Die verschiedenen natürlichen Methoden zur Beobachtung des Zyklus
Sie sind dadurch charakterisiert, dass eine Frau durch Beobachtung ihres Körpers eine fruchtbare („fertile window“) und unfruchtbare Zeit im Zyklus findet (Arbeitsgruppe NFP
2015). Die Symptome der Selbstbeobachtung (Übersicht) sind durch die genitalen und extragenitalen Wirkungen der ovariellen Steroide bedingt. Da hormonelle Schwankungen (Abschn.
2) bestehen, ändern sich die Symptome und können bestimmten Zykluszeitpunkten zugeordnet werden. Die Grundvoraussetzung für die Anwendung dieser Methoden ist, dass die Ovulation nur zu einem bestimmten Zeitpunkt im Zyklus erfolgt und dass die Frau zyklusabhängige Zeichen an sich beobachten bzw. messen kann (Frank-Herrmann et al.
2011).
Die Methoden werden seit einigen Jahren international und von der WHO als „fertility awareness based methods
“ (FAM) zusammengefasst. Mögliche Indikationen für ihren Einsatz sind
Allen natürlichen Familienplanungsmethoden ist gemeinsam, dass bei Verhütungsabsicht in der fruchtbaren Zeit kein ungeschützter Verkehr stattfinden darf. Umgekehrt haben Studien gezeigt, dass sich die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft durch Verkehr am selbstbeobachteten Konzeptionsoptimum signifikant steigern lässt.
Wesentlich ist ein Verkehr an Tagen mit hochfruchtbarem Zervixschleim zur Maximierung des Konzeptionspotenzials
(Fehring
2002). Der eigentliche Abstand zum Eisprung selbst ist dann von untergeordneter Bedeutung (Bigelow et al.
2004).
Ein weiterer wichtiger Vorteil der natürlichen Familienplanungsmethoden liegt darin, dass frühzeitig Zyklusstörungen auffallen (Regeltempostörung, fehlender Temperaturanstieg, Blutungsstörungen, u. a.). Hormonelle Kontrazeptiva würden diese maskieren. Durch die Anwendung dieser Familienplanungsmethoden ist eine rechtzeitige diagnostische Abklärung möglich, die – bei Kinderwunsch – wichtige Zeit sparen kann. Tab.
1 gibt eine Übersicht der verschiedenen natürlichen Familienplanungsmethoden.
Tab. 1
Natürliche Familienplanungsmethoden im Überblick. Die wichtigsten sind Sensiplan für entwickelte und die 2-Tage-Methode (TDM) für Entwicklungsländer
Kalendermethoden | Alte Rhythmusmethoden wie „Knaus-Ogino“ | Zyklustage | Berechnung fruchtbarer und unfruchtbarer Tage aus der Länge vorangegangener Zyklen |
Neuentwicklung: Standard-Days-Methode (SDM) | Kein Verkehr von Tag 8 bis Tag 19 |
Temperaturmethoden | z. B. Coverline-Methoden Döring-Methode | Basaltemperatur (BT) und Kalkulation | Berechnung fruchtbarer und unfruchtbarer Tage aus der Veränderung der Basaltemperatur |
Zervixschleimmethoden | Ovulationsmethode (OM) „modified mucus method“ (MMM) Creighton-Modell (NaProTechnology) | Zervixschleim: • Menge und Qualität • Vorhandensein bzw. Fehlen | Erkennen fruchtbaren Zervixschleims, Umschlagen der Qualität |
Neuentwicklung: 2-Tage-Methode* (TDM) | Fehlender Zervixschleim: unfruchtbar; Vorhandensein von Zervixschleim: fruchtbar |
Symptothermale Methoden (STM) | Rötzer-Methode Double-check-Methoden Sensiplan (Arbeitsgruppe NFP)* | Zervixschleim und Basaltemperatur, Kalkulation | Beginn der fruchtbaren Tage durch Erkennen von Zervikalschleim oder Berechnung frühester, potenziell fruchtbarer Tage aus der BT vorangegangener Zyklen Nachweis der Ovulation durch Anstieg der Basaltemperatur Bestätigung der Ovulation durch Umschlagen der Zervixschleimqualität |
Die wichtigsten NFP-Methoden werden im Folgenden kurz dargestellt (s. auch Freundl et al.
