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Uroonkologie
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Publiziert am: 04.12.2019

Pharmakoökonomie: Ökonomie und Medizin

Verfasst von: Ralph Tunder und Vivienne Dierkes
Zwischen einer hohen gesamtgesellschaftlichen Zahlungsbereitschaft einerseits und einer nur eingeschränkten gesamtgesellschaftlichen Zahlungsfähigkeit für Gesundheitsleistungen andererseits klafft in Deutschland eine große Lücke. Trotz der Verankerung des ökonomischen Anspruches an die medizinische Leistungserbringung in der Gesetzgebung, bewirkt das Begriffspaar Ökonomie und Medizin in großen Teilen der Öffentlichkeit Irritationen und Ablehnung. Tatsächlich eröffnet ein werturteilsfreier Umgang mit der Ökonomie jedoch neue Perspektiven hinsichtlich einer zielgerichteten Ressourcenverteilung, da ökonomisches Handeln auf die Moderation zwischen unbegrenzten Bedürfnissen einerseits und begrenzten Ressourcen andererseits abzielt. In diesem Sinne verstehen sich die Bemühungen zur Effizienzsteigerung im deutschen Gesundheitswesen als eine Konvergenz von ökonomischer und medizinisch-ethischer Rationalität.

Spannungsfeld ökonomischer und medizinisch-ethischer Rationalität

Das Bedürfnis nach Gesundheit ist unendlich. Die Ressourcen, dieses Bedürfnis zu befriedigen, sind begrenzt. Während der medizinisch-technische Fortschritt in diesem Kontext einerseits gesundheitliche Probleme löst und damit das Bedürfnis nach Gesundheit befriedigt, fördert er andererseits durch eine verbesserte Diagnostik und Behandlung die Schaffung zusätzlicher Bedürfnisse. Die finanziellen Ressourcen des Gesundheitssystems sind jedoch begrenzt, weshalb der Gesetzgeber die medizinische Versorgung einem Wirtschaftlichkeitsgebot unterstellt: Nach § 12 SGB V müssen medizinische Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich erbracht werden. Trotz der Verankerung des ökonomischen Anspruches an die medizinische Leistungserbringung in der Gesetzgebung, bewirkt das Begriffspaar Ökonomie und Medizin in großen Teilen der Öffentlichkeit Irritationen und Ablehnung. Die sogenannte Ökonomisierung der Medizin wird als Fluch und Einzug des neoliberalen Paradigmas in die Gesundheitsversorgung betrachtet (Dohmen und Fiedler 2015). Tatsächlich eröffnet ein werturteilsfreier Umgang mit der Ökonomie jedoch neue Perspektiven hinsichtlich einer zielgerichteten Ressourcenverteilung, da ökonomisches Handeln auf die Moderation zwischen unbegrenzten Bedürfnissen einerseits und begrenzten Ressourcen andererseits abzielt. Diese moderierende Aufgabe der Ökonomie in der medizinischen Versorgung hat zweifelsfrei ihre Berechtigung, sofern sie sich am Patientenwohl ausrichtet. Ökonomisierung ist somit nicht an sich schlecht, solange „der zu maximierende Patientennutzen beziehungsweise die Patientenpräferenzen auch gemessen werden können“ (Mühlbacher 2017). Es ist in der Konsequenz unerlässlich eine Vorgehensweise zur objektiven Messung der Relation von Ressourcenverwendung und Patientennutzen für relevante Behandlungsverfahren zu definieren. Allerdings stellt letzteres die Problematik der Ökonomisierung dar: Wie lassen sich Nutzen und Präferenzen der Patienten objektiv messen?
Der transzendentale und konditionale Charakter des Gutes Gesundheit erschwert die objektive Einschätzung der Wirtschaftlichkeit medizinischer Versorgung. Während die Frage nach einem ethisch vertretbaren Umgang mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot aus diesem Grund unbedingt in die Diskussion einbezogen werden muss, lässt sich ebendiese jedoch nicht ohne weiteres beantworten (Marckmann 2010). Sie wird auch an dieser Stelle nicht weiter beleuchtet. Die Notwendigkeit einer Ausgabenkontrolle für die Förderung, den Erhalt und die Wiederherstellung der Gesundheit bleibt davon unberührt. Zwischen einer hohen gesamtgesellschaftlichen Zahlungsbereitschaft einerseits und einer nur eingeschränkten gesamtgesellschaftlichen Zahlungsfähigkeit für Gesundheitsleistungen andererseits klafft in Deutschland eine große Lücke (Schöffski 2007). Demnach ist es zwingend notwendig, Entscheidungen hinsichtlich konkurrierender Bedürfnisse zu treffen (Bernholz und Breyer 1993), wobei Gesundheitsleistungen nicht nur untereinander konkurrieren, sondern auch gegenüber anderen konditionalen Gütern, wie Bildung, Umwelt oder Sicherheit. Finanzielle Mittel, die für die gesundheitliche Versorgung eingesetzt werden, fehlen zur Finanzierung anderer Bedürfnisse. Dieser Wirkungszusammenhang verlangt nach einer umfassenden Identifikation der zur Verfügung stehenden Ressourcen, um potenzielle Kriterien der Mittelverwendung charakterisieren und einen angemessenen Umgang mit der Mittelknappheit gewährleisten zu können (Dolan und Olsen 2001).
