Gehäuft Krebs unter Retortenkindern

Kinder, die mithilfe von Reproduktionstechniken zur Welt gekommen sind, haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen, vor allem für Leukämien und Lebertumoren. Darauf deutet eine große Registeranalyse aus Taiwan. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Kinder, die mithilfe assistierter Reproduktionstechniken (ART) zur Welt kommen, unterscheiden sich von solchen, die auf natürlichem Weg gezeugt wurden, oft durch epigenetische Änderungen. Zudem besteht ein erhöhtes Risiko für perinatale Komplikationen, berichten Ärztinnen und Ärzte um Dr. Shiue-Shan Weng von der Nationaluniversität in Taipeh. All dies kann sich auf das Krebsrisiko im weiteren Leben auswirken. Auf der anderen Seite sind Kinder von Eltern mit Fruchtbarkeitsproblemen vielleicht grundsätzlich stärker tumorgefährdet, sodass sich ein erhöhtes Krebsrisiko nicht einfach auf die Reproduktionstechnik zurückführen lässt. Das Team um Weng hat daher die Krebsinzidenz von Kindern, die mithilfe von ART zur Welt gekommen sind, mit der von Kindern verglichen, deren Eltern ebenfalls Fruchtbarkeitsprobleme hatten, aber ohne ART klarkamen. Dennoch lag die Krebsinzidenz von Kindern mit ART um etwa 40% höher. Mehr Frühgeburten Das Team um Weng hatte für die Analyse Angaben aus einer Geburtsdatenbank zu sämtlichen Geburten in Taiwan aus den Jahren 2004–2017 ausgewertet. Ausgeschlossen wurden Kinder von Eltern unter 20 Jahren, solchen mit Drogenabhängigkeit oder Tumorvorerkrankungen. Übrig blieben rund 2,3 Millionen Kinder. Davon kamen etwa 47.000 mithilfe von ART zur Welt (2%), über 466.000 hatten Eltern mit einer Unfruchtbarkeitsdiagnose, die aber keine Reproduktionstechniken verwendeten (20%), die übrigen 78% stammten von Eltern ohne aktenkundige Fruchtbarkeitsprobleme. Kinder mit ART kamen häufiger zu früh zur Welt (36% vor der 37. Woche), auch hatte mehr als ein Drittel ein deutlich zu geringes Geburtsgewicht (unter 2500 Gramm). Bei Kindern von Eltern mit Minderfruchtbarkeit, aber ohne ART war dies seltener der Fall (jeweils bei 10% und 8%), solche Kinder unterschieden sich wiederum kaum von Kindern, deren Eltern keine dokumentierten Fruchtbarkeitsprobleme hatten. Kinder mit ART stammten zudem von überproportional wohlhabenden und urban lebenden Familien. Krebsrisiko um 58% erhöht Bis Juni 2022 dokumentierten die Forschenden um Weng Tumoren bei 1880 Kindern aus dem genannten Geburtszeitraum, 47 fanden sie bei den ART-Kindern. Pro Million Personenjahre ergab dies eine Krebsinzidenz von 121 unter den Kindern ohne minderfruchtbare Eltern, von 138 bei den Kindern von minderfruchtbaren Eltern, aber ohne ART, sowie von 203 bei den ART-Kindern. Unter Berücksichtigung von Faktoren wie Alter der Eltern, Geburtsjahr, Geschlecht und Wohnort ließ sich daraus ein signifikant um 58% erhöhtes Risiko von Kindheitstumoren bei ART-Kindern berechnen, bei Kindern von minderfruchtbaren Eltern, aber ohne ART war es nichtsignifikant um 14% erhöht – verglichen jeweils mit Kindern von Eltern ohne Fruchtbarkeitsprobleme. Die Inzidenz von Kindheitstumoren bei ART-Kindern war zudem signifikant um 42% höher als bei Nachkommen von minderfruchtbaren Eltern ohne ART. Bei den ART-Kindern war vor allem die Inzidenz von Leukämien und Lebertumoren erhöht, jeweils um den Faktor 2,1 und 2,7. Ein niedriges Geburtsgewicht und eine Frühgeburt gingen ebenfalls mit einem erhöhten Krebsrisiko einher, allerdings nicht bei den ART-Kindern. Möglicherweise war dafür auch die Zahl der Betroffenen zu gering. Die Ergebnisse stehen im Einklang mit zwei weiteren großen Kohortenstudien, die ebenfalls ein erhöhtes Risiko für ART-Kinder ergeben hatten, zwei andere Analysen konnten hingegen kein solches Risiko erkennen, geben die Ärztinnen und Ärzte um Weng zu bedenken. Ganz ausschließen lässt sich ein gewisser Indikationsbias aber nicht: Möglicherweise unterscheiden sich infertile Eltern, die ART für einen Schwangerschaft benötigen, von subfertilen, die es auch ohne ART schaffen. Dass eine Infertilität das erhöhte Krebsrisiko beim Nachwuchs bedingt, lässt sich also nicht ganz ausschließen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Erhöhen Reproduktionstechniken das Krebsrisiko beim Nachwuchs? Antwort: Eine Analyse aus Taiwan deutet auf ein um 58% erhöhtes Krebsrisiko für Kinder, die mithilfe von Reproduktionstechniken zur Welt gekommen sind. Bedeutung: Möglicherweise erhöhen Reproduktionstechniken das Risiko von Kindheitstumoren. Einschränkung: Ein Indikationsbias lässt sich nicht ganz ausschließen. Berechnungen beruhen auf einer sehr geringen Zahl von Krebsfällen.

Springer Medizin

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