2010b).
Kalendermethoden
Dieser Methode liegen Berechnungen zugrunde, die sich auf die letzten 6–12 vorangegangenen Zyklen beziehen. Ogino (
1932) nahm zur Berechnung der von ihm angegebenen Zeitspanne eine maximale Lebenszeit der Spermien von 3 Tagen an. Knaus (
1933) legte als fruchtbare Phase die Zeitspanne von 3 Tagen vor der Ovulation
bis 1 Tag nach der Ovulation fest („originäre Kalendermethode“).
Um die Schwankungen der Zyklen zu berücksichtigen, empfahl schließlich Marshall
(
1963) zur Berechnung der fruchtbaren Zeit die Formel:
Diese Rechenmethode ist die am meisten benützte Methode aller periodischen Abstinenzmethoden. Bedingt jedoch durch die großen Schwankungsbreiten der Zyklen und unterschiedlichste Einflüsse auf die Zyklusdauer ergibt sich letztendlich eine relativ hohe Fehlerrate.
Die Effektivität der Kalendermethoden schwankt hinsichtlich der Gebrauchssicherheit zwischen 5,9 und 47 Pearl-Index
(vereinfacht:
ungewollte Schwangerschaften in %/Jahr)
. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass Kalendermethode und
Coitus interruptus häufig zusammen benützt werden.
„Standard days method“ (SDM)
Die „standard days method“, eine vereinfachte Kalendermethode, wurde jüngst vom Institute of Reproductive Health an der Georgetown University insbesondere zum Gebrauch in Entwicklungsländern entwickelt. Die Intention war, eine simple Methode zu schaffen, die ohne großen Aufwand durch Health Care Providers verbreitet werden kann. Sie wird Frauen mit einer Zykluslänge zwischen 26 und 32 Tagen empfohlen.
Das Prinzip der „standard days method“ ist einfach: Es werden 12 fruchtbare Tage festgelegt, und zwar immer vom 8. bis zum 19. Zyklustag. Die Frauen erhalten eine dem Zyklus nachempfundene Kette mit verschieden farbigen Gliedern für die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage (CycleBeads).
Eine Studie in 3 Entwicklungsländern ergab eine für den kulturellen Kontext relativ akzeptable Methodensicherheit von 4,8 und eine Gesamtsicherheit von 12 Pearl-Index (Arevalo et al.
2002). Die Tatsache aber, dass primär nur Frauen mit anamnestisch regelmäßigen Zyklen zugelassen waren und dennoch nachträglich 28 % wegen zu langer/zu kurzer Zyklen ausgeschlossen wurden, lässt vermuten, dass diese Vorgangsweise im Alltag deutlich unsicherer sein dürfte.
Temperaturmethoden
Erstmals 1868 berichtete Squire über einen biphasischen Temperaturverlauf im Zyklus. Nach mehreren Publikationen in den USA erkannte van de Velde (
1905) richtig, dass der Temperatursprung
mit dem Eisprung zusammenhing. Der erste, der die Schwankungen der Basaltemperatur einer Frau in der Praxis benützt hatte, um unfruchtbare Tage zu bestimmen und der damit eine neue Zeitwahlmethode der Empfängnisverhütung geschaffen hat, war der katholische Pfarrer Wilhelm Hillebrandt 1934 auf der Schwäbischen Alb. Im deutschsprachigen Raum hat v. a. Döring (
1954,
1972) die Temperaturmethode weiteren Kreisen bekannt gemacht.
