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Acetaldehyd

Verfasst von: A. M. Gressner und O. A. Gressner
Acetaldehyd
Synonym(e)
Ethanal; Ethylaldehyd; Essigsäurealdehyd
Englischer Begriff
acetaldehyde
Definition
Hochreaktiver Metabolit des oxidativen Ethanolabbaus, dessen ausgeprägte und längerzeitige Konzentrationserhöhung in Gewebe und Serum bei chronischer Alkoholbelastung zu alkoholbedingten Organschäden führen kann.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Alle bekannten oxidativen Abbauwege des Ethanols erzeugen Acetaldehyd (AAD) (Molmasse 44,04 g) (CH3-CHO), der physiologisch durch NAD+-abhängige mitochondriale Acetaldehyddehydrogenase (ALDH-2) sehr effektiv oxidativ in Acetat überführt wird. Die stationären AAD-Konzentrationen in der Leber sind deshalb sehr gering. Im peripheren Blut nicht alkoholisierter Probanden sind nur sehr geringe bis nicht messbare AAD-Konzentrationen vorhanden. Am AAD-Abbau beteiligen sich außer der Leber in geringem Umfange auch periphere Gewebe, wie Mukosazellen des Magen-Darm-Trakts sowie Blut- und Knochenmarkszellen.
Funktion – Pathophysiologie
Erhöhte AAD-Konzentrationen im peripheren Blut treten bei chronischen Alkoholikern auf. Pathobiochemisch ist AAD angesichts seiner großen chemischen Reaktivität bedeutsam durch Stimulation der Bindegewebssynthese in den hepatischen Sternzellen (Ito-Zellen, Vitamin-A-Speicherzellen) der Leber (Fibrose), Membranschädigung von Zellen und Mitochondrien (Nekrose), Verminderung protektiver Mechanismen (Glutathion-Erniedrigung) und Bildung stabiler (kovalenter) intra- und extrazellulärer Proteinaddukte, z. B. mit Tubulin, Hämoglobin, Albumin, Kollagene. Diese Addukte können als Neoantigene zur Autoantikörperinduktion führen, die pathogenetische Relevanz für alkoholbedingte Lebererkrankungen haben (s. Abb. im Eintrag Ethanol).
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Serum, heparinisiertes Plasma, Enteiweißung mit eiskalter Perchlorsäure im Verhältnis 1:1, Zentrifugation und Neutralisation des Überstandes mit KOH.
Probenstabilität
Acetaldehyd ist flüchtig, deshalb ist die Bestimmung innerhalb von 3 Stunden durchzuführen. In abgeschlossenen Röhrchen bei 4 °C ist der Analyt 2 Tage stabil.
Analytik
Für die quantitative Bestimmung stehen grundsätzlich zwei Verfahren zur Verfügung:
1. Enzymatische Methoden
  • Reduktion von Acetaldehyd durch Alkoholdehydrogenase in Anwesenheit von NADH zu Ethanol. Der NADH-Verbrauch ist der Menge an umgesetztem Acetaldehyd proportional und kann durch Absorptionsabnahme bei 334 oder 366 nm photometrisch gemessen werden.
  • Konversion von Acetaldehyd zu Acetat in Anwesenheit von NAD+ und Aldehyddehydrogenase (aus Leber) gemäß folgender Reaktion:
Gebildetes NADH wird durch Zunahme der Absorption bei 334 oder 366 nm gemessen und ist der Menge des umgesetzten Acetaldehyds proportional. Die Nachweisgrenze beträgt ca. 3,2 μmol/L, die Präzision hat einen VK von ca. 3 %. Neben Acetaldehyd werden auch manche andere Aldehyde (z. B. Benzaldehyd, Glykolaldehyd), jedoch mit wesentlich geringerer Reaktionsgeschwindigkeit, umgesetzt.
2. Head-Space-Gaschromatographie
Sie stellt ein spezifisches Verfahren zur quantitativen AAD-Bestimmung in Blutproben dar (Gaschromatographie).
Referenzbereich – Erwachsene
<2 μmol/L (Serum).
Indikation
Diagnose des Flush-Syndroms bei Verdacht auf Acetaldehyddehydrogenase-2-Defizienz.
Interpretation
Im Blut Gesunder ist die AAD-Konzentration im nüchternen Zustand sehr gering (an der Nachweisgrenze). Auch nach Alkoholzufuhr bleibt die Konzentration sehr niedrig (0–2 μmol/L). Signifikante Konzentrationsanstiege werden beobachtet bei Probanden mit einem Acetaldehyddehydrogenase-2-defizienten Phänotyp (ALDH22), bei dem nach Alkoholzufuhr ein Flush-Syndrom auftritt und bei etwa 50 % der Japaner und Chinesen vorkommt. Diesem Phänotyp liegt eine Punktmutation des ALDH-2-Gens zugrunde, die zu einem Austausch von Glutamat durch Lysin in Position 487 führt. AAD-Konzentrationen von 10–50 μmol/L werden aufgrund dieses katalytisch inaktiven mitochondrialen ALDH-2-Isoenzyms gemessen.
Diagnostische Wertigkeit
Eine Bestimmung von Acetaldehyd im Blut des ALDH-defizienten Personenkreises nach Alkoholbelastung kann die Diagnose sichern, die durch Mutationsanalyse der Aldehyddehydrogenase-2 zu bestätigen ist (Haarwurzelanalyse).
Literatur
Ferguson RA, Goldberg DM (1997) Genetic markers of alcohol abuse. Clin Chim Acta 257:199–250CrossRefPubMed
Gressner AM, Gressner OA (2006) Alkoholabusus – Mittels Ethanol-abhängiger Metabolite erkennen und kontrollieren. Med Welt 57:262–270