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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 15.12.2022

Fußdeformitäten beim Kind

Verfasst von: Leonhard Döderlein
Wer sich mit den Formveränderungen des Kinderfußes befassen will, muss sich auch mit seiner Entwicklung und den vielfältigen Anforderungen an seine Funktion sowie an die im Verlaufe der Reifung wechselnden Erscheinungsformen beschäftigen. Nur wenn man sich dem wachsenden Fuß mehrdimensional widmet, lernt man abzuschätzen, was einerseits noch als physiologisch und was andererseits als pathologisch zu werten ist. Die ungeheure Entwicklungsdynamik auf dem Weg zum stabilen und gleichzeitig mobilen Fuß des Erwachsenen wird oftmals auch unerwartete Spontanverläufe mit sich bringen. Deshalb erscheint es naheliegend, dass man eine fraglich pathologische Form im weiteren Wachstumsverlauf überprüfen muss, um einzuschätzen, in welche Richtung die Entwicklung verläuft. Dieses Kapitel soll ausgehend von der physiologischen Vielseitigkeit von Kinderfüßen das Erkennen und Diagnostizieren pathologischer Zustände erleichtern und damit die Basis für ein zielorientiertes therapeutisches Vorgehen schaffen. Die verschiedenen Möglichkeiten der Therapie, die isoliert oder kombiniert anzuwenden sind, werden in ihren Prinzipien aufgezeigt. Die bloße Kenntnis von spezifischen Behandlungsmethoden ist ohne ein ausreichendes Verständnis der funktionellen Grundlagen unzureichend und wird nur zufällig zum angestrebten Ergebnis führen können.

Einleitung

Wer sich mit den Formveränderungen des Kinderfußes befassen will, muss sich auch mit seiner Entwicklung und den vielfältigen Anforderungen an seine Funktion sowie an die im Verlaufe der Reifung wechselnden Erscheinungsformen beschäftigen. Nur wenn man sich dem wachsenden Fuß mehrdimensional widmet, lernt man abzuschätzen, was einerseits noch als physiologisch und was andererseits als pathologisch zu werten ist.
Die ungeheure Entwicklungsdynamik auf dem Weg zum stabilen und gleichzeitig mobilen Fuß des Erwachsenen wird oftmals auch unerwartete Spontanverläufe mit sich bringen. Deshalb erscheint es naheliegend, dass man eine fraglich pathologische Form im weiteren Wachstumsverlauf überprüfen muss, um einzuschätzen, in welche Richtung die Entwicklung verläuft.
Das vorliegende Kapitel soll ausgehend von der physiologischen Vielseitigkeit von Kinderfüßen das Erkennen und Diagnostizieren pathologischer Zustände erleichtern und damit die Basis für ein zielorientiertes therapeutisches Vorgehen schaffen.
Die verschiedenen Möglichkeiten der Therapie, die isoliert oder kombiniert anzuwenden sind, werden in ihren Prinzipien aufgezeigt. Die bloße Kenntnis von spezifischen Behandlungsmethoden ist ohne ein ausreichendes Verständnis der funktionellen Grundlagen unzureichend und wird nur zufällig zum angestrebten Ergebnis führen können.
Die Wachstums- und Entwicklungsperiode des Kinderfußes ist mit einer großen Vielfalt an Erscheinungsformen verknüpft, deren Kenntnis die Basis für weitere Maßnahmen darstellt.

Wachstum und Entwicklung des Kinderfußes

Der kindliche Fuß wächst nach dem Prinzip der enchodralen Ossifikation aus knöchernen Zentren, die im Rückfuß sphärische Knochenkerne bilden und im Vorfuß an den Enden der Metatarsalia und der Phalangen lokalisiert sind. Das Fortschreiten der Ossifikation vollzieht sich aus Knochenkernen, die in hierarchischer und chronologischer Abfolge erscheinen (Abb. 1).
Die Fußlänge steigt von 5 cm bei Geburt auf 17,2 cm im Alter von 5 Jahren (Dimeglio 1998; Flügel et al. 1986). Für die weiteren Jahre bis zum Wachstumsabschluss verbleiben bei Mädchen noch 7,5 cm und bei Jungen 9 cm an Fußlänge. Die knöcherne Fußlänge ist mit 11 Jahren bei Mädchen und mit 13 Jahren bei Jungen abgeschlossen. Dies bedeutet, dass im Alter von 10 Jahren bei Mädchen 91 % der Endlänge und bei Jungen 85 % der Endlänge erreicht sind (Dimeglio und Presedo 1998).
Der kindliche Fuß zeigt im Laufe seiner postpartalen Entwicklungsperioden charakteristische funktionelle Entwicklungsabschnitte, die das Ergebnis des fortschreitenden motorischen Heranwachsens, der funktionellen Anforderungen und der Wachstumsdynamik sind.
Zum Zeitpunkt der Geburt liegt eine durch die räumliche Anfaltung der Füße im relativ engen Uterus vorgegebene Form vor, die sich über die Einwirkung der zunehmend ausreifenden Willkürmotorik zur belastbaren Fußform mit dem Beginn der Vertikalisierung fortsetzt. Von nun an wird der Fuß den weitaus größeren Kräften durch die vielfältigen motorischen Lernprozesse unterworfen und durchläuft dabei eine Reihe von Formumwandlungen, die in charakteristischer Weise ablaufen, die aber auch bei überschießenden Belastungen zu Fehlentwicklungen führen können.
Beim postpartalen Wachstum des Kinderfußes ist zu bedenken, dass die Wachstumsgeschwindigkeit in den ersten Jahren enorm groß ist und dann ab dem 5. Lebensjahr wieder stetig abnimmt. Der Kinderfuß ist als erster Skelettabschnitt bereits zum Beginn der Pubertät ausgewachsen, was für operative knöcherne Maßnahmen bedeutsam ist. Die Fußlängen sind bei Mädchen ab dem 11. Lebensjahr und bei Jungen ab dem 13. Lebensjahr festgelegt.

