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LISS

Verfasst von: K. Kleesiek, C. Götting, J. Diekmann, J. Dreier und M. Schmidt
LISS
Synonym(e)
Lösung mit geringer Ionenstärke
Englischer Begriff
low ionic strength solution
Definition
LISS bezeichnet eine Lösung mit geringerer Ionenstärke als physiologischer NaCl-Lösung. LISS-Reagenzien wurden in der experimentellen Forschung zur Verbesserung des Agglutinationsverhaltens von Erythrozyten entwickelt und enthalten neben NaCl häufig auch Zucker- und Glyzinanteile. Lösungen mit geringer Ionenstärke werden in der immunhämatologischen Diagnostik eingesetzt, um Reaktionen von Antikörpern mit ihren korrespondierenden Antigenen auf Erythrozyten zu verstärken.
Funktion
Die Ionenstärke einer Lösung beeinflusst wesentlich die physikochemische Bedingung, unter der die Bindung eines Antikörpers an das Erythrozytenantigen erfolgt. Sie bestimmt das Maß für die elektrische Ladung auf der Oberfläche von Zellen und Makromolekülen. So besitzen Erythrozyten eine hohe negative Ladung, die eine spontane Agglutination (Aggregation) verhindert. In einer Suspension lagern sich Kationen an die negativ geladenen Erythrozytenoberfäche und bilden so eine diffuse Ionenwolke/Scheröberfläche, die gleichförmig den Erythrozyten umgibt. Die effektive Ladung der Erythrozytenoberfläche kann als Zetapotenzial gemessen werden und ist für die elektrostatische Abstoßung zwischen den einzelnen Erythrozyten verantwortlich.
Im LISS-Milieu einer Erythrozytensuspension verringert sich die Kationenwolke, die den Erythrozyten umgibt, und erleichtert somit in der ersten Phase einer Agglutination die Wechselwirkung zwischen elektropositivem Antikörper und den negativ geladenen Erythrozyten. Zudem reduziert die Adsorption des Antikörpers an den Erythrozyten weiter die negative Ladung des Erythrozyten/das Zetapotenzial und beschleunigt die zweite Phase der Agglutination. Experimentelle Untersuchungen haben gezeigt, dass durch eine Reduzierung der Ionenstärke (LISS-Effekt) die erste Phase der Agglutination, die Anlagerung des Antikörpers an das entsprechende Antigen (z. B. Anti-D mit RhD-positiven Erythrozyten), um das 1000-Fache im Vergleich zu physiologischer Kochsalzlösung erhöht werden kann.
Die zweite Phase einer Agglutination entscheidet, ob die Erythrozyten nach Adsorption des Antikörpers direkt agglutinieren (häufig bei Antikörpern der Immunglobulinklasse IgM) oder erst nach Zusatz von Antiglobulinserum (Coombs-Test).
Literatur
Bundesärztekammer (2005) Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie), Aufgestellt gemäß Transfusionsgesetz von der Bundesärztekammer im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut, Zweite Richtlinienanpassung 2010, Deutscher Ärzteverlag, Köln
Eckstein R, Zimmerman R (2015) Immunhämatologie und klinische Transfusionsmedizin, 7. Aufl. Urban & Fischer/Elsevier Verlag, München
Kiefel V (Hrsg) (2010) Transfusionsmedizin: Grundlagen – Therapie – Methodik, 4. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
Klein HG, Anstee DJ (2014) Blood transfusion in clinical medicine, 12. Aufl., first edition by Mollison. Blackwell, London