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15.08.2022 | Herpes zoster | Nachrichten

Fälle aus der Literatur

Zoster nach (Impfung gegen) COVID-19: in der Regel leichte Verläufe

verfasst von: Dr. Elke Oberhofer

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Steigt mit einer COVID-19-Erkrankung oder auch der Impfung gegen SARS-CoV-2 das Risiko einer Reaktivierung von Herpes Zoster? Ein internationales Team hat 218 solcher Fälle aus der Literatur zusammengetragen. Fazit: Der Nutzen der Impfung überwiegt deutlich.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

In der internationalen Literatur werden immer wieder Fälle berichtet, in denen bei COVID-19-Erkrankten oder auch kurz nach einer Impfung gegen das SARS-CoV-2-Virus Hautsymptome auftreten, die mit einer Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus (VZV) in Einklang stehen.

Raquel Martinez-Reviejo und ihr Team haben solche Fälle bzw. Fallserien in einer Literaturübersicht gesammelt. Von insgesamt 218 beschriebenen Zosterfällen waren fast 90% mild verlaufen, hauptsächlich mit Hautausschlägen, die nur ein Dermatom betrafen. Die meisten Patientinnen und Patienten hatten zur Behandlung eine antivirale Substanz (meist Aciclovir) erhalten.

Lokal begrenzter Hautausschlag

In 179 Fällen war der Zoster nach einer SARS-CoV-2-Impfung aufgetreten, die Betroffenen waren im Mittel 56 Jahre alt. 18% waren abwehrgeschwächt, sechs Personen hatten zuvor schon einmal eine COVID-19-Erkrankung durchgemacht. Die Latenzzeit zwischen Coronaimpfung und VZV-Reaktivierung lag bei median sechs Tagen. In 86% aller Fälle beschränkten sich die Symptome auf einen lokal begrenzten Hautausschlag, disseminierte Ausschläge zeigten weniger als 5%. Von schweren Manifestationen waren in dieser Gruppe 20 Personen betroffen, dabei dominierte mit etwas mehr als 5% aller Fälle der Zoster ophthalmicus, der im Gesicht und an den Augen auftritt. Eine Post-Zoster-Neuralgie war mit gut 3% noch seltener. Laut Martinez-Reviejo und Kollegen war eine mRNA-Impfung häufiger mit dem Aufflammen der Zostererkrankung assoziiert als vektorbasierte bzw. inaktivierte Vakzinen (84% gegenüber 13% bzw. knapp 3%). Generell traten die Episoden meist nach der ersten Dosis auf (68% aller Fälle), weniger häufig nach der zweiten Dosis (31%) und nur sehr selten nach einer Auffrischimpfung (0,6%).

In 39 Fällen war der Zoster im Zusammenhang mit einer COVID-19-Erkrankung ausgebrochen, davon in 79%, als die Betroffenen noch SARS-CoV-2-positiv waren. Die Latenzzeit bis zum Ausbruch lag hier im Mittel bei sieben Tagen. 53% waren wegen ihrer COVID-19-Erkrankung stationär behandelt worden. Im Schnitt waren die Patientinnen und Patienten dieser Gruppe 62 Jahre alt, gut 10% hatten eine eingeschränkte Immunabwehr. Auch hier war die häufigste Zostermanifestation der auf ein Dermatom bezogene Ausschlag (68%). Von den insgesamt zehn schweren Fällen war ebenfalls der Zoster ophthalmicus die häufigste Form. Jeweils ein Patient hatte eine postherpetische Neuralgie, eine Enzephalitis/Meningitis bzw. eine Vaskulitis entwickelt.

Grund für die Reaktivierung unbekannt

Über den genauen Mechanismus, der die COVID-19-Erkrankung und die VZV-Reaktivierung verbindet, rätseln die Forscher noch. Diskutiert werden z. B. eine gesteigerte Interferonausschüttung durch gewebsständige T-Gedächtniszellen oder Gliazellen, aber auch eine Hochregulierung spezieller Immunkaskaden. „Respiratorische Viren können komplexe Immunantworten auslösen, möglicherweise werden dadurch bakterielle oder virale Superinfektionen begünstigt“, so Martinez-Reviejo und ihr Team. Es könne aber auch sein, dass das Immunsystem durch COVID-19 so geschwächt werde, dass es Attacken anderer Viren nicht mehr so gut standhalten könne.

Noch weniger klar sei, warum es nach Impfung gegen SARS-CoV-2 zu Zosterreaktivierungen kommen soll. In einer Post-Surveillance-Studie war das Risiko nach Impfung mit der mRNA-Vakzine BNT162b2 nicht erhöht, wohingegen in einer Beobachtungsstudie eine relative Risikoerhöhung von 43% ermittelt wurde. In einer US-Datenbank zu Impfnebenwirkungen (Vaccine Adverse Events Reporting System, VAERS) wurden bislang 5934 Fälle einer VZV-Reaktivierung nach COVID-19-Impfung registriert.

Verzerrung durch gemeinsame Risikofaktoren

Nach Martinez-Reviejo ist dabei zu berücksichtigen, dass auch höheres Alter sowie das Vorhandensein von Begleiterkrankungen als Risikofaktoren für Herpes Zoster gelten. Beides seien gleichzeitig Faktoren, die für eine Impfung gegen SARS-CoV-2-prädestinieren. Insofern sei eine Verzerrung nicht ausgeschlossen. Die Forscherinnen und Forscher wollen ihre Ergebnisse denn auch keinesfalls als Argument gegen die Impfung verstanden wissen. Diese sei „sicher und nach wie vor mit Nachdruck zu empfehlen“.

Zu ergänzen ist, dass der Herpes Zoster selbst zu den impfpräventablen Erkrankungen zählt. Eine Vakzine mit hoher Wirksamkeit bei Älteren ist seit 2018 auch in Deutschland verfügbar und wird von der STIKO als Standardimpfung generell ab 60 Jahren bzw. als Indikationsimpfung bei geschwächtem Immunsystem oder einem schweren Grundleiden ab 50 Jahren empfohlen.

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Aktuelle Evidenzlage zur Reaktivierung einer Varizella-Zoster-Infektion nach Impfung gegen bzw. Erkrankung an COVID-19.

Antwort:  Berichtet wird von 179 Fällen einer VZV-Reaktivierung nach SARS-CoV-2-Impfung und von 39 Fällen während bzw. nach COVID-19-Erkrankung. Die Erkrankung verlief jeweils überwiegend mild und betraf in erster Linie ältere Personen. Die Autoren betonen, dass höheres Alter per se als Risikofaktor für eine Zosterreaktivierung gilt.

Bedeutung: Die Evidenzlage steht den Impfempfehlungen zum Schutz vor COVID-19 nicht entgegen.

Einschränkung: Literaturübersicht; ausschließlich Fallberichte bzw. -serien oder Beobachtungsstudien; keine Kontrollgruppe; Kausalität nicht belegt.

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Literatur

Martinez-Reviejo R et al. Varicella-Zoster virus reactivation following severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 vaccination or infection: New insights. Eur J Intern Med 2022; https://doi.org/10.1016/j.ejim.2022.07.022

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