Ein Anfang 20-jähriger Mann wird scheinbar ohne Grund ohnmächtig. Im EKG zeigt sich ein hochgradiger AV-Block. Die Inspektion der Haut offenbart die Ursache – an die Ärzte gerade bei jungen Menschen verstärkt denken sollten.
Hinter einer Synkope kann sich vieles verbergen. Umso schwerer wird die Ursachensuche, wenn die Anamnese keinerlei Hinweise liefert – so wie in dem Fall dieses jungen Mannes.
Der Patient ist scheinbar grundlos ohnmächtig geworden und sucht verunsichert die Notaufnahme im Brigham and Women’s Hospital in Boston auf, seit zwei Tagen fühlt er sich schlapp und hatte gelegentlich Schüttelfrost. Der Anfang 20-Jährige war bis dato völlig gesund, die Familienanamnese ist ebenfalls unauffällig. Er hätte weder einen Insektenstich gehabt, noch sei ihm ein Hautausschlag aufgefallen, berichtet der junge Patient.
Die Herzfrequenz des Mannes liegt gerade mal bei 41 Schlägen pro Minute. Sonst fällt den Ärzten bei der körperlichen Untersuchung zunächst nichts Auffälliges auf, die Laborwerte sind ebenfalls unverdächtig.
Im EKG zeigt sich als Ursache für die Bradykardie ein hochgradiger AV-Block mit verbreitertem QRS-Komplex (166 ms) und Ersatzrhythmus. Aufgrund dieses Befundes entscheiden sich die Ärzte, dem Patienten einen passageren Notfallschrittmacher zu implantieren und ihn zur weiteren Abklärung an die kardiologische Abteilung zu überweisen.
Ärzte sind sich nun ziemlich sicher
Die Kardiologen inspizieren den gesamten Körper des Patienten und stoßen dabei auf eine verdächtige Hautstelle linksseitig am Rücken: ein 10 × 20 cm großer rötlicher Hautausschlag mit einem kreisrunden blassen Zentrum. Die Läsion fühlt sich warm an, ist aber schmerzunempfindlich und juckt nicht. Dem Patienten ist der Ausschlag deshalb gar nicht aufgefallen.
Aufgrund des charakteristischen Aussehens des Erythems sind sich die Kardiologen ziemlich sicher: Der Patient hat eine sog. Lyme-Karditis, die sich nach einer Infektion mit dem Borrelia burgdorferi-Erreger, also üblicherweise nach einem Zeckenstick, entwickeln kann. Sie initiieren deshalb sofort eine empirische Antibiotika-Therapie mit Cefitriaxon i.v..
Nach Therapiebeginn setzt Besserung ein
Nach viertägiger Antibiotika-Gabe normalisiert sich der Herzrhythmus des Patienten langsam: Die Kammerfrequenz liegt bei über 60 Schlägen, es liegt nun eine 1:1 AV-Überleitung und ein AV-Block 1. Grades vor (PQ-Zeit: 520 ms). Die Verlängerung der PQ-Zeit nimmt über die Zeit weiter ab, sodass der Patient nach weiteren drei Tagen aus der Klinik entlassen werden kann. Bei einem Kontrolltermin nach 14 Tagen hat sich die PQ-Zeit normalisiert.
Speziell im Spätsommer an diesen Parasiten denken
In der Zwischenzeit hat die sofort nach der Verdachtsdiagnose initiierte Serologie einen positiven Nachweis borrelienspezifischer Antikörper (IgM, IgG und IgA) ergeben, was die Ärzte in ihrer Diagnose bestätigt.
„Wie dieser Fall verdeutlicht, muss bei jungen Patienten mit einem vollständigen AV-Block selbst bei Abwesenheit eines Erythema migrans und Prodromalsymptomen weiterhin an eine Lyme-Karditis als Differenzialdiagnose gedacht werden, speziell im Spätsommer“, lautet das Fazit der behandelnden Ärzte um Dr. Cameron Nutt und Prof. Kevin Bersell, die über diesen Fall im JAMA Internal Medicine berichtet haben.
Fazit für die Praxis |
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