar.

Therapie

Das Plica-Syndrom wird in erster Linie konservativ behandelt. Sollten die Symptome persistierend oder die Plica stark ausgeprägt sein, kann eine operative Behandlung angeraten werden. Dies trifft insbesondere auf jugendliche Patientinnen und Patienten zu, da hier die Vermeidung einer Knorpelschädigung im Vordergrund stehen sollte. Hierbei stellt die arthroskopische Resektion die Methode der Wahl dar.

Bursitiden

Im Bereich des Kniegelenks sind mehrere Bursae (Schleimbeutel) lokalisiert, welche einen Großteil zur Beweglichkeit des Kniegelenks durch Reibungs- und Druckverteilung beitragen. Die drei größten Schleimbeutel und hiermit die drei wichtigsten Gleitlager am Kniegelenk sind die Bursa suprapatellaris, die Bursa praepatellaris und die Bursa infrapatellaris. Zudem befinden sich noch weitere kleinere Schleimbeutel im Bereich des Kniegelenks (Bursa anserina, Bursa musculi poplitei, Bursa subtendinea musculi semimembranosi, Bursa subtendinea musculi gastrocnemii medialis und lateralis und Bursa subtendinea musculi bicipitis femoris inferior). Diese sind weniger häufig von einer Bursitis betroffen. Die Bursa praepatellaris ist am häufigsten von einer Bursitis betroffen.

Pathogenese

Die Entstehung einer Bursitis kann durch mehrere Ursachen begünstigt werden. Sportbedingte Bursitiden werden hauptsächlich durch Dauerbelastungen und rezidivierende Reizungen verursacht. Rheumatologische Grunderkrankungen und Gicht sind seltenere Ursachen für Bursitiden. Akute Bursitiden treten im Rahmen von Verletzungen, Prellungen oder infektiösen Erkrankungen auf. Zudem gibt es berufsbedingte Bursitiden, die insbesondere bei gefährdeten Berufsgruppen (z. B. Fliesenlegern) auftreten. Ab einer Dauer von mehreren Monaten mit rezidivierender Symptomatik spricht man von einer chronischen Bursitis.

Diagnostik

Ähnlich wie bei anderen überlastungsbedingten sportassoziierten Erkrankungen lässt sich die Diagnose einer Bursitis hauptsächlich durch die Anamnese und die körperliche Untersuchung stellen. Betroffene beschreiben ein reibendes, störendes Gefühl im Bereich des pathologisch veränderten Schleimbeutels. In der körperlichen Untersuchung zeigt sich eine lokale Druckschmerzhaftigkeit, Schwellung, Rötung und Überwärmung des betroffenen Schleimbeutels. Um infektiöse und autoimmune Ursachen auszuschließen, sollten laborchemische Untersuchungen von Blutproben und einem Punktat durchgeführt werden. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die Wahl der Therapie entscheidend.

Prävention

Die Prävention bei gefährdeten Patientengruppen bzw. Berufsgruppen spielt eine wesentliche Rolle bei der Vermeidung der Entstehung von Bursitiden. Zur Prävention werden Protektoren eingesetzt.

Therapie

In der Regel lassen sich akute Bursitiden mittels konservativen Therapiemöglichkeiten durch entzündungshemmende NSARs, Kühlung und Ruhigstellung behandeln. Bakteriell bedingte Bursitiden sollten zusätzlich mittels einer gezielten Antibiotikatherapie behandelt werden. Operative Resektionen sind bei Versagen der konservativen Therapie und bei chronischen Bursitiden das Mittel der Wahl. Die operative Entfernung der betroffenen Bursa sollte als vollständige Bursektomie unter gründlichem Débridement erfolgen.

Apophysen-Überlastungen

Die Anzahl der Jugendlichen und Kinder, die Leistungs- und Hochleistungssport betreiben, wächst stetig. Leistungsintensives Training kann insbesondere an Sehnen- und Muskelansätzen durch verstärkte Traktionskräfte zu Überlastungen führen. Die Apophysen sind das Zentrum für die Verknöcherung von Sehnen- und Muskelansätzen und deshalb im Jugendalter besonders anfällig gegenüber Traktionsbelastungen. Zwischen dem 12. und 16. Lebensjahr lassen sich die meisten Apophysenverletzungen verzeichnen, wobei Jungen 9-mal häufiger als Mädchen betroffen sind (Maffulli 1992; Neubauer und Nehrer 2021). Im Kniegelenksbereich werden Apophysenverletzungen als Morbus Osgood-Schlatter oder Morbus Sinding-Larson-Johansson symptomatisch.