Physiologische Funktionen des Kinderfußes

Der Kinderfuß übernimmt erst mit der durch die motorische Reifung einsetzenden Vertikalisierung und dem Erwerb der Steh- und Gehfunktionen seine ihm von der Natur aus zugedachte Funktion als Steh-, Balance- und Fortbewegungsorgan. Nach Dimeglio (1998) macht ein Kind im Alter von 5 Jahren etwa 20.000 Schritte täglich, was ständig Wachstumsreize und einen enormen Lernprozess in Gang setzt. Die motorischen Reifungsprozesse laufen dabei für seine einzelnen Bestandteile in abgestufter Weise ab. Die ständig einwirkenden propriozeptiven (exterozeptiven) Reize gestalten sich durch entsprechende motorische Programmierungsvorgänge zu einer funktionell optimalen Form- und Funktionsbeziehung.
Der kindliche Fuß darf aber keineswegs nur auf seine Funktion als Steh- und Gehorgan mit der Fähigkeit, sich ständig an neue Anforderungen der Standbasis anpassen zu müssen, aufgefasst werden. Seine ursprüngliche Befähigung zu einem Greiforgan ist in perfekter Weise bei sogenannten Ohnhändern (Kinder mit angeborenen Fehlbildungen der oberen Extremitäten = Amelien) erhalten geblieben. Diese Kinder erlernen gewissermaßen spielend den Gebrauch ihrer Füße als Fortbewegungsorgan und gleichzeitig auch als Handersatz, sodass der Fuß einen Großteil der Funktionen, die ursprünglich der oberen Extremität zugedacht waren, übernehmen kann. Die sich dadurch ergebenden Formänderungen sind anpassungsbedingt und dürfen keinesfalls als therapiepflichtig angesehen werden.
Beim physiologischen Gangablauf, der erst um des 3.–4. Lebensjahr ausgereift ist (Skinner 1994), hat der Fuß die kombinierten Funktionen einer Dämpfung, einer stabilen und mobilen adaptierbaren Basis für den Einbeinstand des Körpers und die eines starren verriegelten Hebels für die Abstoßfunktion zum Ende der Standphase inne (Abb. 2).
J. Perry (1992) hat die in Tab. 1 zusammengefasste allgemeingültige Einteilung der verschiedenen, nacheinander ablaufenden Bewegungsereignisse während des Gangzyklus mit der Stand- und der Schwungphase angegeben.
Tab. 1
Allgemeingültige Einteilung der verschiedenen, nacheinander ablaufenden Bewegungsereignisse während des Gangzyklus mit der Stand- und der Schwungphase
Abkürzung
Englische Bezeichnung
Deutsche Bezeichnung
IC
Initial contact
Erstkontakt
LR
Loading response
Gewichtsübernahme
MSt
Midstance
Standphasenmitte
TSt
Terminal stance
Standphasenende
PSw
Pre swing
Schwungphasenvorbereitung
ISw
Initial swing
Schwungphasenbeginn
MSw
Mid swing
Schwungphasenmitte
TSw
Terminal swing
Schwungphasenende
Da die Kenntnis dieser Ereignisse für die klinische Diagnostik von wesentlicher Bedeutung ist, sollte man sich die einzelnen Phasen einprägen.
Ein besonders auszeichnendes Merkmal der Fußfunktionen stellt die Kardanmechanik des Rückfußes mit einer kombinierten Funktion des oberen und des unteren Sprunggelenks dar (Moulies 1994; Seringe und Wicart 2014). Dieses Zusammenwirken ermöglicht eine ständige Anpassung der Standbasis an wechselnde Untergründe und an wechselnde Stellungen und Bewegungen der übergeordneten Gelenkketten. Man kann dies bei sich selbst gut nachvollziehen, wenn man auf einem Bein stehend seinen Köperschwerpunkt nach verschiedenen Richtungen hin verlagert. Der Fuß geht mit seinem Kardanmechanismus der Rückfußgelenke bei allen Bewegungen in einer Weise mit, dass die Fußsohle ständig am Boden bleiben kann. Erst wenn das Schwerelot des Körpers außerhalb der Unterstützungsfläche gelangt, müssen andere Balancemechanismen wie die Abstützung durch das unbelastete Bein einsetzen.
Diese ständig ablaufende enge Verknüpfung von afferenten propriozeptiven Informationen und efferenten motorischen Reaktionen wird Sensomotorik genannt. Die Muskelfunktionen laufen während der aufrechten Fortbewegung in beiden Beinen streng aufeinander abgestimmt abwechselnd in einer konzertierten Weise ab, die die bestmögliche Ökonomie und Stabilität gestattet. Automatisierte Bewegungsabläufe halten dabei die ständige willkürliche Steuerungsanforderung gering. Jede Störung dieser harmonisch gekoppelten Bewegungsabfolgen ist selbst für den Laien sofort durch eine Gangasymmetrie erkennbar (physiologischer Gang = harmonische, in konzertierter Weise aufeinander abgestimmte, gegenseitig abwechselnde Bewegungsabläufe).
Die physiologischen Fußfunktionen sind als stetig wechselnde Eigenschaften der Dämpfung, der stabilen und adaptierbaren Standbasis und des stabilen Hebels zur Abstoßfunktion an ein bewegungstechnisch perfektes Ineinandergreifen zahlreicher Gelenkkomponenten und Muskelgruppen geknüpft. Die über ständige propriozeptive Rückmeldungen gesteuerten Muskelfunktionen gestatten nur bei ausreichend stabilen und beweglichen Gelenken, die wechselnden Anforderungen zu erfüllen. Der Kinderfuß lernt erst mit der Vertikalisierung und Lastübernahme über ein andauernd variierendes Bewegungsrepertoire seine später in Ketten automatisiert ablaufenden Funktionen.

Ursachen für Abweichungen von Form und Funktion beim Kinderfuß

Es ist von grundlegender Bedeutung, ob eine Fußdeformität bereits im Säuglingsalter oder erst mit dem Beginn des Laufenlernens aufgetreten ist. Im ersteren Fall wird man kongenitale und intrauterine Mechanismen zumindest teilweise annehmen, im zweiten Fall hat die Einwirkung des Körpergewichts und der Bodenreaktionskräfte einen wichtigen Einfluss (Abb. 3).
Nach Mosca (2014) können verschiedene Ursachen für die Abweichungen der Fußform definiert werden:
  • Veränderung der Form der Fußskelettelemente
  • Veränderung der Stellung der Skelettelemente zueinander
  • Ausgebliebene Differenzierung der Fußskelettelemente (Synostosen bzw. Koalitiones)
  • Kombinationen
Da eine ungeheure Breite von verschiedenen Möglichkeiten für die unterschiedlichen Formabweichungen des Kinderfußes existiert, ist eine gewisse Systematik überaus hilfreich.
Formveränderungen dürfen alleine wegen ihres Aussehens nicht gleich als therapiebedürftig angesehen werden. Die klinische Untersuchung vermag hier eine rasche Orientierung bezüglich noch normaler Formabweichung und bereits pathologischer Veränderung zu geben. Ein wichtiger Hinweis ist die passive Redressierbarkeit bei manueller Testung (Abb. 4; Seringe 2005).
Ähnlich wie bei anderen Pathologien lassen sich folgende ätiologische Obergruppen einteilen:
  • Kongenitale/angeborene Ursachen
    • Fehlbildungen
    • Fehlstellungen
    • Kollageninsuffizienz
    • angeborene Kontrakturen
  • Erworbene Ursachen
    • Posttraumatisch
    • Entzündlich
    • Tumorös
    • Metabolisch
    • Neurogen/neuromuskulär
    • Psychogen
    • Habituell
    • Iatrogen
    • Etc.
Selbstverständlich können diese Ursachen sowohl isoliert als auch in verschiedensten Kombinationen an der Entstehung einer Fußdeformität beteiligt sein.
Die sich aus einer zugrunde liegenden Störung entwickelnde Deformität bleibt nur selten unverändert bestehen, sondern sie verwandelt sich meistens über die Wachstumseinflüsse mit Körpergrößen- und Gewichtszunahme und über die einwirkende Fehlbelastungen der Füße ständig weiter (dynamische Entwicklung von Fußdeformitäten). Von wesentlicher Bedeutung sind auch eventuell begleitende Deformitäten, Instabilitäten und Funktionsstörungen der proximalen und der gegenseitigen Beingelenkketten (Knie- und Hüftgelenke).
Nachfolgend wird die Deformierungskaskade veranschaulicht, die auf einen Kinderfuß einwirken kann, wobei die Anteile der verschiedenen einfließenden Faktoren hinsichtlich ihrer Richtung, Dauer und Intensität ungemein variabel sein können:
Primäre Fußdeformität + einwirkende Bodenreaktionskräfte + Körpergewicht + gestörte bzw. durch die Deformität veränderte Muskelfunktionen + veränderte Funktionen der übergeordneten Gelenke + Wachstumseinflüsse auf Knochen, Gelenke und Muskulatur + eventuell therapeutische Maßnahmen +individuelle Gewebefaktoren = aktuell vorgestellte Fußdeformität.
Dieser Umstand bedeutet, dass für die Entstehung einer Fußdeformität nahezu niemals ein einzelner Faktor verantwortlich sein kann, sondern dass ein kontinuierlicher Fluss an verschiedenen Faktoren ständig verändernd wirksam ist.
Dies führt auch dazu, dass eine vorgestellte Deformität vielfach nur einem definierten Zeitpunkt innerhalb einer fließenden Deformierungskaskade entsprechen kann (es handelt sich gewissermaßen um eine „Momentaufnahme der Deformität“):
  • Beim angeborenen Klumpfuß liegt primär eine durch 3 retrahierende Bindegewebsklammern (2 lateral, 1 medial; Seringe und Wicart 2014) fixierte Innenrotationsfehlstellung des subtalaren Gelenkkomplexes vor, die über die Skelettelemente zu einer Veränderung der Zugrichtung der Muskulatur und zur Verkürzung invertierender plantarflektierender und zur Elongation evertierender Muskeln führt.
  • Beim Knicksenkfuß besteht dagegen eine unzureichende Gegenkraft der Skelett- und Weichteilkomponenten des Fußes gegenüber den einwirkenden Bodenreaktionskräften (Missverhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit (Abb. 5)).
  • Der Spitzfuß ist durch ein Übergewicht der plantarflektorisch wirkenden Muskeln mit entsprechenden Anpassungsvorgängen des Skeletts gekennzeichnet (Abb. 6).
Abweichungen der äußeren Fußform müssen zwischen noch physiologisch und bereits pathologisch streng unterschieden werden. Entsprechend der allgemeinen Wachstumsdynamik mit Körpergrößen- und Gewichtszunahme ist auch der Kinderfuß ständigen Veränderungen unterworfen, sodass man eine sich darbietende Deformität immer nur als einen Befund im Rahmen eines fließend ablaufenden Zustandes betrachten sollte. Die deformierenden Faktoren können sich verändern. Es kommt zu Veränderungen der Form und der Stellung der Skelettelemente zueinander.
Im Folgenden werden exemplarisch die 3 häufigsten Formabweichungen des Kinderfußes, der Knicksenkfuß, der Klumpfuß und der Spitzfuß näher vorgestellt. Dazu werden jeweils allgemeine Bemerkungen zu ihrer Diagnostik, Klassifikation, Indikationsstellung und den verschiedenen Therapieverfahren vorangestellt und die Spezifika für die jeweilige Deformität näher erläutert. Da der Umfang dieses Kapitels nur für eine einführende Information gedacht ist, sei für weitergehende und vertiefende Informationen auf die Literaturliste verwiesen.