Eine rein marktwirtschaftliche Mittelallokation setzt einen vollkommenen Wettbewerb der Anbieter und ausreichend informierte Nachfrager voraus, sodass (a) eine effektive, heißt präferenzorientierte und (b) eine effiziente, heißt kosten- bzw. erlöserzielende Güterbereitstellung und -verteilung generiert werden können. Was in der Konsumgüterwelt seine Berechtigung hat, ist nicht zwingend übertragbar auf den Gesundheitsmarkt: Während Patienten nicht vollständig informiert sind, stehen Anbieter nicht unbedingt in einem freien Wettbewerb zueinander. Sowohl ökonomische als auch ethische Gründe widersprechen einem rein marktwirtschaftlich ausgerichteten Gesundheitssystem. Die eingeschränkte Patientensouveränität als auch ungleiche Einkommensvoraussetzungen bedingen ein Marktversagen (Marckmann 2010).
Dieses potenzielle Marktversagen ist Grund für das Eingreifen des Staates in die Mittelallokation. In erster Linie steht der Staat vor der Herausforderung, die permanenten Kostensteigerungen zu dämpfen. Laut den Angaben des Statischen Bundesamtes beliefen sich die Gesundheitsausgaben in Deutschland im Jahr 2017 auf 375,6 Milliarden Euro oder 4544 Euro je EinwohnerIn. Dies entspricht einem Anstieg um 4,7 % oder 16,9 Milliarden Euro gegenüber 2016. Der Anteil der Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt lag bei 11,5 %. Als Antwort auf diese Entwicklung reguliert der Staat mit zwei ordnungspolitischen Maßnahmen: Dies sind (a) die Forderung nach Rationalisierungen zur Effizienzsteigerung oder (b) die Begrenzung der Leistungen in Form von Rationierungen und Priorisierungen. Als dritte Maßnahme besteht die Möglichkeit der Beitragserhöhung zur Finanzierung der Ausgaben durch den Staat. Im Kontext des gesamten Bundeshaushaltes und der gegenwärtigen Steuer- und Abgabenlast der Bürger sind allerdings weitere Mittelerhöhungen nur begrenzt vertretbar (Statistisches Bundesamt 2018).
Vor diesem Hintergrund werden Gesundheitsreformen durch die Öffentlichkeit wiederholt als Kostendämpfungsgesetze wahrgenommen. In der Tat scheint es als seien die Quellen der Effizienzreserven im deutschen Gesundheitssystem noch nicht versiegt. In diesem Sinne verstehen sich die Bemühungen zur Effizienzsteigerung als eine Konvergenz von ökonomischer und medizinisch-ethischer Rationalität. Während es aus ökonomischer Sichtweise notwendig ist, dass ein bestimmter Effekt mit möglichst geringem Aufwand erzielt wird, setzt das ethische Prinzip des Nichtschadens voraus, dass ein entsprechender Gesundheitszustand mit minimalen diagnostischen und therapeutischen Mitteln erzielt wird. Die durch das Prinzip der Effizienzsteigerung implizierten Wirtschaftlichkeitsreserven können jedoch bislang hinsichtlich ihrer Größenordnung und möglicher Einsparpotenziale nicht vollumfänglich definiert werden. Während somit die Wirtschaftlichkeitsreserven kaum exakt zu bestimmen sind, lässt sich zudem deren Abschöpfungsgrad nur tendenziell feststellen, weil entsprechende Rationalisierungseffekte schwer methodisch darzustellen sind. Strukturelle Veränderungen des Gesundheitssystems, als Grundvoraussetzung zur erfolgreichen Umsetzung von Rationalisierungsmaßnahmen, führen dazu, dass eine Reduktion des Mittelverbrauchs lediglich mit hoher zeitlicher Latenz und ohne Erfolgsgarantie erfolgen kann. Einsparungen sind bedingt durch die hohe Personalintensität im Gesundheitswesen als Basis für eine qualitativ hochwertige Versorgung zudem sehr begrenzt (Marckmann 2010).
Da weder die Mobilisierung von Effizienzreserven noch weitere Erhöhungen der Gesundheitsausgaben hinsichtlich der Überwindung der Mittelknappheit im deutschen Gesundheitswesen gesamtgesellschaftlich gewollt und damit politisch opportun sind, wird die Begrenzung des Leistungsumfangs in den gesetzlichen Krankenversicherungen (Rationierungen) unausweichlich. Vor dem Hintergrund der Zielsetzung den Zugang zu medizinisch nützlichen Maßnahmen und den damit in Verbindung stehenden positiven Effekt auf die Lebensqualität oder -erwartung der Patienten nicht zu rationieren, stellt dieser Ansatz jedoch keine Alternative dar (Marckmann 2010).
Eine Perspektiverweiterung zur Lösung des Spannungsfeldes ökonomischer und medizinisch-ethischer Rationalität geht vom Ansatz des sogenannten Value-Based Health Care (VBHC) aus. Die damit einhergehende nutzen- oder auch wertorientierte Gesundheitsversorgung zielt darauf ab, die Ergebnisse medizinischer Maßnahmen mit den zur Erzielung dieser Ergebnisse notwendigen Kosten ins Verhältnis zu setzen. Als Value definiert Porter in diesem Kontext „patient health outcomes per dollar spent“ (Porter und Teisberg 2006). Therapiemehrwert und -nutzen sowie die patientengerechte Versorgung stehen im Mittelpunkt der Betrachtung. Die kurzfristige Kostenersparnis durch Rationierungen soll mithilfe von langfristigen Kostensenkungsmaßnahmen abgelöst werden. Entsprechende langfristige Einsparpotenziale werden über optimierte Leistungen und eine Fokussierung auf das bestmögliche Behandlungsergebnis erzielt (Porter und Guth 2012).

