Ripretinib – Chance bei vorbehandelten gastrointestinalen Stromatumoren

Ripretinib von Deciphera ist ein Switch-Control-Kinaseinhibitor zur Behandlung von Erwachsenen mit fortgeschrittenen gastrointestinalen Stromatumoren (GIST), die mit drei oder mehr Kinasehemmern, einschließlich Imatinib, vorbehandelt sind. Ripretinib adressiert ein breites Spektrum an Mutationen und erhöhte in der Zulassungsstudie das progressionsfreie Überleben. Ripretinib inhibiert mit seiner dualen Wirkweise nicht nur die Wildtypform, sondern auch primäre und sekundäre Mutationen der Kinasen KIT und PDGFRA. Deciphera × >>Mehr zum Galenus-von-Pergamon-Preis Eine große Herausforderung bei der Behandlung von GIST sind aktivierende Mutationen in einer der beiden Rezeptortyrosinkinasen KIT und PDGFRA (Platelet-derived Growth Factor-Receptor α). Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) wie Imatinib, Sunitinib (Zweitlinientherapie) und Regorafenib (Drittlinientherapie) adressieren diese Mutationen und haben die Prognose von Menschen mit fortgeschrittenen GIST deutlich verbessert. Allerdings entwickeln sich durch sekundäre Mutationen auch Resistenzen gegen die bisher zugelassenen TKI, die alle an der ATP-Bindungsstelle ansetzen. Diese Problematik adressiert Ripretinib (Qinlock®), ein neuartiger Typ-II-Switch-Control-Tyrosinkinaseinhibitor, der über ein breites Spektrum die Primär- und Sekundärmutationen der Kinasen KIT und PDGFRA hemmt. Ripretinib hat einen neuen, dualen Wirkmechanismus: Der Inhibitor bindet spezifisch und dauerhaft sowohl an die Switch-Pocket als auch an die Aktivierungsschleife. In vitro inhibiert Ripretinib weitere Kinasen wie PDGFRB, TIE2, VEGFR2 und BRAF. Zulassungsstudie INVICTUS Basis der Zulassung war die internationale, doppelblinde, randomisierte und placebokontrollierte Phase-III-Studie INVICTUS [1]. Sie schloss 129 Erwachsene (≥ 18 Jahre) mit fortgeschrittenen GIST ein, die mindestens unter einer Behandlung mit Imatinib, Sunitinib und Regorafenib eine Progression ihrer Erkrankung erlitten hatten, oder die eine Intoleranz gegenüber diesen Therapien aufwiesen und deren ECOG (Eastern Cooperative Oncology Group)-Performancestatus zwischen null und zwei lag. Die Teilnehmenden wurden 2:1 randomisiert mit Ripretinib 150 mg/d (n = 85) oder Placebo (n = 44) behandelt. PFS deutlich verlängert Die Auswertung der Daten demonstrierte eine signifikante Verbesserung des medianen progressionsfreien Überlebens (mPFS; primärer Endpunkt) durch die Behandlung mit Ripretinib: Es betrug 6,3 Monate unter Ripretinib versus 1,0 Monate unter Placebo (p < 0,0001). Ein Vorteil zugunsten von Ripretinib ergab sich außerdem beim medianen Gesamtüberleben (mOS), das unter Ripretinib um 8,5 Monate länger war als unter Placebo (15,1 versus 6,6 Monate). Nach einem etwa 14-monatigen Follow-up war das mOS unter dem Switch-Control-Kinase-Inhibitor auf 18,2 Monate angestiegen versus 6,3 Monate unter Placebo. Die objektive Ansprechrate (ORR, wichtigster sekundärer Endpunkt) betrug 9,4 Prozent unter Ripretinib und 0 Prozent unter Placebo (p = 0,0504). Beim Follow-up nach 14 Monaten war die ORR unter Ripretinib auf 11,8 Prozent angestiegen (unter Placebo weiter 0 Prozent). Die Effekte von Ripretinib waren dabei unabhängig vom Mutationsstatus. Gute Verträglichkeit Ripretinib war in der INVICTUS-Studie gut verträglich – die Mehrheit der unerwünschten Ereignisse (AE) war leicht oder mittelschwer ausgeprägt (Grad 1/2). Das häufigste unerwünschte behandlungsbezogene Ereignis unter Ripretinib war eine Alopezie, von der 49 Prozent der Teilnehmenden betroffen waren. Die häufigsten behandlungsbezogenen AE von Grad 3/4 unter Ripretinib waren ein Anstieg von Lipasen, Hypertension, Fatigue und Hypophosphatämie. Verbesserte Lebensqualität 2022 wurde eine Auswertung der in der INVICTUS-Studie erhobenen Patient-Reported-Outcomes (PRO) publiziert [2]. Erfasst wurden diese Daten