Diagnose und Klassifikationen

Eine standardisierte und umfassende Diagnostik bildet das Grundgerüst für alle sich daran anschließenden Tätigkeiten, sei es die Dokumentation, die Verlaufskontrolle oder die Indikationsstellung für therapeutische Maßnahmen.
Die Untersuchung des Kinderfußes ruht auf 2 eng miteinander korrespondierenden Säulen, der klinischen Befunderhebung und den apparativen Zusatzuntersuchungen. Jede dieser Maßnahmen sollte sowohl statische als auch dynamische Aspekte umfassen, um ausreichend aussagekräftig zu sein. Die Verwendung von Klassifikationen kann die Befunderhebung ergänzen, sie wird sie aber in keinem Falle ersetzen können.

Klinische Diagnostik

Im Kindesalter kommen Diskrepanzen von der normalen „Standard“-Fußform überaus häufig vor. Eine ausschließliche Formbeurteilung erlaubt deshalb nicht immer die Abschätzung, was noch als tolerabel und was bereits als pathologisch und therapiebedürftig zu werten ist. Der starke subjektive Faktor bei der individuellen Beurteilung einer Fußdeformität macht die Verwendung möglichst nachvollziehbarer diagnostischer Dokumentationsverfahren notwendig.
Wie bereits oben erwähnt wirken meistens mehrere verschiedenartige Komponenten bei der Entwicklung einer Fußdeformität zusammen. Dieser Umstand stellt hohe Anforderungen an den Behandler, wenn er diese Komponenten und ihr jeweiliges Zusammenwirken für die individuelle Deformität entschlüsseln will. Man geht in dieser Richtung in strategischer Weise nach verschiedenen Kategorien vor:
  • Anamnestische Erhebung
    • Familienanamnese
    • Eigenanamnese
    • Wann aufgetreten?
    • Welche Beschwerden?
    • Wie bisher behandelt?
    • Welche Wünsche?
    • Etc.
    Hier ist die Beurteilung, ob sich die Fußdeformität bereits im Säuglingsalter oder erst mit Laufbeginn manifestiert hat, von wesentlicher Bedeutung.
  • Klinische Inspektion mit Beschreibung in Ruhe sowohl unbelastet als auch belastet
  • Palpation in Ruhe unbelastet und belastet
  • Inspektion in Bewegung und in Funktion (Abb. 7)
Daraus ergibt sich eine vorläufige Diagnose, die Arbeitsdiagnose genannt wird.
Anschließend wird die Auswahl für die sinnvollen weiterführenden Untersuchungen wie zum Beispiel
  • Bildgebung,
  • Neurophysiologie und
  • dynamische Untersuchungen
getroffen. Aus der Zusammenschau aller erhobenen Befunde lässt sich dann die Arbeitsdiagnose weiter verfeinern, ggf. kann sie sich auch ändern.

Knicksenkfuß

Die diagnostischen Maßnahmen bestehen für den idiopathischen Knicksenkfuß in erster Linie in einer ausführlichen klinischen Untersuchung und Dokumentation. Dabei sollte man vor allem die passive manuelle Redressierbarkeit durch Rückfußinversion und Vorfußpronation und eine eventuell Wadenmuskelverkürzung unter invertierend verriegelnder Rückfußposition in Kniebeugung und in Kniestreckung überprüfen, um die Anteile der Gastrocnemius- und der Soleus-Muskulatur an der Fehlstellung abzuschätzen, die bei allen stärkeren Knicksenkfußgraden vorkommt bzw. die Deformität unterhält (besonders M.Gastrocnemius).
Ein struktureller Rückfuß-Spitzfuß ist bei jeder Art von Therapie, gleichgültig ob konservativ oder operativ, zu beachten. Differenzialdiagnostisch muss vor allem bei jeder höhergradigen Deformität an sekundäre Ursachen wie
  • eine Koalition der Fußwurzelkniochen,
  • eine Bindegewebsinsuffizienz,
  • eine unerkannte angeborene Deformität (kongenitaler Talus verticalis) oder auch
  • an neurogene Ursachen
gedacht werden.

Klumpfuß

Der angeborene Klumpfuß wird ähnlich wie der Knicksenkfuß durch eine sorgfältige klinische Untersuchung dokumentiert. Er unterscheidet sich vom Knicksenkfuß durch eine strukturell fixierte Deformierungskombination (Seringe 2005). Vor allem im Säuglingsalter ist umstritten, ob zusätzliche bildgebende Maßnahmen durch gehaltene Aufnahmen in korrigierter Fußstellung benötigt werden (Abb. 8) (Thompson und Abaza 2010).
Wichtig ist, stets daran zu denken, dass mögliche sekundäre Ursachen wie neurologische Störungen oder angeborene Fußwurzelsynostosen existieren können. Diese sind durch weitere Untersuchungen auszuschließen, da sich dann die Behandlung wesentlich anders gestaltet. Die klinische Untersuchung muss den Rückfuß und den Vorfuß getrennt in den verschiedenen Bewegungsebenen berücksichtigen.

Spitzfuß

Beim Spitzfuß muss anhand der ausführlichen klinischen Untersuchung überprüft werden, ob eine neurologische Ursache vorliegt. Dazu sind neben der Muskelkraft, den Reflexen und dem Muskeltonus immer auch die proximalen Gelenkabschnitte zu berücksichtigen und die passive Redressierbarkeit der Exkursion des oberen Sprunggelenks mit und ohne Kniebeugung (Differenzierung in Gastrocnemius- und Soleus-Anteile) zu überprüfen.
Die Gelenkexkursion wird in Winkelgraden angegeben. Eine eventuell begleitende Muskelspastizität durch eine neurologische Ätiologie kann mittels Skalen (Ashworth-Skala oder Tardieu-Skala; Döderlein 2015) grob quantifiziert werden.
Daneben stellt der Spitzfuß in vielen Fällen auch eine Teilkomponente des Knickplattfußes und des Klumpfußes dar. Durch die Verriegelung des unteren Sprunggelenks unter Inversion kann der Grad der passiven Korrigierbarkeit des Rückfußes im oberen Sprunggelenk genauer bewertet werden (Abb. 9).
Die klinische Diagnostik von Fußdeformitäten muss standardisiert und umfassend sein, um spätere Vergleiche zu ermöglichen und den Weg zur möglichen Therapie zu ebnen. Die Trennung in die einzelnen Fußregionen und Ebenen erlaubt es, umfassend und funktionsorientiert vorzugehen. Differenzialdiagnostisch sind immer sekundäre Ursachen wie angeborene oder neurologische Komponenten der jeweiligen Deformität zu erwägen.

