Kommentar
Diese Studie beschäftigt sich mit der Entwicklung eines Machine-Learning-basierten Modells zur objektiven Evaluierung der chirurgischen Fertigkeiten. Hierbei gelingt es laut den Autoren, mit dem entwickelten Modell anhand von Blutpixel aus laparoskopischen Operationsvideos bei kolorektalen Eingriffen in objektiver Weise ChirurgInnen quantitativ zu beurteilen.
Von den Autoren angeführte etablierte Evaluierungstools wie OSATS und GOALS bewerten zwar auch das Gewebshandling, diese sind aber oft subjektiv, unterliegen einem Bias und sind häufig auch sehr aufwendig. Zur quantitativen Evaluation wird, wie schon in der OCHRA-Analyse gezeigt, von Blutungsevents auf Gewebsmanipulationsfehler rückgeschlossen. Die Kritik an der OCHRA-Analyse ist, dass die Evaluation über den geschätzten Blutverlust erfolgte und dabei kleinere Gewebesickerblutungen, die auf schlechter Gewebsbehandlung basieren, nicht berücksichtigt wurden.
Prinzipiell ist eine objektive Analyse von Operationsvideos zur Qualitätsverbesserung von chirurgischen Eingriffen sehr wünschenswert und für jegliches Ausbildungsniveau zu empfehlen.
Die Methodik des Papers ist leider sehr komplex formuliert und nicht ganz schlüssig dargestellt. In der Arbeit wird nicht genau erklärt, wie die initialen Learning-Videos standardisiert wurden. Hier wäre es meiner Meinung nach sinnvoll, genaue anatomische Lokalisationen bei definierten kritischen Operationsschritten (wie Mobilisierung der linken Flexur, Aufsuchen der V. mesenterica inferior am Unterrand des Pankreas, Absetzungsstelle der A. mesenterica inferior, Mobilisierung nach lateral unter Schonung des Ureters auf Höhe des Sigmas etc.) zu standardisieren, an denen die Bilder zur Evaluation der Blutungspixel gewählt werden.
Auch die Definition des Validierungsdatensets ist nicht genau beschrieben. Es ist nicht klar, wie die Auswahl als Trainings‑, Validierungs- und Testdatenset erfolgte. Insgesamt ist die Overall Accuracy des Machine-Learning-Modells mit mehr als 85 % in Ordnung, die Spezifität von 72,7 % ist als eher niedrig anzusehen. Auch die geringe Fallzahl an Operationsvideos wird schon von den Autoren selbst als limitierend angeführt.
Die Einteilung in „hohe“ und „niedrige“ Gewebsbehandlungsgruppe bzw. „Novizen“ ist ebenfalls schwer nachvollziehbar. Die weitere Aufteilung in Chirurgen mit ESSQS-Gesamtscore +2 SD und −2 SD sowie Novizen zur Evaluierung der Blutpixel pro Bild ist unklar und verwirrend.
Die Ergebnisse zeigen sehr deutlich (signifikant) ein besseres Gewebshandling durch erfahrene Chirurgen, resultierend in weniger Blutverlust anhand der Blutpixelzahl pro Bild. Dies zeigt sich interessanterweise jedoch nicht mehr in der weiteren Analyse bezüglich der Korrelation gesamtchirurgischer Fertigkeiten und der Blutpixelzahl pro Bild. Dies wird von den Autoren nur sehr oberflächlich diskutiert und der Vielzahl an chirurgischen Zusatzfaktoren zugeschrieben. Die Komplexität der Evaluierung von chirurgischen Fertigkeiten ist sehr gut im Review von Ibrahim und Dimick zusammengefasst [
5].
Empfehlung
Es handelt sich prinzipiell um einen tollen Zugang, um die Operationsqualität anhand von objektiv zu quantifizierenden Parametern zu evaluieren. Diese Studie ist ein richtiger und wichtiger Schritt, welcher in größeren Fallzahlen und klareren Evaluierungszeitpunkten fortgesetzt werden muss.
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