Die Temperaturmethode basiert auf dem Anstieg der Körpertemperatur nach dem Eisprung um etwa 0,2–0,4 °C oder 0,4–0,8 °F. Bedingt wird dieser Anstieg durch einen Anstieg des
Progesteronspiegels im
Serum, der normalerweise 1–3 Tage nach dem Eisprung auftritt. Diskutiert wird auch eine peripher gefäßkonstringierende Wirkung des Progesterons mit Anstieg der Kerntemperatur.
Die Erhöhung der Körpertemperatur bleibt bis zur nächsten Periode erhalten. Bei der strengen Form der Temperaturmethode werden nur die Tage nach der Ovulation, nachdem die Temperatur angestiegen ist, als sicher unfruchtbare Tage gewertet. An diesen ist ungeschützter Verkehr erlaubt. Bei der großzügigeren Form der Temperaturmethode, deren Sicherheit geringer ist, existieren auch präovulatorisch unfruchtbare Zeiten, die mittels einer Rechnung und Betrachtung der letzten 6 bzw. 12 Zyklen ermittelt werden. Für den Beginn der postovulatorisch unfruchtbaren Zeit gilt die Regel, dass sie am Abend des 3. Tages mit erhöhter Körpertemperatur (mindestens 0,2 °C) beginnt. Präovulatorisch werden von dem frühesten Tag des Temperaturanstiegs in den letzten 6–12 Monaten 8 Tage abgezogen. Der so bestimmte Tag (8. Tag) ist der letzte unfruchtbare Tag vor der Ovulation.
Der Methodenfehler (≙ „perfect use“ nach WHO) dieser Methode liegt zwischen 0,1 und 1,2 Pearl-Index, der Gebrauchsfehler (≙ „typical use“ nach WHO) zwischen 0,3 und 6,6 Pearl-Index.
Schleimmethoden
Über Veränderungen der Qualität des Zervikalschleims (CM) im Verlauf eines Zyklus wurde erstmals in Frankreich durch Donne (1837) und Pouchet (1847), in den USA durch Tyler Smith (1855) berichtet. Shettles empfahl erstmals 1949 die CM-Beobachtung zur Familienplanung (Shettles
1949). Weltweit propagiert wurde diese Methode von dem Neurologen J.J. Billings und seiner Ehefrau A. Billings (Billings und Billings
1973).
Die Schleimmethode basiert auf dem Erkennen und Interpretieren typischer Veränderungen des Zervikalschleims, die eine Frau am Scheidenausgang als Feuchtigkeit oder Schleim oder feuchtes Gefühl feststellen kann. Die Ovulationsmethode fordert sexuelle Abstinenz nur an den Tagen, an denen eine Frau den Abgang von Schleim oder die entsprechende Sensation am Scheidenausgang selbst beobachtet. Den Beginn des Schleimsymptoms beobachtet man üblicherweise 5–6 Tage vor dem Eisprung. Das Schleimsymptom verschwindet normalerweise etwa 1–2 Tage nach erfolgter Ovulation.
Angaben über die Effektivität dieser Methode sind sehr kontrovers. Es werden Methodenfehler zwischen 1,2 und 3 Pearl-Index angegeben, die Gebrauchsfehlerrate der Methode wird als sehr schlecht angegeben und liegt in verschiedenen prospektiven Studien zwischen 15,5 und 34,9 Pearl-Index. Die Methode ist deswegen unter die unsicheren NFP-Methoden einzuordnen.
2-Tage-Methode („two-day-method“ = TDM)
Die TDM ist eine vereinfachte Schleimmethode, die insbesondere zum Gebrauch in Entwicklungsländern empfohlen wird (Sinai et al.
1999). Dabei stellt sich die Anwenderin zwei Fragen: „Habe ich heute Schleim beobachtet?“ und „Hatte ich gestern Schleim beobachtet?“ Wenn sie beide Fragen mit „nein“ beantworten kann, kann sie ungeschützt Verkehr haben. Vorteil ist, dass die Frau nicht zwischen den verschiedenen Schleimqualitäten unterscheiden muss. Erste prospektive Studien zur Gebrauchssicherheit dieser 2-Tage-Methode haben einen Wert von 14 % ergeben, was das Risiko einer Schwangerschaft auf fast 1/6 reduziert (Arevalo et al.