Apparative Diagnostik

Die apparative bzw. instrumentelle Diagnostik darf nie zum Selbstzweck werden, sondern muss immer mit einer konkreten Fragestellung verbunden sein, die sich dann durch die jeweilige Maßnahme beantworten lässt. In jedem Falle ist eine sorgfältige und umfassende standardisierte Dokumentation als Basis für die Entscheidung zu weiteren Maßnahmen und für weitere Verlaufskontrollen notwendig.
Neben der üblichen standardisierten Röntgendiagnostik des Fußes in 2 Ebenen, die möglichst immer unter Belastung vorgenommen wird, kommen die Sonografie und die Magnetresonanztomografie (MRT) und seltener eine Computertomografie (CT) in Betracht. Alle diese Techniken geben allerdings nur statische Befunde wieder.
Die digitale Volumentomografie und die 3-D-Computertomografie unter Belastung geben heute hervorragende Einblicke in die Fußgeometrie und können für die Planung von kombinierten Osteotomien eine Hilfestellung bieten. Für Routineuntersuchungen eignen sie sich jedoch nicht, und sie geben immer nur Antworten auf definierte Fragestellungen. Daher sollte sich der Fußchirurg mit ihren Möglichkeiten wie auch ihren Grenzen vertraut machen.
Instrumentelle Bewegungsanalyseverfahren wie die dynamische Pedobarografie (DPB) und die instrumentelle 3-D-Ganganalyse bleiben speziellen Fragestellungen vorbehalten. Neurophysiologische und laborchemische Untersuchungen ergeben sich aus der jeweiligen Arbeitsdiagnose und kommen ebenfalls nur in spezifischen Situationen zum Einsatz.
Für den Knicksenkfuß sind radiologische Parameter, auch wenn sie unter Belastung angefertigt wurden, immer nur statisch und repräsentieren dadurch nur einen Teilaspekt der Deformität (Mosca 2014). Dennoch eignen sie sich gut zur objektiven Dokumentation anhand gemessener Zeichen und Winkelgrade. Auf der a.p. und der Sagittalaufnahme sind die Stellung der Rückfußknochen zueinander und zur Auflagefläche relevant. Zusätzlich ist die Abweichung der Längsachse des Metatarsale I zur Längsachse des Talus wichtig. Der Überlappungsindex zwischen Naviculare und Cuboid gibt ebenso wie der Calcaneus-Bodenwinkel auf der seitlichen Projektion gute Hinweise auf den Schweregrad (Exner 2003).
An dynamischen Parametern können die Pedobarografie und insbesondere auch die dynamische Fußanalyse für die Entscheidung zur Therapie besonders in unklaren Fällen von zusätzlichem Nutzen sein.
Für den Klumpfuß gibt beim Säugling durch in maximaler Korrektur gehaltene a.p. und seitliche Röntgenaufnahmen die Stellung der Rückfußknochenkerne zueinander Aufschluss über die Rigidität. Für gehfähige Patienten kommt eine standardisierte Röntgenaufnahme des Fußes unter Belastung in 2 Ebenen zur vollständigen Dokumentation infrage. Dynamische Untersuchungen sind bei höhergradigen Klumpfüßen schwierig zu interpretieren. Hier dürfte sich allenfalls die Videodokumentation anbieten.
Röntgenaufnahmen haben für eine Spitzfußdokumentation nur eine untergeordnete Bedeutung (Ausschluß knöchern verursachter Spitzfuß). Allerdings können dynamische Ganguntersuchungen zur Therapieentscheidung helfen.
Apparative Untersuchungsmethoden sind allgemein üblich und geben zusätzliche quantifizierbare Hinweise, sind jedoch kein Ersatz für die umfassende klinische Untersuchung. Man kann statische und dynamische Zusatzverfahren unterscheiden und sollte ihren jeweiligen spezifischen Aussagewert, aber auch ihre Grenzen für die Diagnosestellung kennen.

Klassifikationen der Fußdeformitäten im Wachstumsalter

Zur exakten Befundbeschreibung, zur Indikationsstellung und als Hilfsmittel für weitere Verlaufskontrollen sind Klassifikationssysteme hilfreich. Es existieren zahlreiche Einteilungen für die verschiedenen Typen von Fußdeformitäten. Dies wird besonders beim angeborenen Klumpfuß deutlich (Simons 1994; Dimeglio 1998). Man sollte sich im klinischen Alltag auf einfach anzuwendende und zuverlässige Methoden beschränken.
Neben den beteiligten anatomischen Fußregionen sind auch palpatorische Befunde, radiologische Daten und funktionelle Aspekte für Klassifizierungen vorgesehen. Die große Vielfalt an Klassifikationen zeigt deutlich die Divergenz klinischer Untersuchungsbefunde, besonders am Kinderfuß, weshalb kombinierte klinische und apparative Daten aussagekräftiger sind.
Fußdeformitäten können nach der äußeren Erscheinungsform klassifiziert werden:
a.
Deformitäten in 1 Ebene:
  • Sagittal: Spitzfuß, Hackenfuß, Hohklfuß
  • Frontal: Rückfußvarus, Rückfußvalgus,Vorfußpronatus,Vorfußsupinatus
  • Transversal: Vorfußabduktus, Vorfußadduktus, Sichelfuß
 
b.
Deformitäten in 2 Ebenen:
  • Frontal
  • Sagittal
  • Oder/und transversal
 
c.
Deformitäten in 3 Ebenen: Ballenhohlfuß, Knickplattfuß, Klumpfuß:
  • Frontal
  • Sagittal
  • Und transversal
 
Bei den meisten Deformitäten ist mehr als eine Ebene betroffen, wobei sich die Ebenen gegenseitig bedingen können. Der Rückfuß, der Mittelfuß und der Vorfuß können dabei zu unterschiedlichen Ausmaßen bzw. in unterschiedlichen Ebenen deformiert sein. Zusätzlich kommen Veränderungen der Deformität im zeitlichen Verlauf vor, beispielsweise wenn sich ein Spitzfuß in einen Spitz-Knicksenkfuß oder ein Hohlfuß in einen Ballenhohlfuß umwandelt. Typische Beispiele seien nachfolgend aufgezeigt:

Klumpfuß

  • Rückfußdeformität sagittal (Spitzfuß) und frontal (varus)
  • Mittel- und Vorfußdeformität sagittal (cavus), frontal (pronatus) und transversal (adduktus) (Abb. 10)
Bei den unterschiedlichen Klumpfuß-Klassifikationssystemen (Simons 1994; Dimeglio 1998), die den Schweregrad anhand der passiven Korrigierbarkeit der einzelnen Komponenten bewerten und den Gesamtbefund als eine Zahl beschreiben, gibt es naturgemäß subjektive Einflüsse.
Dimeglio (1998) hat eine brauchbare und vielfach angewendete Klassifikation angegeben, die sich auf die passive Redressierbarkeit der einzelnen Deformitätskomponenten bezieht. Es gibt aber auch zahlreiche andere Einteilungen, sodass man sich ein brauchbares System zurechtlegen sollte, das praktikabel und ausreichend zuverlässig ist.

