Vor allem exzessives Sporttreiben kann auch mit psychischen Risiken verbunden sein. Psychische Störungsbilder wie Depression oder Burnout werden am häufigsten bei jungen Athletinnen beschrieben, die Prävalenz unterscheidet sich jedoch kaum zwischen Sportlern und Nichtsportlern [
46]. Bezogen auf den Breitensport gibt es Ausübungsmotive, die ungesunde psychische Faktoren begünstigen können. Im Gegensatz zur Sportmotivation aus gesundheitlichen Gründen haben Personen, die Sport treiben, um eine Verbesserung ihres äußeren Erscheinungsbildes zu erreichen, ein höheres Risiko für Körperunzufriedenheit, geringeren Selbstwert, geringeres Wohlbefinden und die Entwicklung eines gestörten Essverhaltens [
44]. Dieser Aspekt könnte in der Zukunft aufgrund der intensivierten Nutzung sozialer Medien eine weitere Verschärfung erfahren.
Essstörungen
Athleten sind stärker als Nichtsportler gefährdet, an Essstörungen zu erkranken, wobei sich Essstörungen, wie Anorexia nervosa und Bulimia nervosa, nicht nur bei Athletinnen, sondern auch bei Athleten zeigen [
45]. Menschen, die an Anorexia nervosa leiden, legen eine sehr niedrige Gewichtsschwelle für sich selbst fest und führen gezielt Gewichtsverluste herbei, um diese zu erreichen. Betroffene leiden unter einer tiefsitzenden Angst, dick zu werden, wobei der Body Mass Index weniger als 17,5 kg/m
2 beträgt. Personen mit Bulimie zeigen abwechselnd Phasen mit erhöhter Nahrungszufuhr und der Kontrolle des Körpergewichts. Nach einer Essattacke wird mit unterschiedlichen Verhaltensweisen versucht, sich der kalorienreichen und als dickmachend bewerteten Nahrung wieder zu entledigen, beispielsweise durch selbst herbeigeführtes Erbrechen, Abführmittel, zeitweilige Hunger- und Fastenperioden, Einsatz von Appetitzüglern oder Sport.
Je nach Sportart ist die Prävalenz von Essstörungen bei Athleten unterschiedlich
Je nach Sportart ist die Prävalenz von Essstörungen bei Athleten unterschiedlich. Insbesondere in Sportarten, in denen durch Gewichtsreduktion ein Wettbewerbsvorteil erreicht werden kann (z. B. Ausdauersportarten wie Langstreckenlauf oder Sprungsportarten wie Skisprung), sowie in Sportarten mit Gewichtsklassen (z. B. Kampfsport) und ästhetischen Sportarten (z. B. Ballett oder Kunstturnen), zeigt sich eine erhöhte Prävalenz von Anorexia nervosa und Bulimia nervosa [
12,
19]. Konkrete Prävalenzraten reichen von 2 % in Ballsportarten bis zu über 40 % in ästhetischen Sportarten wie Kunstturnen [
19]. Bei diesen Sportarten wird empfohlen, das gesamte Betreuerteam auf Warnzeichen für Essstörungen zu schulen und die Bedeutung des Gewichts weniger stark in den Vordergrund zu rücken [
19]. Bezüglich der Behandlung von Essstörungen bei Athleten wird darauf hingewiesen, dass eine Stigmatisierung der Betroffenen vermieden und proaktiv mit essstörungsassoziierten Problemen innerhalb des gesamten Teams umgegangen werden sollte [
34]. Eine diagnostizierte Essstörung muss nicht zwangsläufig bedeuten, Athleten eine Teilnahme am Training und/oder an Wettkämpfen zu untersagen [
34]. Bei einer Entscheidung, ob Athleten das Training fortführen oder an Wettkämpfen teilnehmen können, sollte allerdings das entscheidende Kriterium die Gesundheit der Athleten sein.
Mit der Essstörung gekoppelt treten häufig körperliche und psychische Folgeerkrankungen auf, die in weiterer Folge zu einem Verlust der Leistungsfähigkeit führen können [
12]. Eine Besonderheit bei Athletinnen stellt dabei die Triade der sporttreibenden Frau dar, die neben einem gestörten Essverhalten Zyklusstörungen bis zum Ausbleiben der Periode und Osteoporose mit einhergehender Gefahr für Ermüdungsbrüche inkludiert [
6]. Die Prävalenz des Ausbleibens der Periode in der weiblichen Allgemeinbevölkerung beträgt zwischen 2 und 5 %, verglichen mit bis zu 69 % bei Sportarten, in denen Ästhetik und Gewicht eine leistungsrelevante Rolle spielt [
27]. Hat sich die Triade bereits manifestiert, ist die Behandlung zur Wiederherstellung der Knochendichte oft langwierig oder gar nicht mehr möglich, weshalb der frühen Intervention bei gestörtem Essverhalten eine wichtige Bedeutung beigemessen wird [
21].