Pathogenese

Sportliche Aktivitäten, bei denen das Kniegelenk forciert repetitive Extensionsbewegungen ausführt, können zu Apophysenverletzungen führen. Diese Bewegungen treten insbesondere im Fußball und Basketball auf. Durch die Zugkräfte kommt es zu Ossifikationsstörungen mit partieller Abhebung, Frakturierung oder Kondensierung im Bereich der Apophysen (Neubauer und Nehrer 2021).
Historisch wurde der Morbus Osgood-Schlatter den aseptischen Knochennekrosen zugeordnet. Pathomorphologisch zählt dieser allerdings zu den Apophysenverletzungen an der Tuberositas Tibiae.
Der Morbus Sinding-Larson-Johansson kann neben der Zuordnung zu den Apophysenverletzungen zu den Tendinopathien gezählt werden. Es finden sich intratendinöse Veränderungen an der proximalen Patellasehne, welche zu Kalkeinlagerungen im Bereich des distalen Patellapols führen und hier das klassische Bild eines Jumper’s Knee bei Jugendlichen verursachen.

Diagnostik

Morbus Osgood-Schlatter: Typischerweise beschreiben die Betroffenen einen Schmerz über der Tuberositas Tibiae. Eine Diagnostik mittels Röntgen-Bildgebung des Kniegelenks seitlich ist zielführend und zeigt Fragmentationen im Bereich des Knochenkerns. Sonografisch lässt sich meist eine begleitende Bursitis infrapatellaris darstellen.
Morbus Sinding-Larson-Johansson: Anamnestisch beschreiben die Patienten und Patientinnen einen lokalisierten Druckschmerz am distalen Patellapol. Röntgenologisch lässt sich erst in den fortgeschrittenen Stadien eine Verkalkung am distalen Patellapol feststellen. Sonografisch und MR-tomografisch lassen sich Signalalterationen auch in frühen Stadien der Erkrankung feststellen.

Therapie

Ein sehr entscheidender Faktor in der Therapie der Apophysenverletzungen ist die temporäre Beendigung der risikobehafteten Sportart. Insbesondere die Vermeidung von forcierten endgradigen Streckbewegungen im Kniegelenk, wie z. B. beim Lauf und Sprungsport, scheint die Symptomatik der Patientinnen und Patienten deutlich zu verbessern. Eine angepasste sportliche Aktivität ist anzuraten, sowie bei akuter Schmerzsymptomatik Kühlung und eine körperliche Schonung (Halilbasic et al. 2012; Neubauer und Nehrer 2021). Langfristige Sportpausen sind nur selten erforderlich. Unter physiotherapeutischer Beübung sollte die Muskelbalance der Oberschenkelmuskulatur adressiert werden. Folge- und Dauerschäden sind sehr selten (Nührenbörger und Gaulrapp 2018). Nur bei Beschwerdepersistenz sollte eine operative Therapie erwogen werden (Pihlajamäki und Visuri 2010).

Tuberositas Tibiae-Überlastungen

Wenngleich Avulsionsfrakturen der Tuberositas Tibiae selten sind, nimmt die Häufigkeit dennoch zu, da Heranwachsende vermehrt Sport treiben und die Intensität der Sportarten zunimmt. Es gibt mehrere Klassifizierungssysteme für Avulsionsfrakturen der Tuberositas Tibiae, wobei die Ogden-Klassifizierung die gängigste Einteilung zur Bestimmung der Behandlung darstellt. Die Behandlung kann nicht-operativ oder operativ erfolgen, wobei die meisten Fälle chirurgisch behandelt werden. Bei angemessener und rechtzeitiger Behandlung haben Avulsionsfrakturen der Tuberositas Tibiae eine hohe Heilungsrate und die Rückkehr zum Sport ist im Allgemeinen erfolgreich.

