Intensivpatienten mit Killerkeim im Darm: Schützt Phosphat?

Viel Stress, Antibiotika und parenterale Ernährung – das macht bei Patienten auf der Intensivstation die stabilste Darmflora platt und begünstigt die Ausbreitung von Pathogenen. Phosphat könnte die Killerkeime in Schach halten. Während eines längeren Aufenthalts auf der Intensivstation ändert sich die Darmflora unter der Behandlung mit Antibiotika, vasoaktiven Mitteln und ohne feste Nahrung oft radikal: Die Vielfalt der Darmbewohner nimmt drastisch ab, potenziell pathogene Erreger machen sich breit und stellen für die Patienten eine große Gefahr dar: Sie können vom Darm aus gefährliche Infekte bis hin zu einer tödlichen Sepsis verursachen. Unter welchen Bedingungen die Darmflora kippt und wie sich die Darmkeime dann kontrollieren lassen, haben Forscher um Dr. Alexander Zaborin von der Universität in Chicago genauer untersucht. Dabei haben sie anhand von Stuhlproben zunächst die Darmflora von fünf gesunden Teilnehmern und 14 Patienten aus Intensivstationen unter die Lupe genommen. Die gesunden Probanden hatten mindestens ein Jahr lang keine Antibiotika eingenommen, die meisten der Patienten waren länger als drei Wochen in den Kliniken der Universität in Chicago behandelt worden. Einige wenige Keime machen sich breit Die Wissenschaftler bestimmten nun anhand der 16S ribosomalen RNA und über Kulturen die Bakterienstämme aller Teilnehmer. Wenig überraschend zeigte sich bei den Gesunden eine Mischung aus den beiden Darmflora-Hauptstämmen Firmicutes und Bacteroidetes, dagegen waren Proteobakterien fast nicht vorhanden. Ganz anders sah es bei den Intensivpatienten aus: Hier dominierte in der Regel nur ein Stamm: entweder Firmicutes oder Vertreter aus der Kategorie Proteobacteria. Die Gesunden wiesen zudem etwa 40 verschiedene Bakteriengattungen auf, bei den Intensivpatienten waren es deutlich weniger, fünf der Patienten zeigten sogar eine extrem geringe Diversität: Hier dominierten einige wenige Gattungen wie Enterococcus und Staphylococcus fast die gesamte Darmflora, bei vier dieser Patienten wiesen die Forscher zudem Candida-Pilze nach. In der Regel waren diese Patienten länger als 40 Tage auf der Intensivstation gewesen, bei ihnen wurden daher mehrere Stuhlproben analysiert, und die Forscher konnten auch den zeitlichen Verlauf vergleichen. So fanden sie bei einem Patienten, der acht Wochen nach einer Lebertransplantation an Sepsis gestorben war, bei der ersten Stuhlprobe auf der Intensivstation nur Enterococcus und Candida albicans, drei Wochen später hatte sich die Diversität zwar etwas erhöht, aber nicht zugunsten des Patienten: Die Darmflora bestand nun aus multiresistenten Serratia marcescens, Klebsellia oxytoca, Tetrazyklin-resistenten Enterococcus faecalis und C. albicans – also alles Keime, die unter bestimmten Umständen pathogen wirken und eine Sepsis auslösen können. Bei einem weiteren Patienten, der an Sepsis starb, bestand die Darmflora zum Schluss praktisch ausschließlich aus Klebsellia pneumoniae und C. albicans. Stress macht die Kommensalen aggressiv Um die Gefährlichkeit der Keime zu untersuchen, fütterten die Forscher den Fadenwurm C. elegans mit den von den jeweiligen Patienten kultivierten Bakterien und Pilzen. Zuvor erhielt auch der Wurm eine Antibiose, um die eigenen Darmbakterien abzutöten. Mit der Ausnahme einer Candidas-Kultur waren die Darmbewohner nur wenig letal und pflegten einen kommensalen Lebensstil, dabei schienen die Bakterien die Gefahr durch Candida-Spezies etwas abzuschwächen. Wurde nun ein Opioid den Kulturen zugefügt, schalteten die Keime auf pathogen: Würmer, die sich an solchen Kulturen labten, überlebten die Mahlzeit häufig nicht. Die Forscher simulierten damit eine Stresssituation, in welcher der Köper eigene Opioide ausschüttet, oder aber eine Schmerztherapie mit solchen Substanzen. Interessanterweise konnten sie den schädlichen Effekt blockieren, indem sie den Darm der Würmer mit Phosphat anreicherten. Experimente hatten zuvor gezeigt, dass extrazelluläres Phosphat die Virulenz einer Vielzahl von Bakterien steuert: Ist genug Phosphat im Darm vorhanden, werden Virulenzfaktoren unterdrückt. Mit einer speziellen an Polyethylenglykol gebundenen Phosphat-Formulierung (Pi-PEG) gelang es dem Team um Zaborin, ausreichend hohe Phosphatkonzentrationen während der Stresstests mit Opioiden zu erreichen. Die lange Therapie mit einer Vielzahl verschiedener Antibiotika ist für Zaborin und Mitarbeiter einer der Hauptgründe für das hohe Sepsisrisiko von Intensivpatienten. Da eine intensive Antibiose oft unerlässlich ist, sollte mehr über den Schutz der Darmflora nachgedacht werden. Eine Behandlung, die Virulenzfaktoren unterdrückt, ist ihrer Ansicht nach eine vielversprechende Option. Lesen Sie mehr Weitere Beiträge finden Sie im Schwerpunkt Intensivmedizin.

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