25.04.2012 | Journal Screen
Günstiger Einfluss auf die MRT-Aktivität nur in hoher Dosierung
Orales Natalizumab-Analogon bei schubförmiger Multipler Sklerose
Erschienen in: InFo Neurologie + Psychiatrie | Ausgabe 4/2012
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Kommentar: Diese Studie belegt, dass eine Blockade des für die Transmigration der aktivierten Lymphozyten ins ZNS wichtigen Adhäsionsmoleküls α4β1-Integrin die Krankheitsaktivität supprimieren kann, auch wenn es sich nicht um Natalizumab handelt. Dies ist insbesondere bemerkenswert, da die Entwicklung des oralen α4-Integrin-Inhibitors CDP323 nach einer negativen Phase-II-Studie 2009 nicht mehr weiterverfolgt wird [1].Einige Fragen bleiben aber unbeantwortet:- 1.
Ist die Wirksamkeit so gut wie Natalizumab? Resultate unterschiedlicher Studien sollten zwar nicht miteinander verglichen werden; jedoch war die Reduktion Kontrastmittel aufnehmender Läsionen von Natalizumab gegenüber Placebo in der entsprechenden Phase-II-Studie [2] mit 90% eindrücklicher als diese Daten für Firategrast (49%ige Reduktion). Eine weitere Steigerung der Firategrast-Dosis ist allerdings nicht möglich, da in präklinischen Studien 900/1.200 mg als maximal verträgliche Höchstdosis bestimmt wurden. Da die vorliegende Studie nicht zum klinischen Wirksamkeitsnachweis ausgelegt war, sind Phase-III-Studien mit klinischen Endpunkten notwendig, zu deren Planung es aktuell keine Informationen gibt. Allerdings haben auch schon andere experimentelle Substanzen nach mäßigen Phase-II-Ergebnissen in den klinischen Phase-III-Studien positiv überrascht.
- 2.
Kann auch Firategrast eine PML auslösen? Eine Therapiedauer von 24 Wochen und die Zahl der eingeschlossenen, nicht immunsuppressiv vorbehandelten Patienten lassen keine verlässliche Schlussfolgerungen zu. Dass die erheblich kürzere Halbwertszeit von Firategrast aber einen positiven Effekt hinsichtlich des PML-Risikos haben könnte, ist rein spekulativ.
- 3.
Brauchen wir eine „Natalizumab-Tablette“? Die Compliance der Patienten, die Natalizumab einmal im Monat ambulant intravenös erhalten, ist bei weitem nicht schlecht. Ob sie ebenso gut bei einer Tabletteneinnahme zweimal täglich ist, darf zumindest in Frage gestellt werden. Wegen der kurzen Halbwertszeit mag es dann sogar zu einem kurzfristigen Wirksamkeitsverlust kommen, wenn Einnahmezeitpunkte voluntarisch oder unbeabsichtigt verpasst werden. Scheinbar führt nur die vollständige Blockade des α4β1-Integrins zu einer wirksamen Abdichtung der Bluthirnschranke. Dies legen zumindest Posthoc-Daten der Studie nahe; im Wesentlichen profitierten nämlich Patienten mit hohen Plasmaspiegeln sechs Stunden nach Einnahme von Firategrast. Dabei war leider eine recht breite Varianz in den Plasmaspiegeln nachweisbar. Eine zu niedrige Blockade mag unter Umständen sogar zu der paradoxen Situation einer α4β1-Integrin-Stimulation führen, wie vermeintlich in der 150-mg-Gruppe geschehen.