mittels der Fragebögen EORTC QLQ-C30 (erfragt körperliche Funktionsfähigkeit, Rollenfunktion, Gesundheitszustand und Gesamt-Lebensqualität) sowie EuroQoL 5-Dimension 5-Level (erfasst die Lebensqualität mithilfe einer visuellen Analogskala). Es zeigte sich, dass bei Patientinnen und Patienten unter Ripretinib die Lebensqualität von Baseline bis Zyklus zwei erhalten blieb, während sie unter Placebo im gleichen Zeitraum abnahm. Daraus resultieren klinisch relevante, signifikante Unterschiede zwischen den Behandlungen (p nominal < 0,01). Der Erhebung zufolge blieb die Lebensqualität unter Ripretinib bis zu zehn Monate erhalten – unabhängig davon, ob die Teilnehmenden eine Alopezie entwickelten oder nicht. Ripretinib versus Sunitinib In der ebenfalls 2022 publizierten Studie INTRIGUE, einer offenen, randomisierten Phase-III-Studie, wurden Wirksamkeit und Sicherheit von Ripretinib und Sunitinib in der Zweitlinie verglichen [3]. Eingeschlossen waren 453 Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenen GIST, die zuvor mit Imatinib behandelt worden waren. Die beiden Substanzen waren mit Blick auf das PFS vergleichbar wirksam (8,3 versus 8,0 Monate). Die Behandlung mit Ripretinib war jedoch mit einer besseren Verträglichkeit assoziiert, inklusive besserer Verträglichkeitswerte bei den PRO. (mw) Ripretinib inhibiert Kinasen unabhängig von der Mutation Ripretinib ist ein neuartiger Switch-Control-Tyrosinkinaseinhibitor, der durch einen dualen Wirkmechanismus eine Breitspektrum-Hemmung der Signalübertragung über die Kinasen KIT und PDGFRA (Platelet-derived Growth Factor-Receptor α) bewirkt. Ripretinib bindet sowohl an der Aktivierungsschleife als auch an der Switch- Pocket und blockiert die Kinase im inaktiven Zustand. Dieser duale Wirkmechanismus ermöglicht eine Hemmung der Kinaseaktivierung bei den Kinasen KIT und PDGFRA unabhängig von der Mutation – einschließlich Wildtyp, primäre und sekundäre Mutanten. Dies unterscheidet Ripretinib von anderen Tyrosinkinaseinhibitoren, die an der Bindungsstelle von Adenosintriphosphat ansetzen. US-Startup mit Kernkompetenz Krebs und Kinasehemmer Branche: Deciphera Pharmaceuticals wurde 2003 in Waltham im US-Bundesstaat Massachusetts mit der Zielsetzung gegründet, relevante neue Krebstherapeutika zu entwickeln. Zunächst konzentrierte sich das Unternehmen auf Proteinkinasehemmer. Weltweit sind für Deciphera rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig – unter anderem auch in einer kleinen deutschen Landesvertretung in München. Im Herbst 2019 erfolgte die Erstnotierung an der Techbörse NASDAQ. Der seither deutlich volatile Kursverlauf ist auch der Tatsache geschuldet, dass das Startup wiederholt als Übernahmekandidat gehandelt wurde. Aktuell beträgt Decipheras Marktkapitalisierung umgerechnet rund 1,07 Milliarden Euro. Umsatz und Gewinn: Erste Produkterlöse sowie Einnahmen aus Forschungsallianzen summierten sich 2022 auf 134 Millionen Dollar. Unterm Strich wies Deciphera einen Nettoverlust von knapp 179 Millionen Dollar aus. F&E-Ausgaben: 2022 wurden 187,8 Millionen Dollar in Produktentwicklungen investiert. Im Jahr zuvor waren es 257 Millionen. Mit Cashreserven von 339 Millionen Dollar (Ende 2022) bei gleichzeitig erkennbaren Verkaufszuwächsen sollte das Unternehmen für weiteren Forschungsbedarf gut gerüstet sein. Pipeline: Klinische Projekte beinhalten die Weiterentwicklung des ersten zugelassenen Produktes Ripretinib. Zudem wird – bereits in Phase II – an dem CSF1-Rezeptor-Hemmer Vimseltinib gegen tenosynoviale Riesenzelltumoren (TGCT) gearbeitet. Im 2. Halbjahr 2023 sollen hierzu erste Patientendaten veröffentlicht werden. Weitere, allerdings noch frühere F&E-Anstrengungen, richten sich auf einen ULK-Inhibitor („DCC-3116“) als Kombipartner für andere Kinasehemmer sowie einen Pan-RAF-Inhibitor („DCC-3084“). (cw) Quelle: ÄrzteZeitung

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