Pathogenese

Avulsionsfrakturen der Tuberositas Tibiae sind seltene Frakturen beim heranwachsenden Skelett. Die Inzidenz dieser Frakturen liegt bei 3/100.000 Jugendlichen pro Jahr (Hargrove et al. 2004). Der Verknöcherungsprozess an der Tuberositas Tibiae verläuft von proximal nach distal. Das Verknöcherungszentrum ist mit der Metaphyse hauptsächlich durch Faserknorpel verbunden, der im Laufe der Skelettreifung allmählich durch Säulenknorpel ersetzt wird (Draghi et al. 2008). Bei exzessiven Traktionsbelastungen, z. B. durch eine übermäßige Kontraktion des Quadrizeps, kann es zu Avulsionen der Tuberositas Tibiae kommen. Basketball, Hochsprung, Fußball und Sprinten sind die Sportarten, die am häufigsten mit Avulsionsfrakturen der Tuberositas Tibiae in Verbindung gebracht werden (Halilbasic et al. 2012).
Eine Prädisposition für Avulsionsfrakturen durch den Morbus Osgood-Schlatter konnte bislang nicht abschließend geklärt werden. In einer Studie konnte bei 25 % der Patienten mit Avulsionsfrakturen ein vorbestehender Morbus Osgood-Schlatter festgestellt werden (Pretell-Mazzini et al. 2016).

Diagnostik

Typischerweise treten bei Avulsionsfrakturen akute Schmerzen und eine Bewegungs- bzw. Belastungsunfähigkeit des Kniegelenks auf. Bei der Untersuchung werden meist eine Schwellung, ein Erguss und eine Ekchymose an der Verletzungsstelle festgestellt. Frontale und seitliche Röntgenaufnahmen des Kniegelenks liefern wichtige Informationen über die Art der Fraktur, das Ausmaß und die Ausprägung der Verschiebung sowie Anzeichen für begleitende Sehnenverletzungen. CT-Aufnahmen können nützlich sein, um das Ausmaß der Fraktur und die intraartikuläre Beteiligung zu beurteilen (Franz et al. 2020).
Es gibt unterschiedliche Klassifikationssysteme für die Avulsionsfrakturen der Tuberositas Tibiae. Watson-Jones schlug 1955 das erste System vor, das fünf Frakturtypen definiert: Typ-I-Frakturen sind Avulsionen der distalen Tuberositas Tibiae; Typ-II-Frakturen erstrecken sich über die gesamte Tuberositas Tibiae (ohne Gelenkbeteiligung); Typ-III-Frakturen sind Avulsionen, die proximal der Tuberositas Tibiae in das Kniegelenk auslaufen; Typ-IV-Frakturen erstrecken sich durch die gesamte proximale Tibia und Typ V-Frakturen sind periostale Abrisse im sekundären Ossifikationszentrum (Watson-Jones 1974). Das Klassifizierungssystem nach Ogden fügt neben der Kategorisierung von Watson-Jones zusätzlich den Subtyp A für nicht verschobene Frakturen und B für verschobene Frakturen hinzu (Ogden et al. 1980).

Therapie

Indikationen für eine nicht-operative Therapie sind Dislokationen unter 2 mm bei intaktem Streckapparat des Kniegelenks. Die konservative Behandlung umfasst die Ruhigstellung des Kniegelenks in Streckstellung für 6 Wochen, entweder mit einer Schiene oder einem Gips.
Jedoch ist in annähernd 88 % der Fälle eine chirurgische Behandlung angezeigt (Pretell-Mazzini et al. 2016). Zu den chirurgischen Verfahren gehören interne Osteosyntheseverfahren. Unabhängig der Osteosyntheseverfahren (Kirschner-Drähte, Spongiosaschrauben etc.) muss das eingebrachte Material parallel zur Gelenkfläche platziert werden. Die Wachstumsfuge sollte gemieden werden. Arthroskopisch können begleitende intraartikuläre Verletzungen adressiert und eine anatomische Reposition der Gelenkfläche gewährleistet werden.

Knochenmarksödem

Das Knochenmarködem wird im klinischen Alltag häufig auch als „bone bruise“ bezeichnet. Es entsteht meist begleitend bei Verletzungen des Bewegungsapparats oder bei Überlastungen bzw. Fehlbelastungen im Training. Eine Einteilung kann in subchondrale oder nicht-subchondrale Knochenmarksödeme vorgenommen werden. Subchondrale Knochenmarksödeme im Bereich des Kniegelenks können wiederum in traumatisch und nicht-traumatisch bzw. in reversibel und irreversibel unterteilt werden.
Im Hochleistungs- und Profisport kann es zu nicht-traumatischen Knochenmarksödemen durch eine ausbleibende Adaptation oder durch Überlastungen kommen. Extrinsische Risikofaktoren wie Veränderungen von Trainingsumfang bzw. -intensität können den Knochenstoffwechsel maßgeblich beeinflussen. Bei höhergradigen Traumata können traumatische Knochenmarksödeme entstehen, welche im Zusammenhang mit Mikrofrakturen, einer Reduktion der Fettkomponente des Knochenmarks und trabekulären Blutungen stehen.
Üblicherweise heilen die meisten Knochenmarksödeme ohne ernsthafte Langzeitschäden folgenlos aus. Die Leistungs- und Belastungsfähigkeit lässt sich in der Regel wieder vollständig herstellen. Nichtsdestotrotz kann eine verzögerte Diagnose sowie die Vernachlässigung sekundärer Risikofaktoren zu einer verlängerten Regenerationszeit und zu rezidivierenden Verletzungen führen. Eine frühzeitige Diagnose und die Einleitung einer stadiengerechten Therapie sind von entscheidender Bedeutung für die Prognose.