Knicksenkfuß

  • Rückfußdeformität sagittal (Spitzfuß) und frontal (valgus)
  • Mittel- und Vorfußdeformität sagittal (planus), frontal (supinatus) und transversal (abduktus)
  • Meist als Kombinationen
Dies bedeutet, dass die verschiedenen anatomischen Regionen des Fußes in unterschiedlichem Ausmaß in die Deformität einbezogen sein können (Abb. 11). Es sind so nahezu unerschöpfliche Kombinationen an Deformierungsanteilen denkbar, die sich nur durch eine nachvollziehbare Dokumentation und Klassifizierung einteilen lassen.
Die radiologische Untersuchung mit standardisierten Röntgenaufnahmen unter Belastung gibt die statischen Veränderungen der Form und der Stellung der Fußskelettelemente zueinander wieder, die sich mit verschiedenen Winkeln quantifizieren lassen. Allerdings muss dabei immer daran gedacht werden, dass die Befunde rein statischer Natur sind und nur eingeschränkt Rückschlüsse auf die gestörte Funktion erlauben.
Für den Knicksenkfuß kommen bei der klinischen Dokumentation die passive Korrigierbarkeit der Komponenten der Deformität in die Typen
  • überkorrigierbar,
  • bis zur Mittelstellung korrigierbar,
  • weniger als die Mittelstellung korrigierbar und
  • kontrakt
in Betracht.
Daneben sind Symptome (Druckstellen und Schmerzen) und die Funktionseinschränkung für Alltagstätigkeiten relevant. Der Übergang des Knicksenkfußes in einen Knickplattfuß ist fließend. Deshalb sollten die jeweiligen Merkmale genau beschrieben werden.

Spitzfuß

Beim Spitzfuß kommt es zunächst auf die Beschreibung der äußeren Form an. Man unterscheidet dazu
  • den Rückfuß-Spitzfuß,
  • den Vorfuß-Spitzfuß und
  • den Kombinationsspitzfuß aus beiden Anteilen.
Das Ausmaß der Abweichung wird in Winkelgraden in der Sagittalebene angegeben. Außerdem sollten der Grad der passiven manuellen Korrigierbarkeit unter Kniebeugung und Kniestreckung und die Qualität des Gewebe- bzw. Muskelwiderstands in die Bewertung mit einfließen.
Klassifikationen können eine rasche Orientierung über den Schweregrad einer Deformität geben, allerdings haftet ihnen immer auch eine subjektive Komponente an. Nachvollziehbare und messbare sowie zuverlässige Methoden sind zu bevorzugen.

Indikationsstellung zur Therapie und Behandlungsverfahren

Die Indikationsstellung besonders zur Operation ist gerade beim Kinderfuß wegen der breiten Palette von Normalbefunden und der vor allem im frühen Kindesalter kontinuierlich ablaufenden Entwicklung oft nicht einfach. Wir würden dazu den überaus hilfreichen Satz von Mercer Rang (1986) zitieren:
„If unsure – wait, if unsure after waiting – refer.“

Allgemeine Anmerkungen

Besonders beim Kinderfuß hat es sich nach unserer Erfahrung durchaus bewährt, Deformitäten in ihrem Verlauf zu kontrollieren und gelegentlich den Rat eines erfahrenen Kollegen einzuholen. Dies kann vor den unliebsamen Überraschungen einer fehlindizierten Therapie bewahren und dem Patienten nicht selten einen ursprünglich als notwendig erachteten Eingriff ersparen. Dies gilt vor allem auch für den Knicksenkfuß. Es gibt beim Kinderfuß nahezu nie – mit Ausnahme einer Infektion oder eines malignen Tumors – einen akuten Handlungsbedarf. Beides ist ausgesprochen selten. Deshalb kann ein Zuwarten mit sorgfältig dokumentierten Verlaufsbefunden von großer Hilfe sein.
Zahlreiche Faktoren fließen in eine Indikationsstellung mit ein, wie beispielsweise:
  • Eventuell zugrunde liegendes Leiden (Osteogenesis imperfecta, Ehlers-Danlos-Syndrom, Polyarthritis, neuromuskulär etc.)
  • Familienanamnese (Eltern/Geschwister ebenfalls betroffen?)
  • Erstmaliges Auftreten der Deformität (Geburt, Kleinkindesalter, Pubertät?)
  • Verschlimmerung der Deformität (bei Aktivität, trotz Therapien)
  • Funktionelle und andere Einschränkungen (normale oder stärkere Belastung)
  • Druckstellen und Probleme mit Schuhwerk (dokumentieren)
  • Bisherige Behandlungen/Behandlungsversuche (konservativ, operativ)
  • Compliance des Patienten und seiner Eltern („doctor shopping“)
  • Zur Verfügung stehende Kompetenzen für konservative/operative Behandlung
  • Kostenübernahme
Für die Indikationsstellung zur Behandlung können auch Standardfragen helfen:
  • Muss das Problem behandelt werden?
  • Wenn ja, sofort, bald oder kann weiter zugewartet werden?
  • Was geschieht, wenn nichts unternommen und weiter abgewartet wird?
  • Wie hoch ist das Risiko des Zuwartens gegenüber einer Operation einzuschätzen?
  • Wie sicher korrigiert eine Operation?
Zusätzlich zu einer Therapie- bzw. Operationsindikation ist immer auch ein Behandlungsziel klar zu definieren (Schmerzverbesserung, normales Schuhwerk, Funktionsverbesserung etc.).
Tab. 2 gibt eine Übersicht des Zusammenhangs zwischen Indikation und Therapie bei den verschiedenen Fußdeformitäten.
Tab. 2
Zusammenhang zwischen Indikation und Therapie bei den verschiedenen Fuß-Deformitäten
 
Vorgehen
Deformität
Indikation
Therapieauswahl
Therapiezeitpunkt
Knicksenkfuß
Schwierig/besteht selten, v. a. bei leichteren Graden
Wenn indiziert, dann relativ einfache Therapie
Wenn angezeigt, dann eher später
Klumpfuß
Einfach/besteht meistens
Schwierig, abhängig von Ätiologie und Grad
Früh, fast immer
Spitzfuß
Relativ einfach
Vielfach zuerst konservativ
Früh, fast immer

Knicksenkfuß

Die Indikationsstellung zur Therapie gestaltet sich beim häufigen Knicksenkfuß sehr uneinheitlich. Da zahlreiche wirkungsvolle therapeutische Optionen konservativer wie operativer Art zur Verfügung stehen, kann sich dies auf eine zu großzügige Indikation auswirken. Wir würden beim idiopathischen Knicksenkfuß die Entwicklung im zeitlichen Verlauf und unbedingt auch eine objektiv dokumentierte deutlichen Form- und Funktionseinschränkung sowie die Einseitigkeit als Indikationskriterien fordern.
Wenn nur der äußere Aspekt zur Entscheidung führt, werden wahrscheinlich zu viele Knick-Fuße ohne wirkliche Behandlungsnotwendigkeit therapiert oder gar operiert, was belastend und teuer ist. Deshalb sollten der zeitliche Verlauf und die funktionelle Einschränkung durch die einzelne Fußdeformität genau analysiert werden, ehe man zur Tat schreitet. Dynamische Messmethoden, wie die instrumentelle 3-D-Ganganalyse, können in Zweifelsfällen wertvolle Hinweise liefern (Böhm et al. 2019; Hösl et al. 2014).
Bei einem Knicksenkfuß aufgrund sekundärer Ursachen, wie beispielsweise bei Kollagenerkrankungen (Marfan-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom), bei Coalitiones oder bei neurogenen Störungen, wird hingegen eine Therapieindikation eher großzügiger zu stellen sein, da dort die Entwicklung kaum jemals eine spontane Verbesserung mit der Einwirkung des Wachstums zeigt.