Grundlagen pharmakoökonomischer Studien

Ordnungspolitische Einordnung

Im Vergleich zu den internationalen Standards wurde der ordnungspolitische Rahmen des deutschen Gesundheitssystems vergleichsweise spät um die Berücksichtigung von Outcomes medizinischer Verfahren erweitert. Unter der Bezeichnung Health Technology Assessment (HTA) haben sich entsprechende Analysen seit 2004 auch in Deutschland etabliert. HTA umfasst die systematische Evaluierung und Bewertung gesundheitsrelevanter Technologien. Unter dem Begriff der medizinischen Technologie werden alle Maßnahmen subsumiert, die auf die Diagnose, Behandlung und Prävention von Erkrankungen abzielt – medizinische Technologie umfasst somit sowohl Arzneimittel als auch chirurgische Verfahren oder Diagnostika (Widrig 2015).
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) koordiniert als oberstes Entscheidungsgremium sämtliche HTA-Prozesse und setzt in diesem Zusammenhang Prioritäten für die Auswertung, bestellt und bewertet Gutachten und formuliert Empfehlungen zur Aufnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV). In Deutschland sind zwei separate Agenturen mit der Koordination der notwendigen Daten betreut, auf deren Grundlage die Entscheidungen des GB-A getroffen werden. Während die Deutsche Agentur für Health Technology Assessment (DAHTA) für die Pflege eines HTA-Datenbanksystems verantwortlich ist, fungiert das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) als führendes HTA-Organ für die Konzeption von Berichten für den GB-A. Ergänzend wirkt das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIQ), das mit der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung im Gesundheitswesen betreut ist (The Economist Intelligence Unit Ltd. 2015).
Mit Inkrafttreten des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz im April des Jahres 2007 wurde die gesundheitsökonomische Evaluation im System der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland erstmalig im SGB V (§ 35 b SGB V) vorgesehen. Bedingt durch gesetzliche Änderungen im Rahmen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) im Januar des Jahres 2011 ergab sich eine Anpassung in der Zielstellung. Während eine vom IQWiG erstellte gesundheitsökonomische Evaluation für den GKV-Spitzenverband zuvor als Grundlage zur Festlegung eines Höchstbetrages für bestimmte Arzneimittel diente, unterstützte ebendiese im Rahmen des AMNOGs die Definition eines entsprechenden Erstattungsbetrages zur angemessenen Vergütung neu zugelassener Medikamente (§ 35b SGB V). Gemäß § 35b SGB V erfolgt eine gesundheitsökonomische Evaluation in diesem Zusammenhang nur auf Antrag und nur unter den Voraussetzungen, dass (a) im Rahmen der Preisverhandlungen zwischen Hersteller und GKV-Spitzenverband keine Einigung eintrat und der nach abgeschlossenem Schiedsverfahren festgesetzte Erstattungsbetrag nicht akzeptiert wird oder, dass (b) im Zusammenhang mit der Nutzenbewertung durch den G-BA für den betreffenden Wirkstoff kein Zusatznutzen bzw. keine therapeutische Verbesserung festgestellt werden konnte und in diesem Zuge eine gesundheitsökonomische Evaluation durch das pharmazeutische Unternehmen in Auftrag gegeben wird (Gemeinsamer Bundesausschuss 2018).

