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07.12.2016 | Koronare Herzerkrankung | Nachrichten

Nach ABSORB-II

Bioresorbierbare Scaffolds – haben sie noch Zukunft?

verfasst von: Veronika Schlimpert

Die Ergebnisse der ABSORB-II-Studie haben der Erwartung vieler Experten, mit bioresorbierbaren Scaffolds eine weitere Optimierung der PCI-Ergebnisse zu erzielen, einen Dämpfer verpasst. Ad acta legen will man diese Technologie deshalb aber nicht.

Seit vor 39 Jahren Andreas Grüntzig erstmals eine verschlossene Koronararterie mit einem Ballonkatheter eröffnet hatte, hat sich auf dem Feld der perkutanen Intervention (PCI) viel getan. Mit der Entwicklung von Bare Metal Stents (BMS) konnte das Problem der Dissektionen gelöst werden. Die mit diesen Gefäßstützen einhergehende recht hohe Rate an Instent-Restenosen ließ sich durch den Einsatz von medikamentenfreisetzenden Stents (Drug Eluting Stents, DES) weitgehend in den Griff bekommen. 

Diese Erfolgsgeschichte der PCI sollte mit den bioresorbierbaren Scaffolds fortgesetzt werden – das zumindest hofften nicht wenige Interventionalisten. Die Dreijahres-Ergebnisse der ABSORB-II-Studie mit dem Absorb-Scaffold fielen allerdings ernüchternd aus. Bedeutet diese Studie nun das Ende dieser vielversprechenden Technologie? 

„Der Technologie eine Chance geben“ 

„Dem bioresorbierbaren Scaffold sollte man trotz dieser Enttäuschungsphase eine Chance geben“, ist Prof. Ulf Landmesser von der Charité Berlin überzeugt. Auf dem pci.live-Kongress in München erinnerte der Kardiologe daran, dass selbst nach der neuesten DES-Generation eine Notwendigkeit für weitere technische Verbesserungen besteht. 

So käme es im Langzeitverlauf nach dem Eingriff immer noch zu sehr späten Ereignissen im Sinne einer Target Lesion Failure, berichtete er. Ebenso machte Prof. Julinda Mehilli von der Uniklinik München, die dem Experten-Panel dieser Session anhörte, darauf aufmerksam, dass die Eingriffe heute an Patienten mit immer komplexeren Läsionen vorgenommen werden. Die Restenose-Raten liegen in diesen Fällen bei 10 bis 15%. 

Die Hoffnung ist, dass sich derartige Ereignisse verhindern lassen, wenn die behandelte Koronararterie nach einiger Zeit durch Selbstauflösung der Gefäßstütze ihre natürliche Vasomotorik wiedererlangt. 

Bisherige Langzeitdaten enttäuschend 

Diese Erwartung konnten die bei dem diesjährigen TCT-Kongress vorgestellten Dreijahres-Daten der ABSORB-II-Studie mit 500 Patienten nicht bestätigen. Mit dem Everolimus freisetzenden Absorb-System kam es sogar signifikant häufiger zu Myokardinfarkten im Zielgefäß als mit dem Xcience-Stent (6 vs. 1%). Es traten acht Scaffold-Thrombosen auf, sechs davon sehr spät; mit dem DES kam es zu keiner einzigen Stentthrombose.

Für Landmesser verdeutlichen die Ergebnisse, dass „mit dem Xience-Stent bereits ein sehr hohe Messlatte gelegt wurde“. Die Effizienz der neuen DES sei schon sehr gut, betonte er. 

Problem der sehr späten Scaffold-Thrombosen

Das Auftreten sehr später Scaffold-Thrombosen erklärt er sich zum einen mit der Implantationstechnik. So habe sich in einer Arbeit von Lorenz Raber und Kollegen gezeigt, dass in allen vier Fällen, in denen hier eine sehr späte Scaffold-Thrombose aufgetreten war, die angestrebte 90%ige Expansionsrate mit dem bioresorbierbaren Scaffold nicht erzielt worden ist: mit einem angiografisch gemessenen Residualstenose-Durchmesser von 18,6 bis 26,7%.

