Erschienen in:
04.06.2021 | Begutachtung | Originalien
Fehlerarten und Fehlerschäden in der Urologie: Ergebnisse von Begutachtungen 1999–2019
Erschienen in:
Die Urologie
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Ausgabe 11/2021
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Zusammenfassung
Hintergrund und Fragestellung
Behandlungsfehler beinhalten mehrere Probleme. Als Einflussfaktoren gehören hierzu die Erkrankungen, die Eingriffe, die Fehlerarten und die Folgeschäden der jeweiligen Behandlungsprozesse. Welchen Anteil diese Faktoren in der Versorgungswirklichkeit haben, wird erstmals in einer erweiterten systematischen Analyse von Fehlerereignissen ermittelt, die von einer Gutachterkommission festgestellt wurden.
Methode und Ergebnisse
Ausgewertet wurden von 359 Begutachtungen einer Gutachterkommission von 1999 bis 2019 insgesamt 236 Fehlerfeststellungen hinsichtlich der Ursachen und Folgen von Fehlern. Fehler ereigneten sich in einer Praxis (103/43,6 %) bei der Diagnostik (69/29,3 %) etwa doppelt so häufig wie bei der Therapie (34/14,4 %). Dagegen ereigneten sich Fehler in einer Klinik (159/67,4 %) fast nur bei der Therapie (144/61,0 %), selten bei der Diagnostik (15/6,4 %). Fehlerarten waren bei der Diagnostik: mangelhafte Befunderhebung (112/47,5 %), Befundbewertung (86/36,4 %); bei der Indikation: fehlender Eingriffsgrund (58/24,6 %), missachteter Eingriffsgrund oder Gegengrund (33/14,0); bei der Aufklärung: mangelhafte Risikoinformation (24/10,2 %); bei der Therapie: mangelhafte Eingriffstechnik (59/25,0 %), Organisation (16/6,8 %), Medikation (6/2,5 %); bei der Nachsorge: mangelhafte Kontrolle (16/8,5 %), Sicherungsinformation (15/6,3 %), Krisenbewältigung (13/5,5 %); bei der Dokumentation: mangelhafte (19/8,1 %) und/oder verfälschte (4/1,7 %) Dokumentation. Direkte/primäre Fehlerschäden einer fehlerhaften Behandlung waren: fehlerbedingte Komplikationen (126/54,7 %), Clavien 3/4 (120/50,8 %), Clavien 5 (Tod) (16/6,8 %), unnötige Operation oder Medikation (39/16,5 % bzw. 40/16,9 %), operative Revisionen (83/35,2 %), Revision mit Intensivmedizin (33/14,0 %), erforderliche Fehlerkorrekturen anderorts in einer Klinik oder Praxis (131/55,1 % bzw. 13/5,5 %). Indirekte/sekundäre Fehlerschäden waren: verzögerte Diagnostik/Therapie (94/39,8 %), Funktions‑/Organverlust einer Niere (6/2,5 % bzw. 7/3,0 %), eines Hodens (2/0,8 bzw. 22/9,3 %), eines Schließmuskels (14/5,9 %), vermehrter/verlängerter Behandlungsbedarf (167/70,8 %), verlängerte Leidensdauer/verminderte Lebensqualität (173/73,3 %), verminderte Heilungsaussicht/Prognose (45/19,1 %).
Schlussfolgerungen
Aufgrund einer systematischen Analyse von Begutachtungsfällen zweier Jahrzehnte wird ein Überblick geboten, welche Erkrankungen und Eingriffe in der Urologie besonders fehleranfällig sind, welche Fehlerarten des Behandlungsprozesses welche direkten und indirekten Fehlerschäden verursachen und welche Folgerungen daraus zu ziehen sind.