Begriffliche Abgrenzung

Der Vergleich von Kosten und Nutzen einer medizinischen Behandlungsalternative erfolgt in Deutschland über das Konzept der Effizienzgrenze. Im Gegensatz zum Incremental Cost-Effectiveness Ratio (ICER)-Ansatz, der angewendete durch andere HTA-Agenturen wie dem britischen National Institue for Health and Care Excellence (NICE) den Kostenunterschied zweier Behandlungsverfahren durch den Unterschied der Outcomes teilt, werden im Rahmen der Beurteilung der Behandlungsverfahren durch die Effizienzgrenze, sämtliche Optionen in einer Kategorie hinsichtlich des Verhältnisses von Gesamtnutzen zu den Gesamtkosten verglichen. Somit erfolgt eine indikationsbezogene Betrachtung der Therapien, die von der Definition indikationsübergreifender Schwellenwerte, die unter anderem im Rahmen der Methode der Quality Adjusted Life Years (QALYs) erfolgt, absieht. Es werden vielmehr Orientierungswerte für eine Weiterführung der Effizienzgrenze aus den bereits etablierten Therapien abgeleitet (IQWiG 2008). Einer entsprechenden Debatte über die Rationierung von Gesundheitsleistungen wird somit entgegengewirkt (The London School of Economics and Political Science 2013).
Die Methode der Effizienzgrenze unterstützt den GKV-Spitzenverband bei der Festlegung von Höchstbeträgen für Arzneimittel. Um eine zusätzliche finanzielle Belastung der Patienten zu minimieren, dürfen ebendiese Höchstbeträge nur für Arzneimittel festgelegt werden, die gegenüber anderen Therapien einen Zusatznutzen vorweisen. Arzneimitteln ohne zweckmäßige Alternative nehmen nicht an der Bewertung teil. Ein zweistufiges Verfahren unterstützt die Sicherstellung dieser Voraussetzungen: Nach Feststellung eines Zusatznutzens im Rahmen der nach Methoden evidenzbasierter Medizin durchgeführten Analyse des medizinischen Nutzens eines Arzneimittels (Stufe 1), erfolgt in einer zweiten Stufe die Ermittlung der Kosten und eine entsprechende Kosten-Nutzen-Bewertung (KNB). Die Ableitung und grafische Darstellung der Effizienzgrenzen basieren auf dem Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen. Anhand der grafischen Verbindung der Koordinaten der gegenüber anderen Alternativen effizienteren Therapien entsteht eine Grenzlinie, die eine übersichtliche Einordnung von Arzneimitteln hinsichtlich ihres Kosten-Nutzen-Verhältnisses erlaubt. Es wird unmittelbar deutlich, welche Medikamente aufgrund eines geringeren Nutzens aus der Versorgung genommen oder Preissenkungen unterzogen werden müssen (IQWiG 2008).
Als Grundlage der Ermittlung entsprechender Effizienzgrenzen werden pharmakoökonomische Studien als Teilgebiet gesundheitsökonomischer Evaluationen damit zunehmend relevant. Während gesundheitsökonomische Evaluationen als Überbegriff auf die ökonomische Bewertung des gesamten Spektrums medizinischer Maßnahmen abzielen, schließt die Pharmakoökonomie immer mindestens ein Arzneimittel ein. Nicht-vergleichende Studien betrachten in Form von (Krankheits-)Kostenstudien ausschließlich die im Rahmen einer bestimmten medizinischen Maßnahme entstandenen bzw. durch eine Krankheit verursachten Kosten. Vergleichende Studien hingegen beziehen zusätzlich den Faktor Nutzen der jeweiligen Maßnahme mit ein und bieten somit den notwendigen Mehrwert für Allokationsentscheidungen im Gesundheitswesen. Eine begriffliche Abgrenzung wird spätestens im Rahmen letzterer Studien essenziell, da sowohl die Interpretation des Begriffs Nutzen als auch die Definition von Kosten vielfältig und eine Differenzierung zwischen den Begrifflichkeiten Kosten-Nutzen-Bewertung und gesundheitsökonomischer Evaluation notwendig ist (Schöffski 2007).
Die englischsprachige Literatur grenzt die drei Begriffe efficacy, effectiveness und efficency voneinander ab. Während sich efficacy auf die klinische Wirksamkeit bei optimaler Indikation und Anwendung bezieht, beschreibt effectiveness die Wirksamkeit im klinischen Alltag. Letztere schließt in diesem Zusammenhang Einflussfaktoren wie mangelnde Compliance oder Verschwendung mit ein. Efficiency meint abschließend die optimale Produktion einer Gesundheitsleistung unter Rücksichtnahme der gegebenen Mittel (Fletcher et al. 1999).
Gesundheitsökonomisch wird zudem eine Differenzierung hinsichtlich der Kosten notwendig. Diese erfolgt zwischen direkten, indirekten, intangiblen und externen Kosten. Direkte Kosten umfassen sowohl medizinische als auch nichtmedizinische Aufwendungen: Während medizinische Kosten direkt bei der Gesundheitsversorgung im Gesundheitssektor entstehen, stehen nicht-medizinischen Kosten mit der Erbringung von Versorgungs- und Gesundheitsdienstleistungen in Verbindung und umfassen beispielsweise Kosten für Haushaltshilfen oder Betreuungskosten für Kinder. Indirekte Kosten hingegen werden durch Produktionsausfälle wie Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit bedingt. Kosten, die sich der unmittelbaren, monetären Bewertung entziehen, fallen unter die Begrifflichkeit intangibler Kosten – hierzu gehört beispielsweise der Verlust an Lebensqualität. Externe Kosten, welche beispielsweise im Rahmen von Krankenbesuchen durch Familienangehörige entstehen, können nicht in direkten Zusammenhang mit einer medizinischen Behandlung gebracht werden. Dies gilt nicht für zukünftige Kosten – diese entstehen in der Zukunft und werden bedingt durch Interventionen in der Gegenwart (Büscher und Gerber 2010).