2004). Ein Vorteil dieser einfachen natürlichen Methode ist, dass sie gut zu lehren und zu verbreiten ist. Einen Nachteil stellt natürlich der fehlende Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten dar und die geringe Sicherheit.
Symptothermale Methoden
Die Kombination von Temperatur- und Schleimbeobachtungen zur Zyklusbeobachtung wurde seit 1949 von dem amerikanischen Gynäkologen Keefe (
1949) gefordert. Der österreichische Arzt Dr. Rötzer entwickelte zu diesem Zweck seit den 1960er-Jahren eine Methode (Rötzer
1968), Thyma propagierte 1970 diese sog. „double-check-method“ in den USA (Thyma
1977).
Wir haben diese STM-Methode modifiziert und hinsichtlich der Bedürfnisse einer modernen Anwendergruppe ausgiebig getestet (s. auch Arbeitsgruppe NFP
2015; Arbeitsgruppe NFP
2009; Raith-Paula et al.
2013).
Sie ist heute unter dem Namen Sensiplan weltweit geschützt und benutzt den sog. „double-check“, d. h. zwei Indikatoren, um den Beginn und das Ende der fruchtbaren Zeit zu bestimmen. Der Beginn der fruchtbaren Zeit wird erfasst durch das Schleimsymptom und eine Kalkulationsregel, die aus den zurückliegenden Zyklen den frühesten denkbaren fruchtbaren Tag ermittelt („Minus-8-Regel“). Sollte der Zervixschleim schon davor beobachtet werden („fühlen oder sehen“), gilt ab diesem Zeitpunkt potenzielle Fruchtbarkeit. Das Ende der fruchtbaren Zeit wird bestimmt durch die Ermittlung des Temperaturanstiegs („Drei-höhere-Temperaturwerte-über-sechs-niedere-Regel“) und den Umschlag des Schleimsymptoms.
Alle Beobachtungen werden am besten in ein standardisiertes Zyklusdatenblatt oder heutzutage in ein Computerprogramm eingegeben. Das Lernen dieser Selbstbeobachtungsmethoden hat sich als erstaunlich einfach und sicher gezeigt. Aus den heute vorliegenden Auswertungen prospektiver Studien können wir von einer Gebrauchssicherheit von 1,8 bis 2,5 % (Pearl-Index) ausgehen (Freundl
1999; Frank-Herrmann et al.
2007).
Die von uns modifizierte und gelehrte symptothermale Methode Sensiplan ist insofern eine „lebende“ Methode, als sie durch Ergebnisse einer durch die Sektion
Natürliche Fertilität (früher Forschungsprojekte NFP an der H.-H.-Universität Düsseldorf) betreuten prospektiven Beobachtungsstudie laufend überwacht und ggf. korrigiert wird, wenn sich Unzulänglichkeiten in der Methode einstellen (Frank-Herrmann et al.
2007).
Frank-Herrmann et al. (
2011) haben das Wesentliche des Zyklusmonitorings mit Sensiplan wie in der Übersicht dargestellt zusammengefasst.
Effektivität und Stellenwert natürlicher Methoden zur Familienplanung
Hinsichtlich der Effektivität der unterschiedlichen „fertility awareness methods“ (FAB) lässt sich unschwer erkennen, dass Beobachtungsmethoden immer effektiver sind als Kalendermethoden und dass die Effektivität der Methoden mit einer Vereinfachung der Regeln immer mehr abnimmt.
Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass Frauen mit einem hohen Anspruch an Effektivität nur mit modernen Double-check-Methoden verantwortungsvoll bedient sind. Nur die letzteren Methoden können mit effektiven anderen Methoden wie Pille oder Spirale konkurrieren.
