Präeklampsie: Angiogene Faktoren und antikonvulsive Therapie

Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen sind heterogene Krankheitsbilder mit unterschiedlicher klinischer Ausprägung und Prognose. Besonders die Präeklampsie ist im hohen Maße für Frühgeburtlichkeit, fetale und neonatale Morbidität und Mortalität verantwortlich. Lesen Sie mehr Weitere Beiträge finden Sie im Dossier Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen. In 2% aller Schwangerschaften treten Präeklampsien auf. Sie ist die zweithäufigste Ursache für maternale Mortalität in Deutschland. Der mediane Erkrankungsbeginn liegt in der 32. Schwangerschaftswoche (SSW), so dass häufig auch Schwangerschaften im Bereich der frühen Frühgeburtlichkeit (24+0–28+0 SSW) betroffen sind. Die Problematik der Präeklampsie-assoziierten Frühgeburtlichkeit wird besonders an den kurz- und langfristigen Folgen für die Frühgeborenen deutlich. Die Morbidität und Mortalität von Frühgeborenen ist international aber auch national sehr heterogen. In Österreich überleben 70% der vor der 28. Schwangerschaftswoche Geborenen das erste Lebensjahr. Nach der 32. SSW steigt das Überleben auf 99% an (Statistik Austria). In den letzten Jahren konnten die Morbiditäts- und Mortalitätsraten für Frühgeborene, die zwischen der 24. und 27. SSW geboren wurden, mit innovativen Versorgungskonzepten um etwa 15% reduziert werden. Der pathophysiologische Hintergrund der Präeklampsie ist noch immer nicht vollständig geklärt. Es zeichnet sich aber seit einigen Jahren ab, dass eine Plazentainsuffizienz für die spätere Entstehung einer Präeklampsie verantwortlich sein könnte. Dabei hat der komplexe Vorgang der Angiogenese für die Bildung der plazentaren Gefäße und somit für die erfolgreiche Anlage einer funktionsfähigen Plazenta eine entscheidende Bedeutung. Dieser Vorgang, auch als Plazentation bezeichnet, wird von verschiedenen angiogenen Faktoren getriggert. Inzwischen sind verschiede Tests zu diesen biologischen Frühmarkern kommerziell erhältlich und in der Prädiktion der Präeklampsie etabliert. Der „Placental Growth Factor“ (PLGF) gehört zu den wichtigen gefäßbildenden Faktoren. Er wird in der Plazenta gebildet und sorgt als proangiogener Faktor für die schwangerschaftsspezifischen Adaptationsprozesse der plazentaren Arterien. Um die Prognose einer hypertensiven Schwangerschaftserkrankung realistisch einzuschätzen und um richtige Behandlungsstrategien abzuleiten, ist es wichtig, die jeweils zu Grunde liegende Erkrankung richtig und rechtzeitig zu definieren. Eine auf die Interessen des Feten und der Mutter abgestimmte Therapie erfordert bei der großen klinischen Variabilität der schwangerschaftsinduzierten Hochdruckform eine individuelle Behandlungsstrategie. Ziel der Therapie ist es, besonders im Bereich der frühen Frühgeburtlichkeit eine Schwangerschaftsverlängerung zu erreichen und dadurch die mit der Frühgeburtlichkeit assoziierte Morbidität und Mortalität des Neugeborenen deutlich zu senken. Durch eine Schwangerschaftsverlängerung wird gleichzeitig auch das Sozialsystem ökonomisch entlastet, da durch Frühgeburtlichkeit erhebliche direkte und indirekte Kosten in der Früh- als auch in der Spätversorgung der Kinder auftreten. Als wertvoller Diagnosemarker haben sich verschiedene Präeklampsie-Tests (PlGF alleine oder PlGF/sFlt-1) etabliert. Die Tests bestimmen das freie PLGF oder den Quotienten aus PlGF/sFlt-1 im Blut und unterstützen dadurch die Differentialdiagnose einer hypertensiven Schwangerschaftserkrankung. PLGF ist bei Frauen mit unauffälligen Schwangerschaftsverläufen bis zur 32. SSW ansteigend und sinkt bis zum Geburtstermin kontinuierlich ab. Bei Frauen mit einer Präeklampsie sind die