Formen pharmakoökonomischer Studien

Unter dem Begriff pharmakoökonomischer Studien lassen sich verschiedene Studienformen abgrenzen, welche insbesondere die Kosten- und Nutzenkomponente unterschiedlich stark berücksichtigen. Welche Art und Vorgehensweise der Analyse gewählt wird, hängt stets vom Untersuchungsgegenstand und Zweck der Studie ab. Grundsätzlich sind zwei Arten von Studien zu unterscheiden:
  • Reine Kostenstudien (Cost-of-Illness Study, COI) dienen der Erfassung aller Kosten einer Erkrankung, um so den wirtschaftlichen Einfluss ebendieser zu beziffern. Diese Art der reinen Kostenbetrachtung dient etwa der GKV in der Abschätzung der zu verwendenden Ressourcen bei Präventionsmaßnahmen.
  • Den reinen Kostenstudien stehen Kosten-Nutzen-Analysen gegenüber. Diese umfassen, anders als vielfach im gängigen Sprachgebrauch angenommen, unterschiedliche Evaluationsmethoden, die sich dadurch auszeichnen, dass zwei alternative Behandlungsmethoden miteinander verglichen werden, indem ein inkrementelles Kosten-Nutzen-Verhältnis (ICER) gebildet wird (Schöffski 2007).

Kostenminimierungsanalyse, Kosten-Kosten-Analyse (Cost-Minimization Analysis, CMA)

Der CMA wird im Rahmen der Kosten-Nutzen-Analysen eine Sonderstellung zuteil. Sie geht von der Annahme aus, dass zwei Interventionen, die den gleichen Nutzen generieren, miteinander verglichen werden, um eine Entscheidung über das günstigere Kosten-Nutzen-Verhältnis auf Basis des Preises treffen zu können. In der Praxis ist die CMA kritisch zu bewerten, da der Nutzen zweier Maßnahmen vergleichsweise selten identisch ist, etwa bei Generika oder sich wie in vielen Fällen insbesondere hinsichtlich der Nebenwirkungen unterscheidet. Eine uneingeschränkte Vergleichbarkeit auf Basis der CMA ist daher nur begrenzt möglich. Vielmehr erscheint sie nur dann angemessen zu sein, wenn der äquivalente Nutzen a priori durch eine Äquivalenzstudie nachgewiesen wurde (Drummond et al. 2005).

Kosten-Nutzen-Analyse (Cost-Benefit Analysis, CBA)

Im Rahmen von Kosten-Nutzen-Analysen wird neben den Kosten auch der gesundheitliche Nutzen monetär bewertet, um schließlich das Verhältnis von Kosten und Nutzen monetär zur ermitteln. Konkret lassen sich zwei unterschiedliche Vorgehensweisen zur monetären Bewertung von Nutzen unterscheiden.
  • Der kostentheoretische Ansatz setzt die aufgrund der entsprechenden Intervention vermiedenen Behandlungskosten als direkten monetären Nutzen an. Gleichzeitig wird der indirekte Nutzen über die Vermeidung des Einkommensverlustes definiert. Dies stellt einen zentralen Nachteil dar, da die Einkommenshöhe in diesem Zusammenhang die Kosten stark beeinflusst.
  • Demgegenüber macht der Zahlungsbereitschaftsansatz Nutzen an dem Geldbetrag fest, den Patienten bereit sind für den entsprechenden Behandlungserfolg zu zahlen. Da relevante Beträge über Befragungen oder Verhaltensbeobachtungen erfasst werden, unterliegt dieses Vorgehen einem starken Unsicherheitsfaktor (Mangold 2011).
Während das Konzept der Berechnung eines medizinisch-therapeutischen Nettonutzens in der Theorie die Vergleichbarkeit von Maßnahmen unterschiedlichster konditionaler Güter ermöglicht, scheitert ebendieses Ideal in der Praxis an der vollumfänglichen, monetären Bewertung von Nutzen. So erweist sich die Umrechnung der Lebensqualität und Lebensdauer in Geldeinheiten als äußerst schwierig und ist dem Verdacht der Subjektivität ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund kommt die CBA in der Gesundheitsökonomie nur vereinzelt zum Einsatz.

Kosten-Wirksamkeits-Analyse (Cost-Effectiveness Analysis, CEA)