Etwa 22 % der Paare in Deutschland haben Kinderwunsch, weshalb auf einen Aspekt noch besonders hingewiesen werden muss: Nicht selten wird 20 Jahre verhütet, bevor an die Gründung einer Familie gedacht wird. Dies hat zur Folge, dass mit zunehmendem Alter die Angst vor dem verpassten Kind auftritt. Diese Angst ist im Übrigen nicht unbegründet, denn über 80 % der Deutschen berücksichtigen die nachlassende Fertilität mit zunehmendem Alter bei ihren Planungen oft nur unzureichend. Natürliche Familienplanung spannt also den Bogen zwischen Kontrazeption und Reproduktion.
Bedeutung der natürlichen Familienplanungsmethoden (NFP) bei Kinderwunsch und unerfülltem Kinderwunsch
Korrelationsstudien mit täglicher Follikulometrie und LH-Messung haben gezeigt, dass der selbstbeobachtete Zervixschleim-Peak eine enge Korrelation zur Ovulation
aufweist (Freundl et al.
1984; Gnoth et al.
1996; Guida et al.
1999; Ecochard et al.
2001; Fehring
2002). So konnte man erwarten, dass hier die Chance gegeben ist, dass NFP ein erweitertes Zyklusmonitoring durch die Patientin, auch als „natural cycle monitoring method“ (NCM-Methode) bezeichnet, anbieten kann (Gnoth et al.
2003). Damit ließ sich die Kompetenz der Patientin für die Basisdiagnostik und den fertilitätsoptimierten Sexualverkehr nutzen.
Prospektive Daten zeigen, dass Patientinnen mit Kinderwunsch bzw. unerfülltem Kinderwunsch in der Lage sind, bereits nach einer kurzen Einführung zur Selbstbeobachtung das fertile Fenster nach der symptothermalen Methode auf Anhieb sicher vorherzusagen und nachweisbar ihr Konzeptionspotenzial zu steigern (Frank-Herrmann et al.
2017).
Für die NFP fand sich eine hohe Empfängniswahrscheinlichkeit am Höhepunkt des
Schleimsymptoms und an den 2 Tagen zuvor. Nach Bigelow et al. (
2004) – die Daten entstammen der Europäischen
Datenbank Fertili – spielt die Qualität des Schleimsymptoms innerhalb des fertilen Fensters eine deutlich größere Rolle als die Nähe zur Ovulation: Sexualverkehr einen Tag vor der Ovulation mit weniger guter Zervixschleim
qualität hat demnach eine niedrigere Konzeptionschance als 3 Tage vorher, jedoch mit optimalem Zervixschleim. Daher empfehlen die Autoren Paaren mit Kinderwunsch, sich unabhängig vom genauen Ovulationszeitpunkt einfach an der besten Zervixschleimqualität zu orientieren (Bigelow et al.
2004; Scarpa et al.
2007).
Mit der Zervixschleimbeobachtung kann überdies ein größeres fertiles Fenster identifiziert und damit eine höhere Schwangerschaftswahrscheinlichkeit erreicht werden als mit
Teststreifen zur LH-Bestimmung, die nur die kurze periovulatorische Phase erfassen (Stanford et al.
2002).
Eine prospektive Studie mit 2055 Zyklen von 851 Frauen konnte darüber hinaus belegen, dass ein einzelner, optimal platzierter Verkehr im fertilen Fenster das reproduktive Potenzial dieses Zykluses voll ausschöpft. Demnach sind viele Verkehre unter reproduktiven Gesichtspunkten nur notwendig, wenn dieser optimale Zeitpunkt nicht bekannt ist. Diese Information ist vor allem für subfertile Paare wichtig, von denen wir wissen, dass mit zunehmender Dauer eines unerfüllten Kinderwunsches die sexuelle Aktivität ohnehin abnimmt (Bilian et al.