PLGF-Werte signifikant erniedrigt, da das PLGF durch den Gegenspieler, den antiangiogenen Faktor fms-like tyrosin kinase-1 (sFlt-1) gebunden wird. Placental Growth Factor als Prädiktionsmarker Erste Studien haben gezeigt, dass PlGF (placental growth factor) bei Patientinnen mit PE (Präeklampsie) und IUGR reduziert ist. In einer prospektiven Doppelblind-Studie an französisch-kanadischen Zentren sollten diese ersten Daten erhärtet werden [1]. Methode. Doppelblind Studie, prospektiv, n=96 (PE oder IUGR), Bestimmung von PlGF aus dem maternalen Plasma. Ergebnisse. Ein “ungünstiges“ Schwangerschafts-Outcome wurde definiert, wenn der Neonatus <10. Perzentile war oder eine elektive Schwangerschaftsbeendigung wegen fetaler oder maternaler Komplikationen notwendig war. Ein sehr ungünstiges Ergebnis wurde definiert, wenn darüber hinaus die Schwangerschaft vor der 34. kpl. SSW beendet wurde, eine Eklampsie oder ein HELLP-Syndrom auftraten oder ein neonatales Gewicht unter der 3. Perzentile diagnostiziert wurde. Reduzierte PlGF-Level korrelieren signifikant mit dem Schwangerschaftsverlauf und der späteren Entwicklung einer PE und/oder IUGR-Situation. Der positive Vorhersagewert für die nächsten 15 Tage ist signifikant. Nur eine von 20 Frauen mit einem PlGF-Niveau > 5. Perzentile hatte eine sehr schlechten Schwangerschaftsverlauf (PE, IUGR) innerhalb von 15 Tagen. Schlussfolgerung. Die Studie zeigt erneut, dass PlGF sehr genau prospektiv einen pathologischen Schwangerschaftsverlauf (PE, IUGR) detektieren kann. Insbesondere ist der negative und positive Vorhersagewert vor der 34. kpl. SSW sehr gut. Dadurch kann das präpartale Management verbessert werden; Hospitalisierung, Verlegung in möglicherweise geeignetere Versorgungseinheiten, Induktion der medikamentösen fetalen Lungenreife. Die Autoren wünschen sich nun prospektive Studien die die zwei etablierten Biomarker-Tests vergleichen: PlGF alleine versus sFLT-1/PlGF Ratio. Kommentar. Diese Studie zeigt erneut sehr gut den positiven und negativen Vorhersagewert von PlGF für den Verlauf einer Schwangerschaft (Präeklampsie und/oder IUGR). Von wirklich klinischer Bedeutung werden die Tests aber erst, wenn kausale Therapiemöglichkeiten bestehen um eine mögliche Plazentainsuffizienz und/oder eine Präeklampsie auch nachhaltig behandeln zu können. Diese Biomarker-Tests helfen aber schon jetzt erheblich die pathophysiologischen Zusammenhänge einer Plazentainsuffizienz und konsekutiv die Pathophysiologie der Präeklampsie zu verstehen. Einfluss der aktuellen Therapiestrategien auf die Inzidenz der Eklampsie Die Studie von O‘Connor et al untersucht den Verlauf der Inzidenz, der Mortalität und die Behandlung von Eklampsien über einen Zeitraum von 30 Jahren [2]. Besonders in Verbindung mit einer Eklampsie sind Präeklampsien für die Mutter mit einer hohen Morbidität und noch immer mit einer signifikanten Mortalitätsrate assoziiert und können sekundär signifikant häufiger zu Schlaganfällen führen. In medizinisch hoch entwickelten Gesellschaften ist die Eklampsie selten und beträgt etwa 4 bis 6 Fälle pro 10.000 Lebendgeburten. In Entwicklungsländern kann die Häufigkeit zwischen 6 bis zu 100 Fällen pro 10.000 Lebendgeburten variieren. In Industrieländern beträgt die Eklampsie bedingte maternale Mortalität 1,8%, 17% aller maternalen Todesfälle in UK sind einer Eklampsie zuzuschreiben. Die präventive Wirkung von Magnesiumsuflat auf die Eklampsie ist bereits seit den 1920er Jahren bekannt, durchgesetzt hat sich diese Therapie aber erst mit großen klinischen Interventionsstudien in der jüngeren Vergangenheit [3]. Antikonvulsive Therapie Bei schweren Formen der Präeklampsie ist zur Eklampsie-Prophylaxe eine intravenöse