Erythropoetin lässt Hirnverletzungen nicht besser ausheilen

Eine große internationale Studie zu den neuroprotektiven Wirkungen von Erythropoetin nach traumatischen Hirnverletzungen, „Erythropoietin in traumatic brain injury“ (EPO-TBI), ist großenteils negativ verlaufen. Ein Mittel, mit dem sich die neurologischen Ergebnisse für hirnverletzte Patienten verbessern lassen, wird händeringend gesucht. Ein möglicher Kandidat ist das Glykoproteinhormon Erythropoetin (Epo), das unabhängig von seinen Aufgaben bei der Blutbildung neurozytoprotektiv wirkt. In Tiermodellen von Schädel-Hirn-Traumen (SHT) hat Epo geholfen, die funktionellen Resultate zu verbessern. In Studien mit menschlichen SHT-Patienten zeigte sich unter Epo eine Reduktion der Mortalität; zugleich war die Thromboembolierate erhöht. Was die funktionellen Ergebnisse betrifft, konnte in einer Phase-2-Studie kein Vorteil einer Epo-Gabe nachgewiesen werden. Erythropoetin versus Placebo An der doppelblinden, placebokontrollierten EPO-TBI-Studie waren 29 Zentren in sieben Ländern beteiligt. Deutschland war mit der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität vertreten. Einbezogen waren 606 Patienten mit mäßigen bis schweren Hirnverletzungen (Glasgow-Coma-Score 3–12). 308 erhielten einmal wöchentlich 40.000 Einheiten Epo s.c., wobei die dreimalige Gabe das Maximum darstellte. 298 Patienten wurde stattdessen ein Kochsalz-Placebo injiziert. Die Daten von 596 Patienten waren für die Endauswertung verfügbar. Hier stellte sich heraus, dass Epo den Anteil der Patienten mit schwerer oder sogar schwerster Beeinträchtigung sechs Monate später nicht signifikant zu senken vermochte. 44% der Patienten in der Epo- und 45% jener in der Placebogruppe wiesen einen Wert von 1 bis 4 auf der Extended Glasgow Outcome Scale auf. Die Unterschiede in der Thromboserate (16% vs. 18%) waren ebenfalls nicht relevant. Patienten mit hohem Thromboserisiko waren aber von der Teilnahme an EPO-TBI ausgeschlossen gewesen. Mortalitätsreduktion in Subgruppe Auch in der Gesamtmortalität (11% vs. 16%) während des ersten halben Jahres der Nachbeobachtung ergaben sich zunächst keine statistisch erheblichen Unterschiede. Ein Abgleich nach der Schwere der Hirnverletzung zeigte aber, dass die Epo-Gabe die Mortalität von SHT-Patienten um rund 40% senkt. Statistische Signifikanz erreichte dieser Effekt in der Gruppe jener 479 Patienten mit diffusen Verletzungen ohne intrakranielle Massendefekte (CT-Klassifikation nach Marshall I, II, III oder IV). In einem Kommentar zur EPO-TBI-Studie weisen der Anästhesist David Menon und der Neurochirurg Andrew Maas von der University of Cambridge (Vereinigtes Königreich) darauf hin, dass die niedrigere Mortalität in der Gruppe der Epo-Patienten weniger auf Neuroprotektion als vielmehr auf Wirkungen hinsichtlich extrakranieller Verletzungen zurückzuführen sein dürfte. Hoffen auf Epo-Mimetika Nur rund die Hälfte der Patienten der Studie hatte die zweite Epo-Dosis erhalten, die dritte sogar nur noch gut jeder Vierte. Generell habe die Dosierung nur ein Zehntel derjenigen betragen, die in experimentellen Modellen nervenzellschützend wirken würde, so Menon und Maas. Solch hohe Dosen müssten zudem täglich verabreicht werden – aufgrund der Gefahr thrombotischer Komplikationen ist eine solche Dosierung in der Praxis ausgeschlossen. Die beiden Mediziner aus Cambridge setzen ihre Hoffnungen daher auf neuartige Epo-mimetische Moleküle, die zellprotektiv, aber womöglich nicht prothrombotisch wirken.

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