Klumpfuß

Im Gegensatz zum idiopathischen Knicksenkfuß besteht bei nahezu allen strukturellen Klumpfüßen, seien sie primär idiopathisch oder aufgrund einer sekundären Ursache entstanden, eine Indikation zur Therapie. Hier ergibt sich eher die Schwierigkeit der jeweils korrekten Therapieauswahl, die abhängig vom Deformierungsgrad, der Ursache und dem bisherigen Verlauf variieren kann. Die Indikation zu umschriebenen operativen Maßnahmen (Ponseti-Methode) als initiales Verfahren überwiegt bei Weitem. Dennoch hat dieses Verfahren auch Grenzen.

Spitzfuß

Die Behandlung eines Spitzfußes ergibt sich aus der funktionellen Einschränkung durch diese Deformität und auch aus der strukturellen Verkürzungskomponente der Wadenmuskulatur. Mit der Ausnahme geringgradiger Ausprägungen gehen sowohl ein- wie auch beidseitige Spitzfüße mit einer eheblichen Funktionsstörung einher. Ähnlich wie beim Klumpfuß kommt es eher auf die Auswahl der jeweils angezeigten Behandlungsmethode an (Abb. 12).
Die Stellung einer Behandlungsindikation kann einfach (z. B. bei einer manifesten Deformität mit eindeutiger Funktionseinschränkung) oder überaus schwierig bei guter verbleibender Funktion sein. Zusätzliche apparative/dynamische Messmethoden und dokumentierte Verlaufskontrollen können die Therapieentscheidung unterstützen.

Konservative Therapieverfahren

Die Wirksamkeit konservativer Behandlungsmethoden ist speziell auch beim Kinderfuß immer umstritten gewesen (Alvi und Wilson 2017). Als Beispiele mögen Schuhe mit spezieller Form (Therapieschuhe, Antivarusschuhe etc.), die Fußgymnastik oder die sogenannten sensomotorischen oder propriozeptiven Einlagen dienen. Die Kunst liegt weniger in der Verordnung eines einzigen Hilfsmittels, sondern eher darin, im Bedarfsfall verschiedene Therapiemethoden sinnvoll miteinander zu kombinieren.
Die Auswahl sollte sich an einer biomechanisch begründbaren Wirkungsweise der jeweiligen Methode und nicht an vermuteten oder versprochenen Effekten ausrichten. Die beliebten sensomotorischen Effekte sind weit verbreitet, obwohl ein objektiver Wirksamkeitsnachweis immer noch aussteht. Ähnliches gilt für ein sportliches Design oder geprintete Orthesen.
Die konservativen Behandlungsmethoden lassen sich zweckmäßigerweise in verschiedene Gruppen einteilen:
  • Orthesen und diverse durch äußere Korrektureffekte wirkende Behelfe; sie werden nach ihrer Höhe und ihrem Wirkungsprofil klassifiziert in:
    • Fußorthesen (z. B. Einlagen)
    • Sprunggelenksübergreifende Orthesen (AFO, „ankle foot orthosis“)
    • Unterschenkelorthesen (USFO).
    Ihre Bauweise kann steif, federnd-dynamisch oder mit einer Gelenkführung konstruiert sein.
  • Schuhe und Schuhzurichtungen (am Schaft, am Fußbett und an der Schuhsohle)
  • Physiotherapeutische Maßnahmen zur Mobilisation, zur Kräftigung und zum Erwerb bzw. zur Verbesserung motorischer und propriozeptiver Fähigkeiten
  • Physikalische Maßnahmen, die über äußere Reize stimulieren
  • Medikamentöse Verfahren:
    • Schmerzlindernd
    • Tonussenkend
    • Durchblutungsfördernd
    • Etc.
  • Sinnvolle Kombinationen zwischen diesen Verfahren sind häufig notwendig.
Orthesen werden als Tages- oder Funktionsschienen, als Nachtlagerungsschienen und als postoperative Schienen zum Schutz operierter Strukturen verordnet.
Das Orthesenangebot für den überaus häufigen Knicksenkfuß ist entsprechend vielfältig und reicht von den einfachen über die sensomotorischen Einlagen bis hin zu komplex konstruierten sprunggelenksübergreifenden Orthesen. Die Kunst liegt weniger in der Verordnung teils aufwendig gebauter Hilfsmittel als in der geeigneten Indikationsstellung, die nur wirklich funktionseingeschränkte Füße umfassen sollte (Abb. 13).
Wenn man sich mit der Wirkungsweise von Orthesen beschäftigt, sind gut sitzende, zirkulär angreifende Behelfe zu bevorzugen, die in ähnlicher Weise korrigieren, wie man es zirkulär angreifend über die klinische Untersuchung mit einer Rückfußinversion und einer Vorfußpronation ausführt.
Beim Klumpfuß kommen konservative Maßnahmen als redressierende Orthesen in Verbindung mit manuell mobilisierenden Grifftechniken zur Anwendung. Für die Ponseti-Methode ist die Neuauflage der altbewährten Denis-Browne-Bipedal-Schiene das Maß aller Dinge, wenngleich auch einzeln angelegte Unterschenkelorthesen mit entsprechenden Korrekturwirkungen (Druckpunkt lateral am Taluskopf, medial am Metatarsale I) hilfreich sein können.
Die Spitzfuß-Versorgung lässt sich mit konservativen Mitteln nur bei passiv redressierbarer Fußstellung behandeln. Kombinationen aus tonussenkenden intramuskulären Injektionen von Botulinumtoxin A, redressierende Gehgipsanwendungen und dynamische Unterschenkelorthesen können, wenn auch häufig nur temporär, gute Effekte bedingen. Wiederholungen der Behandlung sind beim Rezidiv rechtzeitig einzuleiten.
Für alle 3 Fußfehlformen ist auf die postoperative temporäre Orthesenversorgung als Schutz- und Präventivmaßnahme hinzuweisen.
Die Verordnung von konservativer Therapie ist bei kindlichen Fußdeformitäten üblich, darf jedoch nicht zu einem reflexartigen Verschreiben nicht indizierter oder fragwürdig wirksamer Methoden führen. Jedes Verfahren sollte kritisch auf sein Wirkprinzip, seine Effekte und auf eventuell nützliche Kombinationen mehrerer Verfahren hin geprüft werden. Die biomechanisch begründete Orthesentechnik hat einen wesentlichen Stellenwert im konservativen Programm.

Operative Therapieverfahren

Auch die chirurgischen Behandlungsverfahren müssen nach ihrer jeweiligen Wirkungsweise ausgewählt werden. Wenn die Indikation und das Behandlungsziel festgelegt sind, stellt die Wahl der Operationsmethode(n) keine größere Kunst dar. Man muss sich darüber im Klaren sein, welche Methode (oder -kombinationen) am ehesten geeignet ist, das gesteckte Ziel zu erreichen, und welche etwaigen Hürden damit verbunden sein können („methods change, principles remain“, Mosca 2014).
Zunächst werden Weichteil- von Skelettoperationen unterschieden. Diese beiden Gruppen können wie folgt in weitere Untergruppen gegliedert werden:
a.
Weichteiloperationen
  • Muskelverlängerungen
  • Sehnenverlängerungen
  • Sehnenversetzungen oder -transfers
  • Sehnenraffungen
  • Kapsulotomien und Kapselraffungen
  • Bandrekonstruktionen
  • Kombinationen aus diesen Techniken
 
b.
Skelettoperationen
  • Osteotomien in 1, 2 oder 3 Ebenen (isoliert oder kombiniert)
  • Arthrodesen (subtraktiv, additiv oder konturerhaltend)
  • Arthrorisen (Gelenkanschlagssperren)
  • Gelenkreponsitionen
  • Knochenresektionen
  • Arthrolysen
  • Arthroplastiken
  • Wachstumslenkungen (Epiphyseodesen)
 
