Fast jeder Dritte setzt die Insulintherapie wieder ab

Knapp 30% der Typ-2-Diabetiker, die eine Insulintherapie benötigen, verweigern die Spritzen zunächst. Bis zum Beginn der Therapie vergehen im Schnitt mehr als zwei Jahre, wie aus den Ergebnissen einer US-Studie hervorgeht. Ein Forscherteam um Naoshi Hosomura vom Brigham and Women’s Hospital in Boston hat sich die Aufzeichnungen von 1501 Allgemeinärzten zu 3295 Patienten mit Typ-2-Diabetes vorgenommen. Den Patienten war wegen unzureichender Kontrolle ihres Diabetes zu einer Insulintherapie geraten worden. Bei 29,9% machte sich dabei ein Phänomen bemerkbar, das in der Forschungsliteratur als „psychologische Insulinresistenz“ bezeichnet wird: Sie weigerten sich, die Spritzentherapie zu akzeptieren. Dabei waren die größten Widerstände ausgerechnet bei jenen Patienten zu überwinden, welche die höchsten HbA1c-Werte aufwiesen. 34,2% der Patienten mit einem HbA1c von 9% oder höher konnten sich anfangs nicht dazu durchringen, Insulin zu spritzen, verglichen mit 25,4% der Patienten mit HbA1c-Werten von 8,0–8,9% und 15,1% derjenigen mit einem HbA1c von 7,0–7,9%. 38,0% der anfänglichen Verweigerer begannen schließlich doch mit der Insulintherapie. Bis sie mit der nötigen Insulinbehandlung begannen, dauerte es aber im Mittel 790 Tage. Bezahlt wurde das mit einem Anstieg des HbA1c von durchschnittlich 8,7% auf 9,1%. Explizit in den Krankenakten dokumentiert war die Abscheu gegen Insulin nur in den seltensten Fällen. Knapp 1% der Akten enthielten Hinweise, ausdrücklich niedergelegt war der Umstand aber nur in 0,02% der analysierten Sätze. Hosomura und Kollegen hatten sich deshalb eines speziellen Sprachverarbeitungsalgorithmus bedient, der den Abbruch der Insulinbehandlung mit einer Sensitivität von 100%, einer Spezifität von 99,9% und einem positiven Vorhersagewert von 95,0% identifizierte (http://canary.bwh.harvard.edu/). „Der Einsatz des Algorithmus zeigt uns, dass viele Patienten mit unkontrolliertem Diabetes ihre Insulintherapie anfangs wieder absetzen“, resümieren die Forscher. Die Mehrheit der Verweigerer in dieser Studie, nämlich 68%, hätten HbA1c-Werte von 9,0% oder höher gehabt. Womöglich sei das bereits eine Folge der verzögerten Spritzenbehandlung, kausale Schlüsse lasse das retrospektive Studiendesign allerdings nicht zu. Über die Motive der Insulinphobie gibt die Untersuchung keine Aufschlüsse. Darüber sowie über die Risikofaktoren und die Folgen dieses Verhaltens sollen künftige Forschungen Auskunft geben.

Springer Medizin

Fast jeder Dritte setzt die Insulintherapie wieder ab

Weiterführende Themen

Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft

Springer Medizin

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten

Weiterführende Themen

Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft