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Interleukin-6

Verfasst von: A. M. Gressner und O. A. Gressner
Interleukin-6
Synonym(e)
B-Zellen-Differenzierungsfaktor (BCDF); Hybridomawachstumsfaktor; IL-6
Englischer Begriff
interleukin-6; hepatocyte-stimulating factor (HSF-1)
Definition
In vielen Zelltypen, z. B. Monozyten/Makrophagen, synthetisiertes, aus einer Polypeptidkette bestehendes Zytokin mit pleiotroper Wirkung, besonders bei der Initiation der Akute-Phase-Reaktion und zunehmender klinischer Bedeutung in der Frühdiagnostik akuter Entzündungen und der neonatalen Sepsis.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
IL-6 ist ein mit zwei N-Glykosylierungsstellen ausgestattetes Polypeptid (184 Aminosäuren) der Molmasse 21–28 kDa, das als klassisches sekretorisches Protein in einer Proform (212 Aminosäuren) mit N-terminalem Signalpeptid synthetisiert wird (s. Tabelle). Das Gen liegt auf Chromosom 7p21-p14. Syntheseorte sind zahlreiche Zelltypen von Monozyten/Makrophagen über Fibroblasten, T-, B-Lymphozyten, Endothelzellen, Chondrozyten, Lymphozyten, Granulozyten, Keratinozyten, Mastzellen u. a. Nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht der Merkmale von Interleukin-6:
Syntheseorte
(Stimulierte) Monozyten, Fibroblasten, Endothelzellen, Makrophagen, T-, B-Lymphozyten, Mastzellen, Keratinozyten, Astrozyten, Tumorzellen
Stimuli: Monozyten: IL-1, Endotoxine, TNF-α, PDGF
Inhibitoren: Glukokortikoide
Struktur
Polypeptid (184 Aminosäuren) Mr 21–28 kDa, 2× N-Glykosylierungen,
Phosphorylierungen, pI 5,0, Gen auf Chromosom 7p21-p14
Rezeptor
80-kDa-Glykoprotein (gp 80) Typ I
Membranproteinrezeptor, Assoziation mit 2 × 130 kDa
Transmembranglykoprotein (gp 130) unter Bildung eines ternären Komplexes, Signaltransduktion über Jak/STAT-Weg
Lösliche IL-6-Rezeptoren im Blut vorhanden („shedding“)
Funktionen
Pleiotropes Wirkungsspektrum
Induktion der Akute-Phase-Reaktion
Differenzierung von B-Zellen
Aktivierung von T-Zellen
Wachstumsfaktor für Myelomzellen
Thrombopoesestimulation
Stimulation der Leberregeneration
Spezifische Rezeptoren, die der Klasse der Typ-1-Membran-Proteine (extrazellulärer N-Terminus, 1 Transmembrandomäne) angehören und aus 2 gp-130- und einer gp-80- (IL-6R, CD126) Untereinheit bestehen, vermitteln nach Ligandenbindung das Signal in Richtung Zellkern durch den gp-130/Jak-STAT-Signalweg. Lösliche Rezeptoren sind im Blut nachweisbar. Sehr ähnliche Zytokine und Rezeptorstrukturen sowie Signaltransduktionswege definieren IL-6 als Prototyp einer „IL-6-Typ-Zytokinfamilie“, die IL-11, „leukaemia inhibitory factory“ (LIF), „ciliary neurotrophic factor“ (CNTF), „cardiotrophin“ (CT) und Oncostatin M einschließt. Alle Mitglieder stimulieren die Akute-Phase-Reaktion.
Die zahlreichen Funktionen betreffen u. a. Differenzierung und Aktivierung von B- und T-Zellen, Wachstumsstimulation von Myelomzellen, Regenerationsprozesse und Initiation der Akute-Phase-Reaktion (s. Tabelle). Die folgende Tabelle zeigt Erkrankungen mit Interleukin-6-Erhöhung:
Alle Akute-Phase-Reaktionen (APR)
Meningokokkensepsis
Neonatale Sepsis
Kardiales Myxom
Graft-vs.-Host-Reaktion (Niere)
Hypernephrom
Fulminantes multiples Myelom (Plasmozytom)
Plasmazellenleukämie
Graft-vs.-host-Reaktion
Liquor
Herpes-Enzephalitis
Meningitis (viral, bakteriell, Tuberkulose)
Synovialflüssigkeit
Entzündliche Arthritis (rheumatoide Arthritis)
Intrauterine Infektionen
Funktion – Pathophysiologie
Stimulation der Monozyten im Rahmen von septischen und aseptischen Gewebeschädigungen über Interleukin-1, bakterielle Endotoxine, Tumornekrosefaktor-α (TNF-α), Oncostatin M und „platelet-derived growth factor“ (PDGF) führen zur Freisetzung und Konzentrationserhöhung im Blut von IL-6, das für zahlreiche systemische Effekte, wie Initiation der Akute-Phase-Reaktion verantwortlich ist. Es gilt daher in vielen Körperflüssigkeiten als frühe Kenngröße entzündlicher Prozesse. Eine Fraktion von IL-6 ist im Blut an α2-Makroglobulin gebunden.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Serum, EDTA-, Heparin-Plasma, Urin, Liquor, Synovialflüssigkeit, Amnionflüssigkeit, Nabelschnurblut.
Probenstabilität
Analytstabilität: bei 4 °C maximal 24 Stunden, bei −20 °C 6 Monate.
Präanalytik
Lipämie- und Hämolyse-freies Serum.
Analytik
  • Immunologische Methoden zur Bestimmung der Massenkonzentration: Enzymimmunoassay oder Radioimmunoassay
  • Funktionelle Methoden (Bioassays): Maus-Hybridoma-(B-9-)Zell-Proliferationsassay für Routinezwecke nicht geeignet
Zu beachten ist, dass durch Vorhandensein löslicher Rezeptoren in der Zirkulation ein Teil der zirkulierenden IL-6-Menge an diese löslichen Rezeptoren gebunden ist und somit zu Differenzen in den Ergebnissen funktioneller und immunologischer Analysen führen kann.
Referenzbereich – Erwachsene
Sehr stark methoden- und standardisierungsabhängig, Richtwert: <11,3 ng/L.
Indikation
Interpretation
Der Konzentrationsanstieg von IL-6 bei beginnender Akute-Phase-Reaktion geht zeitlich dem des C-reaktiven Proteins (C-reaktives Protein) voraus, verschwindet jedoch aufgrund der sehr kurzen Halbwertszeit von IL-6 (<20 Minuten) auch wesentlich schneller. Bei einem bereits deutlich erhöhten CRP ist eine zusätzliche IL-6-Bestimmung nicht angezeigt. Klinisch große Bedeutung hat IL-6 in der Diagnostik der (noch) CRP-negativen neonatalen Sepsis bzw. neonatalen bakteriellen Infektionen.
Diagnostische Wertigkeit
Im Vergleich zu CRP ist IL-6 ein noch früherer, allerdings kurzfristigerer Parameter der hyperinflammatorischen Phase der Sepsis, insbesondere bei Neonaten. In anderen Körperflüssigkeiten wie Liquor, Synovialflüssigkeit, Amnionflüssigkeit und Nabelschnurblut weist die IL-6-Erhöhung auf (bakterielle) Infektionen bzw. intrauterine Infektionen hin.
Literatur
Buck C, Bundschu J, Gallati H et al (1994) Interleukin-6: a sensitive parameter for the early diagnosis of neonatal bacterial infection. Pediatrics 93:54–58PubMed
Pop VV, Seicean A, Lupan I et al (2017) IL-6 roles-molecular pathways and clinical implication in pancreatic cancer- a systemic review. Immunol Lett 181:45–50CrossRefPubMed