Zudem scheine die Resorption des Absorbs beim Menschen länger anzudauern als es in Tierexperimenten beobachtet worden sei, so Landmesser. „Aus aktuellen Bildgebungsdaten ist bekannt, dass der komplette Prozess nach drei Jahren zumindest bei manchen Patienten noch nicht abgeschlossen ist.“ Als potenzieller Mechanismus wird deshalb eine während des Resorptionsprozesses auftretende Diskontinuität der Scaffolds diskutiert. So waren in der Studie von Raber im OCT in drei von vier Scaffold-Thrombosen ins Gefäßlumen vorwölbende Stentstruts mit überliegendem Thrombusmaterial zu sehen. 

Wichtig ist die richtige Implantationstechnik 

Nach Ansicht von Landmesser sollten daher bei der Implantation eines Scaffolds drei wesentliche Vorkehrungen getroffen werden: eine gute Präparation der Läsion, ein optimales Sizing des Devices und – besonders wichtig – eine Nachdilatation mit einem Hochdruckballon. Ziel sollte eine verbleibende Residualstenose unter 10% zu sein.

Zudem weist der Kardiologe darauf hin, dass Scaffolds für die Behandlung kleiner Gefäße wahrscheinlich nicht sehr gut geeignet sind. Immerhin sei die Strut-Dicke des Absorb-Scaffold mit 150 µm größer als die von Metallstents. Deutlich wird die Beziehung zwischen Gefäßgröße und Implantationsergebnis an den Einjahres-Daten der ABSORB-III-Studie, bei der mit 2.000 Patienten deutlich mehr Patienten eingeschlossen sind als in ABSORB-II: Die Target Lesion Failure-Rate lag bei den Patienten mit sehr kleinen Gefäßen (Referenzdiameter < 2,25 mm) deutlich höher als bei Teilnehmern mit größeren Gefäßen (12,9 vs. 8,3%). 

Neben dem Absorb sind derzeit zwei weitere bioresorbierbare Scaffolds auf dem Markt verfügbar: der Magnesium-Scaffold Magmaris und der selbstexpandierbare Desolve. Letzterer soll die Fähigkeit besitzen, Malappositionen selbst auszugleichen. Daten aus randomisierten klinischen Studien gibt es bisher allerdings nicht. 

Für den Magmaris-Scaffold sehen die ersten Ergebnisse des BIOSOLVE II-Programms mit 123 Patienten Landmesser zufolge recht vielversprechend aus. Insgesamt habe man seines Wissens bei bis dato über 400 Implantationen keine Scaffold-Thrombose gesehen. Noch sei es aber zu früh, eine Aussage über Effektivität und Sicherheit des Devices zu treffen. Es gilt die Ergebnisse der BIOSOLVE-IV-Studie abzuwarten, in die weltweit über 1.000 Patienten in einem Real-World-Setting eingeschlossen werden sollen.

Neuer Magnesium-Scaffold live implantiert

Den Besuchern des pci.live-Kongresses wurde die Implantation eines Magnesiums-Scaffolds dann live demonstriert. Prof. Alexander Lauten und PD Dr. David Leistner von der Medizinischen Klinik für Kardiologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin setzen einem 53-jährigen Patienten das Device in die verbliebene RIVA-Läsion unter OCT-Kontrolle vor den Augen der Zuschauer ein. Die Rationale für die Behandlung sehen die beiden Kardiologen in dem noch recht jungen Alter des Patienten und die damit einhergehende hohen Lebenserwartung. Bei diesem Patienten könnten sich die Effekte der Bioresorption und die Rückkehr der Vasomotorik besonders auszahlen. Aufgrund seines geringen Blutungsrisiko und der guten Compliance ist eine duale Plättchenhemmung über zwölf Monate problemlos möglich. Darüber hinaus sei die Läsion nicht besonders kalzifiziert, sodass ein Stent ausreiche.

Am Ende seines Vortrages zog Landmesser das Fazit, dass sich mit den heutigen Daten die Frage, ob uns bioresorbierbare Scaffolds in der Zukunft eine weitere Verbesserung der PCI-Ergebnisse bringen werden, momentan nicht beantworten lässt. Das Konzept einer sich selbst auflösenden Gefäßstütze erscheine durchaus attraktiv. Erste Aufgabe werde nun sein, die vergleichbare Sicherheit gegenüber den neuesten DES zu zeigen und erst nach und nach werde man sehen, ob die bioresorbierbaren Scaffolds auch klinische relevante Vorteile erzielen können.  

Literatur

„Eröffnungsvortrag: Vollständig resorbierbare Koronarstents („Scaffolds“): Haben Sie ihr Versprechen gehalten“, pci.live-Kongress, 01.12.2016 in München.

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