Doch nicht nur weibliche, sondern auch männliche Leistungssportler können von einer Nährstoffunterversorgung betroffen sein. Das Modell zur Erfassung des relativen Energiedefizitsyndroms im Sport ist als Weiterentwicklung der Triade der sporttreibenden Frau zu betrachten, das Risikofaktoren für relative Energiedefizite von Leistungssportlern allgemein erfasst [
26]. Hierbei wird das relative Energiedefizit als Ursache für weitere Beeinträchtigungen wie Störungen der Stoffwechselfunktionen, der Menstruation, der Knochengesundheit, des Immunsystems, der Proteinsynthese und der kardiovaskulären Gesundheit gesehen [
26]. Psychische Beeinträchtigungen können dem Energiedefizit entweder vorangehen oder daraus resultieren.
Sportabhängigkeit
Einige Autoren sprechen unter bestimmten Voraussetzungen von einer Sportabhängigkeit [
9]. Zu diesen Voraussetzungen zählen depressive Verstimmungen, wenn keine Sportausübung möglich ist, eine andauernde gedankliche Beschäftigung mit der Sportausübung, Sporttreiben trotz negativer gesundheitlicher Folgen oder entgegen ärztlichem Rat und die Vernachlässigung sozialer Kontakte, um mehr Sport betreiben zu können [
9]. Empirische Daten in verschiedenen sportausübenden Populationen unterscheiden sich sehr stark und reichen, je nach Erhebungsmethode und Sportart, von 3–50 % [
25]. Da nur ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung überhaupt regelmäßig Sport betreibt, wird in der Gesamtbevölkerung von insgesamt geringen Prävalenzen ausgegangen (manifeste Störungsmerkmale: einer von 1000 Sportlern; behandlungsbedürftig: ca. einer von 10.000 Sportlern) [
9]. Andere Autoren vermeiden eine Pathologisierung intensiver Sportausübung und sprechen von Sportleidenschaft auf einem Kontinuum zwischen stimmiger und zwanghafter Form [
35]. Aus klinischer Sicht lässt sich bei eher zwanghafter Sportleidenschaft festhalten, dass speziell bei Läufern (auch im Hobbybereich) Stressfrakturen im Mittelfußbereich und bei Marathon- und Bergläufern zudem auch Überlastungsfrakturen im Fersenbein auftreten können. Typisch ist bei diesen Sportlern auch, dass das Training – gegen jede ärztliche Empfehlung – nach Überlastungsschäden zu früh wieder forciert wird, wodurch es wieder zu einer Fraktur ebendort kommen kann. Entsprechend ist daher die Ergänzung einer „klassischen Frakturbehandlung“ durch eine „psychologische Trainingsbegleitung“ empfehlenswert.
Substanzmissbrauch
Die wohl wichtigste Assoziation im Bereich Sport und Substanzmissbrauch stellt die illegale Verwendung von leistungssteigernden Substanzen mit dem Ziel eines besseren Abschneidens bei sportlichen Wettkämpfen dar. Dabei besteht ein nicht zu unterschätzendes Gesundheitsrisiko für Sportler. Die Prävalenzraten reichen in verschiedenen Sportarten von 10–78 % [
8,
15]. Die Wahrscheinlichkeit der Einnahme leistungssteigernder illegaler Substanzen steigt mit folgenden Charakteristika: Einnahme legaler Nahrungsergänzungsmittel, wahrgenommene soziale Normen im Sinne einer Dopingbefürwortung der Umgebung und eine positive Einstellung zu Doping [
31].
Substanzmissbrauch kann sich neben Doping auch auf Alkohol- und Drogenkonsum zum Zweck von Entspannung und Ablenkung beziehen. Allerdings zeigt sich keine eindeutige Tendenz, ob Sportausübung mit höherem oder niedrigem Alkoholkonsumverhalten assoziiert ist [
23,
28]. Athleten scheinen aber im Vergleich zu ihrer Alterskohorte weniger Marihuana, Kokain oder psychedelische Substanzen zu konsumieren [
13].