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21.09.2022 | Kardiologie | Nachrichten

Renale Denervation: Die wundersame Metamorphose einer negativen Studie

verfasst von: Peter Overbeck

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Vor Jahren hatten Skeptiker angesichts enttäuschender 6-Monats-Daten der SYMPLICITY-HTN-3-Studie schon das Ende der Renale Denervation vorausgesagt. Jetzt überrascht dieselbe Studie mit frappierenden 3-Jahres-Daten zur blutdrucksenkenden Wirkung dieser Methode.

Man reibt sich die Augen: Ist das wirklich noch dieselbe Studie, deren 2014 veröffentlichte Ergebnisse mitten in einer Euphorie über die Renale Denervation für einen veritablen Schock gesorgt hat – ließen ihre damaligen Ergebnisse diese interventionelle Methode, die zuvor in kleineren und methodisch angreifbaren Studien mit massiven Blutdrucksenkungen geglänzt hatte, doch plötzlich als unwirksam erscheinen.

Und nun das! Nach den aktuell beim TCT-Kongress 2022 vorgestellten finalen Ergebnissen der SYMPLICITY-HTN-3-Studie hat die Renale Denervation (RDN) den systolischen und diastolischen Blutdruck der Studienteilnehmer auf längere Sicht im Vergleich zu einer Scheinintervention (sham control) dauerhaft und in beeindruckendem Maß gesenkt. Nach drei Jahren zeigte sich bei der Praxismessung sowie der ambulanten 24-Stunden-Messung des systolischen Blutdrucks im Mittel ein Unterschied um 22,1 mmHg respektive um 16,5 mmHg zwischen den Behandlungsgruppen – in beiden Fällen zugunsten der RDN (jeweils p < 0,0001). Wie passt das zusammen?

Kein Unterschied beim Blutdruck nach sechs Monaten

Zur Erinnerung: In die SYMPLICITY-HTN-3-Studie waren an Zentren in den USA insgesamt 535 Patientinnen und Patienten (mittleres Alter: 58 Jahre, 39% Frauen) mit „resistenter“ Hypertonie aufgenommen worden. Trotz Einnahme von drei oder mehr Blutdrucksenkern wiesen sie bei der Praxismessung systolische Blutdruckwerte von ≥160 mmHg auf (≥135 mmHg bei ambulanter Messung). Im Verhältnis 2:1 wurden sie dann einer RDN-Behandlung mit dem heute nicht mehr verwendeten Symplicity Flex-Katheter (n=364) oder einer Scheinprozedur (Kontrollgruppe, n=171) unterzogen.

Das Ziel, auf Basis der 6-Monats-Daten die Sicherheit der auf Verödung sympathischer Nervenfasern in der Nierenarterienwand zielenden RDN-Behandlung nachzuweisen, wurde erreicht. Dagegen wurde die Erwartung einer überlegenen Wirksamkeit enttäuscht: Bei jeweils deutlichen Abnahmen des systolischen Blutdrucks um 14,13 mmHg (RDN-Behandlung) und 11,74 mmHg (Scheinprozedur) war der Unterschied zwischen beiden Gruppen nicht signifikant.

Nach sechs Monaten wurde dann die Verblindung aufgehoben. Patienten der Kontrollgruppe erhielten nun die Möglichkeit, sich ebenfalls einer RDN-Behandlung zu unterziehen – wenn sie wegen erhöhter Blutdruckwerte die Voraussetzungen dafür erfüllten. Von den 171 Teilnehmern mit Scheinprozedur nahmen 101 diese Option wahr (Cross-over-Gruppe). Für die Langzeitanalyse wurden diese Teilnehmer mit ihren letztmalig unter verblindeten Bedingungen gemessenen Blutdruckwerten der Kontrollgruppe zugerechnet. Die übrigen 70 Patienten der Kontrollgruppe waren wegen zu niedriger Blutdruckwerte für ein RDN nicht geeignet (Non-Cross-over-Gruppe).

Schere bei Blutdruckwerten ging immer weiter auseinander

In der Folgezeit ging die Schere bei den Blutdruckwerten zwischen RDN- und Kontrollgruppe immer weiter auseinander. Nach 36 Monaten war die systolische Blutdrucksenkung (Praxismessung) in Relation zum Ausgangswert mit –26,4 mmHg versus –5,7 mmHg in der RDN-Gruppe deutlich stärker als in der Kontrollgruppe (adjustierte Differenz: –22,1 mmHg).

Auch in der ambulanten 24-Stunden-Messung fiel bei mittleren Abnahmen des systolischen Blutdrucks um –15,6 mmHg versus –0,3 mmHg das Ergebnis klar zugunsten der RDN-Behandlung aus (adjustierte Differenz: –16,5 mmHg). Diverse Sensitivitätsanalysen bestätigten konsistent diese Ergebnisse, betonte Studienleiter Prof. Deepak Bhatt vom Brigham and Women’s Hospital in Boston beim TCT-Kongress.

Bezüglich der Anzahl der verordneten Antihypertensiva bestand in im dreijährigen Follow-up kein Unterschied zwischen RDN- und Kontrollgruppe. Allerdings war der sogenannte „medication burden“ (unter Berücksichtigung der Höhe der Tagesdosis) nach zwei und drei Jahren in der Kontrollgruppe im Vergleich signifikant höher.

Auch Crossover-Gruppe profitierte von der Denervation

Bhatt präsentierte auch Informationen zu den Blutdruckveränderungen in der Kontrollgruppe mit Scheinprozedur. Patienten der Non-Crossover-Subgruppe wiesen hier zu Beginn relativ niedrige systolische Blutdruckwerte auf (weshalb sie nach der Entblindung auch nicht für eine RDN qualifiziert waren). In dieser Subgruppe war in den ersten sechs Monaten nach Aufhebung der Verblindung ein kontinuierlicher Anstieg des systolischen Blutdrucks zu beobachten.

Patienten der Crossover-Fraktion innerhalb der Kontrollgruppe hatten zu Beginn im Schnitt deutlich höhere systolische Blutdruckwerte, die sechs Monate nach der Scheinprozedur praktisch unverändert waren. Erst nachdem dann auch diese Patienten einer RDN-Prozedur unterzogen worden waren, kam es bei ihnen in der Folgezeit zu einer kontinuierlichen, bis zum Zeitpunkt nach 36 Monaten anhaltenden Blutdrucksenkung.

Die finalen Ergebnisse der SYMPLICITY-HTN-3-Studie, der bislang größten und längsten randomisierten zur RDN-Behandlung, bestätigen nach Einschätzung von Bhatt zum einen, dass dieses interventionelle Verfahren zur Blutdrucksenkung auch langfristig sicher ist. Sie zeigten zum anderen, dass mit dieser Methode additiv zu Lebensstiländerungen und zur maximalen medikamentösen Therapie eine dauerhafte Senkung des Blutdrucks bei Hypertonie zu erzielen ist.

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Literatur

Deepak Bhatt: 3-Year Follow-up oft he SYMPLICITY HTN-3 Trial. TCT-Kongress 2022, 16. – 19. September 2022, Boston.

Bhatt D. et al: Long-term outcomes after catheter-based renal artery denervation for resistant hypertension: final follow-up of the randomised SYMPLICITY HTN-3 Trial. Lancet 2022. doi.org/10.1016/S0140-6736(22)01787-1

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