Pathogenese

Knochengewebe besitzt einen dynamischen und adaptiven Stoffwechsel, der die Belastungskapazitäten des Knochens durch stetige osteoblastische und osteoklastische Umbauprozesse fördert. Kommt es durch eine erhöhte Lasteinwirkung, beispielsweise durch Trainingsumfangssteigerung und wechselnden Trainingsgewohnheiten, zu einem Überschreiten der Kapazitätsgrenze, verändert sich der Knochenstoffwechsel. Folglich treten Knochenmarksreaktionen auf. Knochenmarksveränderungen können histopathologisch einem echten Ödem, aber auch einer trabekulären Nekrose, Zysten, Fibrose und Knorpelfragmenten entsprechen.
Insbesondere im Hochleistungssport gibt es einige intrinsische Risikofaktoren, die die Entwicklung von Knochenmarksreaktionen begünstigen. Das Female Athlete Triad (FAT) und das relative Energiedefizit Syndrom im Sport (RED-S) scheinen die wichtigsten intrinsischen Faktoren zusammenzufassen (Mountjoy et al. 2014).

Diagnostik

Klinisch geben die Patienten und Patientinnen häufig einen gut lokalisierbaren knöchernen Druckschmerz an. Sowohl fortschreitende Belastungsschmerzen als auch stärker werdende Ruheschmerzen werden von den Betroffenen beschrieben. Bei einem Verdacht auf überlastungsbedingte Stressreaktionen ergibt sich die Indikation für eine weiterführende bildgebende Diagnostik. Zur Sicherung der Diagnose sollte eine Magnetresonanztomografie erfolgen. Diese Methode ist die sensitivste, um Knochenmarksveränderungen zu detektieren. Knochenmarksreaktionen stellen sich meist mit einer Signalsteigerung in flüssigkeitssensitiven Sequenzen wie protonengewichtete oder T2-gewichtete Sequenzen – mit Fettunterdrückung und T1-gewichtete Sequenzen – dar. Die MRT-Klassifikation nach Fredericson beschreibt die Knochenmarksveränderungen anhand ihrer Schweregrade von Grad I–IV (Fredericson et al. 1995).

Therapie

Betroffene können je nach Symptomatik und Krankheitsstadium nicht-operativ oder operativ behandelt werden. Die Entscheidung hängt maßgeblich von der Ätiologie sowie vom Grad des Knochenmarködems ab.
Als konservative Therapieoptionen stehen die körperliche Schonung, die relative Entlastung der betroffenen Extremität und das Schmerzmanagement, z. B. durch nicht-steroidale antiinflammatorische Medikamente (NSAIDs), im Vordergrund. Außerdem ist die Adressierung von Risikofaktoren und damit die Auslöschung potenziell auslösender Faktoren ein wesentlicher Bestandteil der Therapie. Pharmakologisch können Vitamin-D-Substrate, Prostazycline und Bisphosphonate ergänzend eingesetzt werden. Das Prostazyklin-Analogon Iloprost bewirkt eine Vasodilatation und steigert die Durchblutung des terminalen Gefäßbetts. Bisphosphonate hemmen die Osteoklastenaktivität und damit die Knochenresorption, sollten allerdings aufgrund des Nebenwirkungsprofiles individuell streng überprüft werden. Als adjuvante Verfahren können physikalische Verfahren wie die extrakorporale Stoßwellentherapie, therapeutischer Ultraschall oder die Magnetfeldtherapie eingesetzt werden.
Bei höhergradigen Knochenmarksödemen mit Vorliegen von schwerwiegenden Begleitverletzungen (z. B. traumatische VKB-Rupturen oder Stressfrakturen) kann eine operative Therapie erwogen werden. Zur Entlastung des Knochenmarksödems kann eine retrograde Anbohrung durchgeführt werden.
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