Jede dieser Operationsmethoden hat ihren eigenen Wirkungsbereich (z. B. korrigierend, reponierend, schwächend und detonisierend, kräftigend, gelenkzentrierend, stabilisierend). Die Indikation, das Operationsziel und die Operationsmethode müssen deshalb entsprechend kongruent sein. Es ist auch stets daran zu denken, dass eventuell proximal gelegene Gelenkdeformitäten korrigiert werden müssen, entweder simultan mit der Fußoperation oder vorausgehend, nicht jedoch nachgeschaltet, da ein plantigrader Fuß eine lotrechte Beinachse erfordert.
Beim Kinderfuß sind an die Implantate für eine Osteosynthese geringere Ansprüche zu stellen als beim Erwachsenen. Die gute Knochenqualität und die rasche Heilung erlauben es, die meisten Osteotomien oder Arthrodesen temporär mit Kirschner-Drähten zu stabilisieren. Die Heilung ist nahezu stets nach 6 Wochen so weit fortgeschritten, dass man nach Röntgenkontrolle und Entfernung der Drähte auf einen Gehgips oder eine maßgefertigte Orthese übergehen kann.
Nur bei Jugendlichen mit höherem Körpergewicht (z. B. bei Plattfußrekonstruktionen) oder bei schlechter Knochenqualität (z. B. im Rahmen von syndromalen oder neurogenen Deformitäten) sollten auch winkelstabile Plättchen zur Verfügung stehen.
Die Art der Nachbehandlung orientiert sich an der Qualität und der intrinsischen Stabilität der operativen Korrektur sowie an der Mitarbeit des Patienten. Sie hat immer auch einen überaus wichtigen Einfluss auf das Ergebnis. In der Regel wird man bei Kindern wegen der größeren Aktivität eher etwas vorsichtiger bleiben und eine Gipsruhigstellung bevorzugen, gefolgt von einer temporären Orthesenphase für 6–12 Monate als Schutzmaßnahme.

Knicksenkfuß

Die operativen Möglichkeiten für die Korrektur von Knicksenkfüßen sind überaus vielfältig. Um eine gewisse Systematik zu beschreiben, lassen sich knöcherne, weichteilige und kombinierte Operationen differenzieren. Nach ihrem Wirkungsgrad kann man außerdem versteifende, bewegungsbegrenzende und stellungskorrigierende Verfahren unterscheiden. Die Kunst ihrer Anwendung liegt mehr in der sorgfältigen Indikationsstellung und der umfassenden Berücksichtigung der Teilkomponenten der Deformität als in der technischen Durchführung der Operationen. Bei korrekter Indikation sind in jedem Falle bei idiopathischen Knicksenkfüßen gelenkerhaltende und bewegungsbegrenzende (= Arthrorise) Techniken zu bevorzugen, da damit die physiologischen Fußfunktionen (weitgehend) erhalten bleiben (Abb. 14).

Klumpfuß

Bei der Behandlung des idiopathischen Klumpfußes hat sich im letzten Jahrzehnt durchgängig die Ponseti-Methode als eine Kombination aus konservativen und operativen Maßnahmen etabliert (Hossain und Davis 2017). Ihre Grundsätze sind logisch aufgebaut und ihre Anwendung erfordert einen überschaubaren technischen Aufwand. Sie besteht aus einer vorbereitenden Serie von Oberschenkelredressionsgipsen, gefolgt von einer Achillotenotomie und anschließender kurzer Gipsversorgung und einer mehrjährigen Orthesentragedauer für die Nacht. Einzig die konsequente Umsetzung über mehrere Jahre mit einer relativ langen konservativen Behandlungsdauer sind limitierend und können nur bei geeigneten Patienten befriedigende Ergebnisse erzielen. Dies schränkt den Einsatzbereich in Ländern der Dritten Welt ein. Für sogenannte atypische, sehr rigide Klumpfüße und sekundäre Klumpfüße aufgrund anderer Ursachen (z. B. neurogene Dysmelie) hat sich diese Methode allenfalls als vorbereitende Maßnahme etabliert (Hossain und Davis 2017). Deshalb muss man sich als Behandler immer auch andere Wege, wie die operative Rekonstruktion, offenhalten (Abb. 15) (Thompson und Abaza 2010).
Die klassischen, relativ ausgedehnten Repositionsoperationen haben für den angeborenen Klumpfuß als dorsomediales und peritalares Release nur mehr in ausgeprägten und therapieresistenten Fällen ihre Berechtigung. Der Anwendungsbereich für die Ponseti-Therapie hat sich hingegen erweitert und wurde mittlerweile immer mehr nach oben verschoben, sodass sogar Patienten bis zum 8. Lebensjahr erfolgreich damit behandelt werden konnten. Knöcherne Korrekturen kommen bei ausgeprägten Fehlstellungen von primär unbehandelten oder schwer rezidivierenden Klumpfüßen zum Einsatz (Abb. 16). Ihr Ziel ist es jeweils, eine korrekte Stellung der Rückfußknochen zueinander sowie eine ausreichende Restmobilität und Muskelkraft umzusetzen. Jede operative Klumpfußkorrektur muss von einer konservativen Weiterbehandlung begleitet werden.

Spitzfuß

Das operative Vorgehen für einen Spitzfuß ist spezifisch auf die jeweilige Spitzfußätiologie und -form auszurichten. Der überwiegende Anteil wird durch Verlängerungsoperationen an der Wadenmuskulatur entweder proximal (Baumann-Operation) oder distal (Achillessehnenverlängerung) vorgenommen. Eine Fußheberschwäche muss ebenso wie eine eventuelle Vorfuß-Spitzfuß-Komponente in gleicher Sitzung operiert werden. Spitzfüße infolge struktureller Veränderungen des Rückfußskeletts sind knöchern zu behandeln (z. B. Fußkeilentnahme oder Lambrinudi-Operation).
Die Ilisarov-Quengel-Behandlung von strukturellen Spitzfüßen wird durch weichteilige Operationen erleichtert. Sie kann naturgemäß keine gute Restbeweglichkeit liefern und ist deshalb eher als Palliativverfahren geeignet.
Die Nachbehandlung nach Korrekturoperationen von kindlichen Fußdeformitäten ist relativ einheitlich. Weichteiloperationen erhalten Unterschenkelgehgipse für 4–6 Wochen, gefolgt von Funktions- und Lagerungsorthesen für 6–12 Monate, knöcherne und Gelenkoperationen werden für 6 Wochen im Unterschenkelliegegips ruhiggestellt. Anschließend sind Funktions- und Lagerungsorthesen für 9–12 Monate notwendig.
Nahezu jede Operation stellt nur einen Teilschritt im Behandlungsprogramm dar, das durch konservative Techniken ergänzt werden muss. Da in vielen Fällen eine einzelne Operationsmethode nicht ausreicht, um alle Komponenten einer Deformität vollständig zu korrigieren, sollte man sich einen „Werkzeugkasten“ von verschiedenen, häufig geübten Verfahren bereithalten, aus dem man dann zielorientiert die jeweils in Betracht kommenden Maßnahmen auswählt. Indikation, Behandlungsziel und Operationsmethode sind aufeinander abzustimmen.

Ergebnisevaluation

Die Beurteilung des erreichten Behandlungsergebnisses muss mehrdimensional sein und soll sich am vorab festgelegten Operationsziel ausrichten. Die resultierende Fußstellung und die damit verbundene Funktion (klinisch und radiologisch) können nur Teilaspekte liefern. Es kommt immer auch auf die erreichten Verbesserungen in den täglichen Aktivitäten und bei der sozialen Teilhabe an, die in den ICF-Komponenten Struktur-Funktion-Aktivität und Teilhabe verwirklicht sind. Schließlich existieren verschiedene Evaluationsinstrumente und Fußfunktionsbögen, von denen man den für seine Zwecke jeweils am besten passenden auswählen sollte (Simons 1994).
Die Nachuntersuchungsperiode hat besonders auch beim Kinderfuß wegen seiner enormen Wachstumsdynamik (Dimeglio 1998) einen wichtigen Stellenwert. Ein ursprünglich schönes Resultat kann mit der Zunahme von Körpergröße und Körpergewicht durchaus wieder verlorengehen, ebenso besteht bei neuromuskulären Störungen die Gefahr, dass unerwartete Veränderungen im positiven wie im negativen Sinne eintreten. All dies macht es nachvollziehbar, dass die Patienten in einigermaßen regelmäßigen Abständen während ihrer Wachstumsperioden nachkontrollieren werden müssen.
Bei Fußkorrekturen im Rahmen einer progredienten Grunderkrankung sind maximal 12-monatige Intervalle ratsam, bei gesunden Patienten 12- bis 18-monatige Abstände. Es sei hier erneut darauf hingewiesen, dass nur mit einer sorgfältigen Verlaufsdokumentation die Abschätzung von Veränderungen möglich ist.
Die Beurteilung des Behandlungsergebnisses sollte neben dem lokalen Befund auch allgemeine Aspekte wie die soziale Teilhabe und die Lebensqualität beinhalten. Wegen der Wachstumseinflüsse können Kontrollintervalle die längerfristigen Effekte dokumentieren.