Magnesiumsulfat-Therapie indiziert. Die intravenöse Therapie wird mit einer Initialdosis von 4–6 g Magnesiumsulfat begonnen – appliziert in verdünnter Form über 15–20 Minuten mittels Perfusor oder Kurzinfusion – und mit einer Erhaltungsdosis von 1g/h fortgeführt. Durch diese Therapie kann bei schweren Präeklampsieformen eine Reduktion des Eklampsierisikos um 51% erreicht werden. Weniger eindeutig ist die Datenlage bei milderen Formen der Präeklampsie. Seit Jahren wird die simultane Therapie von Magnesiumsulfat und Nifedipin kontrovers diskutiert, da in Einzelfällen von neuromuskulären Blockaden und einer Potenzierung der blutdrucksenkenden Effekte berichtet wurde. Eine Analyse von über 1800 Fällen konnte eine negative Interaktion dieser beiden Substanzen nicht zeigen, so dass der simultane Einsatz von Nifedipin und Magnesiumsulfat gerechtfertigt erscheint. Die Notwendigkeit einer Überwachung des Reflexstatus, der Atemfrequenz und der Nierenfunktion unter einer intravenösen Magnesium-Therapie bleibt obligat [4–7]. Design. Wichtige Perinataldaten (Inzidenz, Mortalität und Behandlung der Eklampsie) von allen Schwangerschaften im Großraum Dublin von 1977 bis 2006 wurden analysiert (Tab. 1). Fast alle Frauen der Region wurden in nur drei verschiedenen Perinatalzentren betreut. Tab.1 Perinataldaten von allen Schwangerschaften im Großraum Dublin von 1977 bis 2006 Dekade Geburten Eklampsiefälle Inzidenz/10000 Geburten Kein MgSO4 1997-2006 221.601 76 3,5 67 1987-1996 192.892 56 2,9 4 1977-1986 195.760 116 5,4 13 Total 626.929 247 3,9 84 Ergebnisse. Insgesamt gab es im Studienzeitraum 629.929 Geburten. 247 Eklampsien (3,9/10.000) und 4 assoziierte maternale Todesfälle (0,63/100.000) wurden beobachtet. Keine verstorbene Frau wurde mit Magnesiumsulfat behandelt. Die Mortalitätrate aufgrund einer Eklampsie beträgt 1,6% (4/247). Die Anwendungshäufigkeit mit Magnesiumsulfat stieg von 11% (13/115) während der ersten Studiendekade auf 88,1% (67/76) während der letzten Studiendekade (p<0,001). Die Inzidenz der Eklampsie fiel von 5,4/10.000 während der ersten Dekade auf 3,5/10.000 während der letzten Dekade (p<0,0001). Schlussfolgerung. Mit der klinischen Etablierung einer präventiven Magnesiumsulfattherapie fällt die Inzidenz der Eklampsie signifikant. Kommentar. Diese Studie legt aktuelle Daten zur Inzidenz von Eklampsien vor, eine seltene aber ernste Komplikation im Zusammenhang mit Präeklampsien. Die Daten zeigen aber auch beeindruckend, wie sehr die inzwischen obligat empfohlene präventive Magnesiumsulfattherapie bei Patientinnen mit schwerer Präeklampsie die Eklampsieinzidenz sinken lässt. Literatur 1. Sibiude J et al (2012) PLOS ONE 7:e50208/1–8 2. O‘Connor HD et al (2013) Am J Perinatol 30:661–664 3. Altman D et al (2002) Lancet 359:1877–1890 4. Duley L et al (2003) Cochrane Database Syst Rev 2:CD000025 5. Snyder SW et al (1989) Am J Obstet Gynecol 161:35–36 6. Waisman GD et al (1988) Am J Obstet Gynecol 159:308–9 7. Magee L et al (2005) Am J Obstet Gynecol 193:153–63 8. Göpel et al (2011) Lancet378:1627–1634 9. Porath et al (2011) Acta Paediatr 100:352–359 Die Beiträge stammen aus dem Handbuch Gynäkologie und Geburtshilfe 2013 und entsprechen den Seminarunterlagen des 5. Gynäkologie-Geburtshilfe-Update- Seminars 2013 der med update GmbH.

Springer Medizin

Präeklampsie: Angiogene Faktoren und antikonvulsive Therapie

Weiterführende Themen

Neu im Fachgebiet Gynäkologie und Geburtshilfe

ICI-Therapie in der Schwangerschaft wird gut toleriert

Weniger postpartale Depressionen nach Esketamin-Einmalgabe

Bei RSV-Impfung vor 60. Lebensjahr über Off-Label-Gebrauch aufklären!

Harnwegsinfektprophylaxe: Es geht auch ohne Antibiotika

Update Gynäkologie