Im Rahmen von Kosten-Wirksamkeits-Analysen werden Kosten von Leistungen hinsichtlich einer eindimensionalen Wirkungsgröße, beispielsweise gewonnener Lebensjahre ermittelt. Der Nutzen wird in diesem Zusammenhang indikationsabhängig bestimmt: Dies kann beispielsweise anhand von Surrogat-Parametern oder patientenrelevanten Endpunkten erfolgen (Büscher und Gerber 2010). Der ökonomische Vergleich von Interventionen kann im Rahmen der CEA sowohl in Form der Berechnung des Kosten-Effektivitäts-Quotienten als auch anhand des inkrementellen Kosten-Effektivitäts-Verhältnisses erfolgen (Mangold 2011).
Der Kosten-Effektivitäts-Quotient gibt interventionsabhängig an, wie hoch die Kosten pro Einheit klinisch-therapeutischem Nutzens pro Patient sind. Klinisch-therapeutischer Nutzen bezeichnet in diesem Zusammenhang die Differenz zwischen der gesundheitlichen Veränderung mit bzw. ohne Intervention. Zur Berechnung des Kosten-Effektivitäts-Quotienten wird das Verhältnis aus den Kosten der Intervention zu ihrer Wirksamkeit gebildet. Grundsätzlich gilt, dass ein kleiner Kosten-Effektivitäts-Quotient ökonomisch vorteilhafter ist. Da die Berechnung des Quotienten jedoch pro Intervention erfolgt und somit ein interventionsübergreifender Vergleich der Nutzenverbesserung beim Patienten nicht direkt ersichtlich ist, ergibt sich keine hohe Aussagekraft (Mangold 2011). Dieser Punkt wird im Rahmen des inkrementellen Kosten-Effektivitäts-Verhältnisses, auch Incremental Cost-Effectiveness Ratio (ICER) berücksichtigt, da ebendieses die Zusatzkosten als auch den zusätzlichen Patientennutzen im Rahmen eines Interventionswechsels ins Verhältnis setzt (Mangold 2011).
Die CEA stellt das vergleichsweise einfachste und in Deutschland gängigste Modell der Kosten-Nutzen-Analyse dar. Sie bildet das inkrementelle Kosten Nutzen-Verhältnis zweiter Behandlungsalternativen ab, deren jeweiliger Nutzen klinischen Einheiten gemessen wird. Wie bei den zuvor dargestellten Verfahren, umfassen die Kosten solche für die Behandlung an sich, Ressourcenverbräuche oder Kosten im Rahmen von Komplikationen, wie Nebenwirkungen und Rückfälle (Drummond et al. 2005). Der Nutzen, d. h. die Wirksamkeit der Maßnahme, wird demgegenüber indikationsabhängig bestimmt, beispielsweise anhand von Surrogat-Parametern (Reduzierung der Blutfettwerte um x %) oder patientenrelevanten Endpunkten (Gewonnene Lebensjahre, verhinderte Ereignisse oder gewonnene Lebensqualität). Der Vorteil der CEA liegt darin, dass ein sensitives Effektivitätsmaß gewählt werden kann, das die Entscheidung über die zu wählende Behandlungsalternative vereinfacht (Büscher und Gerber 2010). Folgendes Beispiel soll die Methode der CEA darstellen:
  • Behandlungsalternative A:
    • Mortalitätsrate: 30 %
    • Überlebensrate: 70 %, davon
      • 80 % mit einer langen Lebenserwartung von 10 Jahren
      • 20 % mit einer kurzen Lebenserwartung von 2 Jahren
  • Behandlungsalternative B:
    • Mortalitätsrate: 15 %
    • Überlebensrate: 85 %, davon
      • alle mit einer mittleren Lebenserwartung von 5 Jahren
Die Berechnung des inkrementellen Kosten-Nutzen-Verhältnisses erfolgt anhand eines Entscheidungsbaumes im Rollback-Verfahren (vgl. Abb. 1). Demnach ergeben sich für die Effektivität der beiden Behandlungsalternativen folgende Werte:
  • Behandlung A: E (A) = (0,8 ∗ 10 + 0,2 ∗ 2) ∗ 0,7 + 0,3 ∗ 0 = 5,88
  • Behandlung B: E (B) = 0,85 ∗ 5 + 0,15 ∗ 0 = 4,25
Aufgrund der höheren Lebenserwartung der Therapie A gegenüber Behandlungsalternative B fällt die Entscheidung im genannten Beispiel unter Maßgabe der gewonnenen Lebensjahre als Entscheidungskriterium auf A. Das Beispiel wird im Folgenden um die Therapiekosten erweitert:
  • Kosten Behandlungsalternative A:
    • Therapiekosten: 60.000 €
    • Jährlicher Check-up: 1500 €
  • Kosten Behandlungsalternative B:
    • Therapiekosten: 8000 €
    • Jährlicher Check-up: keine Kosten
Analog zur Berechnung der Effektivität lassen sich nun auch die Kosten der beider Maßnahmen bestimmen (vgl. Abb. 2):
  • Behandlung A: K (A) = (0,8 ∗ (60.000 + 10 ∗ 1500) + 0,2 ∗ (60.000 + 2 ∗ 1500)) ∗ 0,7 + 0,3 ∗ 60.000 = 68.820 €
  • Behandlung B: K (B) = 0,85 ∗ 8000 + 0,15 ∗ 8000 = 8000 €
Folglich ergeben sich bei
Alternative A: 68.820 € für durchschnittlich 5,88 Jahre
und bei
Alternative B: 8000 € für durchschnittlich 4,25 Lebensjahre.
Das inkrementelle Kosten-Wirksamkeits-Verhältnis [ICER = (Kosten Intervention B − Kosten Intervention A)/(Nutzen Intervention B − Nutzen Intervention A)] entspricht demnach
$$ \left(\mathsf{68.820}\ \mathsf{\text{\EUR}}-\mathsf{8000}\ \mathsf{\text{\EUR}}\right)/\left(\mathsf{5},\mathsf{88}\ \mathsf{Jahre}-\mathsf{4},\mathsf{25}\ \mathsf{Jahre}\right). $$
Die CEA führt somit zu verständlichen Ergebnissen und erleichtert den direkten Vergleich der Kosteneffektivität zweier therapeutischer Maßnahmen. Einschränkungen ergeben sich allerdings insbesondere hinsichtlich ihrer Begrenzung auf einen einheitlichen Outcome-Parameter.