Probleme und Komplikationen von Operationen am Kinderfuß

Keine Operation ist ohne Komplikationsrisiko. Probleme sind immer möglich und pflegen auch unerwartet aufzutreten. Dies ist bereits bei der Indikationsstellung zu bedenken.
Leider setzen sich Chirurgen nur ungern mit Fehlschlägen auseinander. Insbesondere die Ursachen für Probleme werden gerne verdrängt. Howard Steel (1980) bemerkte hierzu: „There is no known disease that surgery cannot make worse.“
Eine Operation kann dementsprechend Licht- und Schattenseiten haben, was jeden Chirurgen dazu ermutigen sollte, Fehler zu erkennen, zu analysieren und daraus zu lernen.
Nach Dindo (2004) lassen sich leichte, mittelschwere und schwergradige Probleme unterscheiden. Aus unserer Sicht sollten auch temporäre und permanente Probleme benannt, analysiert und behandelt werden. Durch unsere Probleme lernen wir mehr als durch unsere Erfolge. Freeman Miller (pers. Mitt.) bemerkt zurecht: „Every surgeon who does not follow his patients has good results.“
Die Komplikationen können in Über-, in Unter- und in Fehlkorrekturen eingeteilt werden. Entscheidend sind immer das Erkennen und das rechtzeitige Handeln, denn Probleme lösen sich nahezu nie von selbst, sondern haben eher die Tendenz, sich unbehandelt zu verschlimmern. Für die Problemlösung gilt ebenso wie für die Ausgangsdeformität, einen detaillierten Befund zu erstellen und ein Behandlungsziel festzulegen. Erst dann können die meist notwendigen operativen Schritte ausgewählt werden.
Für schwierige Fälle sollte man sich nicht scheuen, ggf. eine Zweitmeinung einzuholen. Auch nach einer sachgerechten Korrektur von Komplikationen kommt der temporären konservativen Nachbehandlung einschließlich der individuellen Orthesenanpassung ein wichtiger Stellenwert zu, um das Resultat zu schützen. Verlaufskontrollen sind analog zur Primärkorrektur zumindest für die Zeit des Wachstums unverzichtbar.
Probleme nach Knicksenkfußkorrekturen sind selten und meistens gut beherrschbar. Unterkorrekturen oder Rezidive müssen meistens erneut operiert werden, Überkorrekturen immer.
Beim Klumpfuß sind vor allem die Rezidive gefürchtet, da sie oftmals einen größeren therapeutischen Aufwand benötigen. Im Falle einer fehlgeschlagenen Ponseti-Therapie sollte kritisch hinterfragt werden, ob man dieses Verfahren erneut anwenden oder auf andere operative Maßnahmen zurückgreifen sollte. Überkorrekturen kommen besonders nach offenen Klumpfußoperationen vor und stellen eine Kombination aus verschiedenen Komponenten dar (Abb. 17).
Beim Spitzfuß ist neben der Rezidivgefahr vor allem das Risiko der überdosierten Operation bedeutsam. Spastische Spitzfüße sind besonders gefährdet. Es ist weitaus schwieriger und aufwendiger, einen nach Spitzfußoperation entstandenen Hackenfuß zu korrigieren als ein Spitzfußrezidiv. Eine postoperative Orthesenversorgung ist notwendig.
Komplikationen und Probleme nach operativen Korrekturen können auch im Kindesalter auftreten. Sie sind bereits bei der Indikationsstellung und bei der Auswahl der Methode zu bedenken. Neben den bekannten Komplikationen der Unter-, der Über- und der Fehlkorrektur kann es auch zu sekundären Veränderungen durch Wachstumseinflüsse kommen. Man erkennt sie nur, wenn man seine Patienten nachkontrolliert. Meistens werden erneute Operationen nach detaillierter Planung erforderlich, um die Hindernisse zu beseitigen. Orthesen und weitere Nachkontrollen sind immer notwendig.

Diagnose- und Therapiealgorithmen

In die Tab. 3 können die Diagnosen eingetragen werden, die Therapiealgorithmen sind in den Abb. 1819 und 20 dargestellt.
Tab. 3
Diagnosen
Befund
Region
OSG
TC
TN+CC
NC
TMT
MTP
PIP+DIP
Deformität
       
Instabilität
       
Schwäche
       
       
Bewegungseinschränkungen
       
Sagittal
       
Frontal
       
Transversal
       
CC, Calcaneocuboidgelenk; MTP, Metatarsophalangealgelenke; NC, Naviculocuneiformgelenk; OSG, oberes Sprunggelenk; PIP+DIP, proximale/distale Interphalangealgelenke, TC, Talus/Calcaneus; TMT, Tarsometatarsalgelenke (Lisfranc); TN, Talonaviculargelenk

Zusammenfassung

Die Deformitäten des Kinderfußes sind äußerst vielgestaltig und infolge der Wachstumsdynamik auch in ihren Erscheinungsformen und Auswirkungen vielfach wechselnd. Nur mit der Kenntnis der normalen Entwicklung und ihrer Spielbreite sowie der mannigfaltigen Störungsmöglichkeiten ist es möglich, behandlungspflichtige Befunde und Normvarianten gegeneinander abzugrenzen.
Ein sich jeweils darstellender Befund ist meistens nur als Momentaufnahme in einem kontinuierlich sich fortentwickelnden Prozess zu sehen. Deshalb kommt einer systematischen und umfassenden Befunddokumentation gerade auch bei den kindlichen Fußdeformitäten ein wichtiger Stellenwert zu. Die Indikation zur Therapie muss zielgerichtet sein. Man sollte sich dabei immer fragen, wie der weitere Verlauf einer vorliegenden Deformität voraussichtlich ohne eine Behandlung wäre. Die Auswahl der Behandlungsmethode(n) wird in den meisten Fällen mehrdimensional als Kombination verschiedener Techniken geübt. Jedes Verfahren muss dazu in ihrem Indikations- und Wirkungsbereich auf die vorliegende Zielsetzung hin abgestimmt werden.
Die Heilung nach einer Operation bereitet beim wachsenden Skelett kaum jemals Schwierigkeiten. Allerdings sind für die Nachbehandlung vielfach schützende Orthesen in Korrekturstellung als vorübergehende Maßnahme bzw. bei einem hohen Rezidivrisiko bis zum Wachstumsabschluss notwendig.
Wegen der Wachstumsdynamik ist bei allen ausgeprägten Fußdeformitäten, auch wenn sie zunächst erfolgreich behandelt werden konnten, eine regelmäßige Überprüfung des Resultats in etwa jährlichen Abständen empfehlenswert. Dazu gehört eine sorgfältige und umfassende Verlaufsdokumentation. Die klinische Beschreibung sollte durch entsprechende Bilddokumentationen in standardisierter Weise ergänzt werden.
Schließlich muss noch darauf hingewiesen werden, dass bei allen Fußdeformitäten die proximalen Gelenkregionen für die Diagnostik und die Therapie nicht vergessen werden dürfen.
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