2010).
Die Effekte durch Konzeptionsoptimierung werden bei hochfertilen Paaren, die sehr schnell eine Schwangerschaft erzielen, weniger messbar sein bzw. nicht zum Tragen kommen. Allerdings sind sie von großer Bedeutung für Paare mit eingeschränkter Fruchtbarkeit (s. oben).
Diagnostik
Die Temperaturhochlage dauert 12–15 Tage, und die Temperaturwerte liegen i. d. R. um mindestens 0,2 °C über der Temperaturtieflage. Der Temperaturanstieg erfolgt idealerweise innerhalb von 1–2 Tagen.
Diskrete Follikelreifungsstörungen
zeigen sich in einer verlängerten Follikelphase. Bei verlängerten Follikelphasen kommt es aufgrund der verzögerten Follikelentwicklung zu einer relativen
Hyperandrogenämie, die sich bei regelmäßiger Wiederholung auch in anderen Symptomen (z. B. der Haut und der Körperbehaarung) entsprechend zeigt. Liegen polyfollikuläre Ovarien vor oder ist die Patientin übergewichtig, zeigt die ständig in gewissem Ausmaß stattfindende Aromatisierung der
Androgene zu Östradiol entsprechende Effekte an der Cervix uteri mit sehr langen Schleimphasen, allerdings ohne dass hochfruchtbarer Zervixschleim auftritt.
Das Ausmaß der Beeinträchtigung durch die gestörte Follikelreifung lässt sich an der
Lutealphase ablesen. Zunächst ist diese diskret verkürzt, die Zykluslänge insgesamt noch normal lang. Die Temperaturhochlage zeigt einen glockenförmigen Verlauf. Bei der Verkürzung auf <11 Tage und dem zusätzlichen Auftreten von prämenstruellen Schmierblutungen ist das Vollbild einer Corpus-luteum-Insuffizienz
erreicht.
Gelegentlich ist der Temperaturanstieg in dieser Situation zusätzlich verlängert, und die Temperaturdifferenz erreicht nicht 0,2 °C. Neben einer primären oder sekundären hyperandrogenämischen Ovarialinsuffizienz kommt hier ursächlich z. B. auch ein FSH-Rezeptor-Polymorphismus in Frage, wobei dort die Zykluslängen oft stark schwanken (Greb et al.
2005).
Mit Abnahme der ovariellen Funktionsreserve kommt es zu einer akzelerierten Follikelreifung, die sich in einer verkürzten Follikelphase, zunächst ohne Zeichen der Corpus-luteum-Beeinträchtigung, zeigt. Später addieren sich die Zeichen der Corpus-luteum-Insuffizienz, die Zyklen verkürzen sich. Kurz vor dem Ausklingen der ovariellen Funktion kommt es dann zu einer Zyklusverlängerung und anschließendem Ausbleiben der Blutung. Auch in sehr langen Zyklen kann der Ovulationszeitraum nach Wochen durch den Umschlag der Zervixschleimqualität erkannt werden, die eine Reaktivierung der hypothalamisch-hypophysären ovariellen Achse anzeigt.
Zur Einbeziehung der NFP in die Diagnostik wurde in der Zeit vom 01.05.2004 bis 31.10.2007 an der Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen der Universität Heidelberg eine Studie zur „Selbstbeobachtung des individuellen fertilen Fensters im Zyklus durch die Kinderwunschpatientin: diagnostische Bedeutung und spontane Schwangerschaftsrate“ durchgeführt (Frank-Herrmann et al.
2017). Damit zeigt sich ein neuer Ansatz im Bereich der Gesundheitsförderung und Basisdiagnostik bei Kinderwunschpatientinnen. Hier ergab sich u. a., dass 80 % der Patientinnen, die NFP anwandten, das 3-tägige Ovulationsfenster (–48 bis + 24 h) auf Anhieb getroffen haben, 9 % lagen vor und 11 % nach diesem Fenster.