Kosten-Nutzwert-Analyse (Cost-Utility Analysis, CUA)

Im Rahmen der Kosten-Nutzwert-Analyse wird die Bewertung des Behandlungserfolges einer medizinischen Behandlungsmethode aus Patientensicht vorgenommen. Um Auswirkungen auf die Lebensqualität und -erwartung des Patienten zu berücksichtigen und die Normierung der Behandlungsergebnisse zu ermöglichen, werden aus unterschiedlich dimensionierten Ergebnisgrößen Nutzwerte ermittelt. Anschließend erfolgt die Gegenüberstellung der Nutzwerte mit den entsprechenden Kosten. Diese Vorgehensweise ermöglicht indikationsübergreifende Vergleiche innerhalb des Gesundheitswesens. Im Rahmen der Ermittlung entsprechender Nutzwerte findet das QUALY-Konzept wiederholt Anwendung (Schöffski 2007). Ein qualitätskorrigiertes Lebensjahr (QALY) bewertet ein Lebensjahr in Relation zur Gesundheit. Zur Ermittlung dieser Kennzahl werden die Aspekte Lebensquantität und -qualität multiplikativ verknüpft: Im ersten Schritt werden anhand einer Skala von 0 (= Tod) bis 1 (= vollständige Gesundheit) in Abhängigkeit der zugrunde liegenden Erhebungsmethode Nutzwerte ermittelt, welche die Höhe des Nutzenzugewinns der betroffenen Personen durch die Inanspruchnahme einer Intervention darlegen. Anschließend erfolgt die Multiplikation dieses Nutzwertes mit der Dauer (in Lebensjahren) des entsprechenden Zustandes (Drummond et al. 2005).
Durch Multiplikation des Nutzwertes der Dauer ergibt sich eine Größe, die schließlich den Vergleich unterschiedlicher Maßnahmen ermöglicht. Ist die Lebensqualität über den Beobachtungszeitraum respektive die restliche Lebenserwartung bestimmt worden, lässt sich ein inkrementelles Kosten-Wirksamkeits-Verhältnis bestimmen, das im Folgenden anhand eines vereinfachten Beispiels dargestellt werden soll (vgl. Abb. 3).
  • Vergleichstherapie A:
    • Kosten: 2000 €
    • Restlebenszeit: 1,5 Jahre
    • Lebensqualität reduziert um 50 % (Nutzwert: 1 − 0,5 = 0,5)
  • Innovative Therapie B:
    • Kosten 12.000 €
    • Restlebenszeit: 3 Jahre
    • Lebensqualität reduziert um 30 % (Nutzwert: 1 − 0,3 = 0,7)
Therapie A generiert 0,75 QALYs (1,5 Jahre ∗ 0,5), während die innovative Vergleichstherapie 2,1 QALYs (3 Jahre ∗ 0,7) erzielt. Die Inkrementalanalyse weist Therapie B demnach Mehrkosten in Höhe von 10.000 € bei einem inkrementellen Nutzenverhältnis von 1,35 QALYs zu. Hieraus ergibt sich schließlich, dass ein durch die innovative Therapie gewonnenes QALY 7407,41 € (10.000 €/1,35 QALYs) kostet.
Im Gesundheitssystems Großbritanniens werden therapeutische Maßnahmen anhand dieses Parameters direkt miteinander verglichen – der Schwellenwert, das Effizienzkriterium liegt dort bei ca. 30.000 £/QALY (Schöffski und Schumann 2007). Da Kosten-Nutzen-Bewertungen im deutschen Gesundheitswesen weiterhin indikationsabhängig vorgenommen werden, wird der QALY-Ansatz in der Praxis hierzulande ausgeschlossen (IQWiG 2012).
Für eine Anwendung von QALYs als Nutzenparameter spricht ohne Zweifel ihr indikationsübergreifender Charakter, der es ermöglicht die Wirksamkeit von Therapien miteinander zu vergleichen, die an unterschiedliche Patientengruppen gerichtet sind. Dem stehen jedoch berechtigte Zweifel gegenüber: Die Frage, ob ein gewonnenes QALY für einen jungen Menschen den gleichen Wert hat wie für einen hochbetagten Menschen, muss ebenso diskutiert werden wie die Frage, ob ein Lebensqualitätsgewinn von 0,1 in zehn Jahren (1 QALY) dieselben Lebensqualität widerspiegelt wie ein Jahr in vollkommener Gesundheit. Auch die Skalenintervalle werfen Zweifel am QALY-Ansatz auf: Während eine Verbesserung der empfundenen Lebensqualität von 0,1 auf 0,2 einen beträchtlichen Unterschied darstellt (+100 %), muss der tatsächliche Mehrwert einer gleichwertigen Verbesserung von 0,9 auf 1,0, vollständige Gesundheit (+11 %) hinterfragt werden. Hinzu kommt, dass die CUA als entscheidungstheoretisches Modell lediglich Angaben auf der Intervallskala von 0 bis 1 zulässt, obgleich praktisch auch individuelle Gesundheitszustände denkbar wären, die einen Wert < 0 begründen würden, beispielsweise in Fällen, in denen Patienten die Lebensqualität in Folge schwerer Krankheit schlimmer als den Tod erachten (Schöffski und Greiner 2007).

