Episodische Fazialisparese – hätten Sie an diese Krankheit gedacht?

Wiederkehrende, kurze Lähmungen im rechten unteren Gesichtsbereich – damit stellt sich ein junger Mann in der HNO-Klinik vor. Die Behandelnden sind zunächst etwas ratlos und veranlassen eine MRT. Die ergibt schließlich klare Hinweise auf eine demyelinisierende Erkrankung. Fazialisparesen sind nicht selten und können viele Ursachen haben – gelegentlich auch eine beginnende multiple Sklerose. Bislang kaum erwähnt in der Literatur wurden hingegen kurze, teilweise mehrfach täglich wiederkehrende und komplett remittierende Episoden von Fazialisparesen als MS-Erstmanifestation. Ein Team um Dr. Antonio Varelas von der HNO-Klinik der Grossman School of Medicine in New York berichtet über einen Mittdreißiger, auf den genau das zutraf. Der Mann erschien in der HNO-Klinik, nachdem sein rechter unterer Gesichtsbereich mehrfach von einer Lähmung betroffen war. Den Berichten des Patienten zufolge traten die Symptome erstmals zehn Tage vor dem Klinikbesuch auf, hauptsächlich morgens beim Erwachen, und kehrten im Laufe des Tages wieder. Die Episoden dauerten rund 15 bis 30 Sekunden, anschließend verschwand die Lähmung komplett. Während der Episoden habe er keine kognitiven Beeinträchtigungen bemerkt, aber die Sprache habe gelegentlich etwas verwaschen geklungen. Die Anamnese ergab keine Auffälligkeiten, bis auf eine Sehstörung, die etwa einen Monat lang anhielt. Der Patient gab an, in dieser Zeit auf beiden Augen etwas verschwommen gesehen zu haben. Der zwei Jahre zurückliegende Vorfall war offenbar nicht sehr dramatisch – ein Arztbesuch erfolgte deswegen nicht. Das Muster der Lähmung, welches die Stirn aussparte, ließ sich am besten mit einer Beteiligung der oberen Motoneurone im motorischen Kortex erklären. „Hier liegt meist eine Läsion im Bereich des kortikobulbären Trakts zwischen Kortex und Pons vor“, so Varelas und Mitarbeitende. Diese führe dann zu einem Signalverlust im ventralen Teil des motorischen Fazialiskerns. Alternativ könne natürlich auch eine periphere Läsion vorliegen, die nur die unteren Fazialisbereiche betreffe. Zur Abklärung veranlassten die HNO-Ärztinnen und -Ärzte eine kranielle CT sowie eine MRT des Gehirns. MS-typische Hyperintensitäten Das Ergebnis überraschte sie: Die T2-FLAIR-Bildgebung zeigte multiple, noduläre und elliptische Hyperintensitäten, vor allem im Bereich der periventrikulären und subkortikalen weißen Substanz beider Hemisphären sowie im Corpus callosum und dessen Umgebung. Der motorische Fazialiskern schien nicht direkt betroffen zu sein, aber der linke Colliculus facialis, das innere Fazialisknie. Möglicherweise löste diese Läsion die Paresen aus. Die MRT-Bildgebung zeigte also MS-typische Foci (periventrikulär, subkortikal), welche das MS-Diagnose-Kriterium für eine räumliche Dissemination erfüllten. Eine zeitliche Dissemination schlossen die Ärztinnen und Ärzte aus der zwei Jahre zurückliegenden Sehstörung, die für eine milde Optikusneuritis sprach. Der Mann wurde in die Neurologie übergeben und dort noch einmal gründlich untersucht. Eine weitere MRT offenbarte auch zahlreiche MS-typische Läsionen im Rückenmark, sodass er letztlich eine MS-Diagnose und eine Therapie mit Ocrelizumab erhielt. Zwischen 4% und 7% aller MS-Patientinnen und -Patienten würden zuerst mit einer Fazialisparese auffällig, erläutern die Forschenden um Varelas. Üblicherweise werde bei Verdacht auf eine idiopathische Fazialisparese aber keine Bildgebung vorgenommen. Daher sollten Ärztinnen und Ärzte besonders auf Merkmale wie eine Beteiligung der oberen Motoneurone oder einen rezidivierend-remittierenden Verlauf achten, um einer zentralnervösen Ursache auf die Spur zu kommen. Empfehlung der Redaktion Aktuelle News & Übersichten Themenseite Multiple Sklerose Auf der Themenseite Multiple Sklerose halten wir Sie über die häufigste chronisch-entzündliche ZNS-Erkrankung bei jungen Erwachsenen auf dem Laufenden.

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