Krankheitskostenstudien (Cost-of-Illness Studies, COI)

Reine Kosten-Analysen umfassen ausschließlich den Input, also die Kosten einer definierten Maßnahme und ermitteln im Ergebnis, dass die entsprechende Behandlungsmethode x Währungseinheiten kostet. Es ist in diesem Zusammenhang möglich indirekte Kosten ein- oder auszuschließen. Entscheidungen für oder gegen die untersuchte Behandlungsmethode werden jedoch nur unter Einbezug weiterer Kosten-Analysen konkurrierender Behandlungsverfahren möglich – in diesem Fall handelt es sich um Kosten-Kosten-Analysen (Schöffski 2007).
Ein Spezialfall von Kosten-Analysen bildet sich in Form der in Deutschland häufig durchgeführten Krankheitskosten-Analysen ab. Diese verzichten auf eine Differenzierung nach alternativen medizinischen Behandlungsmethoden und ermitteln die direkten und indirekten Kosten für eine Krankheit als Ganzes. Ziel von Krankheitskosten-Studien ist demnach nicht die Auswahl der günstigsten Behandlungsalternative, sondern vielmehr die Verdeutlichung von quantitativen Relationen als Grundlage für eine rationale gesundheitspolitische Allkokationsdiskussion (Schöffski 2007).
Zusammenfassende Bewertung
Die ökonomische und medizinisch-technische Entwicklung des Gesundheitssystems gepaart mit der demografischen Entwicklung Deutschlands resultieren in der Notwendigkeit der kritischen Betrachtung von Behandlungsverfahren hinsichtlich ihrer ökonomischen Rationalität. In diesem Kontext erfährt die ökonomische Evaluation im Rahmen der Nutzenbewertung neuer Therapien einen starken Bedeutungszuwachs. Während die unterschiedlichen Verfahren zur ökonomischen Nutzenbewertung jeweils spezifische Vor- und Nachteile aufweisen, kann kein Verfahren den Anspruch vollständig objektiver und eindeutiger Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen erheben: So stellt beispielsweise das Kriterium gesteigerte Lebensqualität, die Patienten durch eine bestimmte Behandlungsweise erlangt haben, einen Bewertungsmaßstab dar, der gegenwärtig noch schwer quantifizierbar ist. Medizinisch-technische Entwicklungen, die sich im Zuge der Digitalisierung und im Rahmen personalisierter Medizin vermehrt ergeben, können in diesem Zusammenhang zukünftig Abhilfe schaffen, indem sie neben Fortschritten in der Patientenversorgung zusätzlich dazu beitragen, Lebensqualität skalierbar zu machen.
Die übergeordnete Fragestellung gilt jedoch der Identifikation medizinisch-ethischer Maßstäbe. Das Selbstverständnis der Ärzteschaft, das sich angelehnt an die Inhalte des hippokratischen Eides am individuellen Patientenwohl ausrichtet und aus diesem Grund die bestmögliche Behandlung vorsieht, geht häufig mit einer Ablehnung wirtschaftlicher Restriktionen einher – diese werden als Widerspruch zur ärztlichen Ethik gesehen: Durch eine Ökonomisierung der Medizin würde Gesundheit verstärkt als gewöhnliche Ware wahrgenommen werden. Dieser Sichtweise steht die Tatsache gegenüber, dass die gesundheitspolitische Bedeutung der ökonomischen Evaluationen medizinischer Behandlungsverfahren stetig zunimmt. Letztere Entwicklung führt dazu, dass sich die Ärzteschaft trotz intrinsisch motiviertem Widerstand verstärkt mit wirtschaftlichen Fragestellungen auseinandersetzt und damit dem Spannungsfeld ökonomischer und medizinisch-ethischer Rationalität einen konstruktiven Mehrwert zuführt. Die gesundheitspolitische Realität kann diesen Mehrwert gut gebrauchen.
Literatur
Bernholz P, Breyer F (1993) Grundlagen der Politischen Ökonomie: Theorie der Wirtschaftssysteme. Mohr Siebeck, Heidelberg
Büscher G, Gerber A (2010) Gesundheitsökonomische Evaluationen als Ansatz zur Steuerung der Ausgaben im Gesundheitswesen. In: Lauterbach K, Lüngen M, Schrappe M (Hrsg) Gesundheitsökonomie, Management und Evidence-based Medicine. Schattauer, Stuttgart
Dohmen A, Fiedler M (2015) Ökonomisierung im Gesundheitswesen: Betriebswirtschaftlicher Erfolg als Unternehmensziel. Dtsch Ärztebl 112(9):A-364, B-312, C-308
Dolan P, Olsen J (2001) Equity in health: the importance of different health streams. J Health Econ 20:823–834CrossRefPubMed
Drummond M, Sculpher M, Torrance G, O’Brien B, Stoddart G (2005) Methods for the economic evaluation of health care programmes. Oxford University Press, New York
Fletcher R, Fletcher S, Wagner E (1999) Klinische Epidemiologie. Ullstein Medical, Wiesbaden
Gemeinsamer Bundesausschuss (2018) Kosten-Nutzen-Bewertung nach § 35b SGB V. https://​www.​g-ba.​de/​institution/​themenschwerpunk​te/​arzneimittel/​kosten-nutzen. Zugegriffen am 24.10.2019
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