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18.09.2018 | Kardiologie | Nachrichten

Blutdrucksenkung per Katheter

Renale Denervation: Was ist der aktuelle Stand und wie geht es weiter?

verfasst von: Peter Overbeck

Das kathetergestützte Verfahren der renalen Denervation hat bereits eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Auf anfänglichen Enthusiasmus folgten Rückschläge und Enttäuschung, die aber inzwischen einem begründeten Optimismus gewichen ist. Was kommt als nächstes?

Es begann mit Euphorie über einen vermeintlichen „Therapiedurchbruch“ bei resistenter Hypertonie. Auf der Grundlage von zum Teil frappierenden Ergebnissen nicht kontrollierter Studien zur blutdrucksenkenden Wirkung der katheterbasierten Verödung von sympathischen Nervenfasern in der Nierenarterienwand fand die renale Denervation speziell in Deutschland rasch Eingang in die Praxis.  Doch schon bald sorgte der fehlgeschlagene Nachweis ihrer Wirksamkeit in der bis dato ersten randomisierten Studie mit einer Scheinprozedur (sham control) als Kontrolle (Symplicity-HTN3)  für große Ernüchterung und für das Ende einer offensichtlich voreiligen Anwendung dieser Methode in der klinischen Praxis.

In der Erforschung der renalen Denervation stand man wieder ganz am Anfang. Inzwischen liegen Ergebnisse neuer Studien vor, bei deren Konzeption aus den negativen Erfahrungen der Vergangenheit etwa bezüglich Patienten-Auswahl und Technik der Ablationsprozedur Lehren gezogen werden sollten. Als Limitierungen, die es zu beseitigen galt,  wurden etwa ungewollte Veränderungen bei der medikamentösen Therapieadhärenz, eine häufig inkomplette Denervation der sympathischen Nerven in der Wand der Nierenarterien, die Unerfahrenheit vieler Studienärzte mit der Methode sowie die Selektion von Patienten mit isolierter systolischer Hypertonie, die anscheinend nicht gut auf die Denervation ansprechen, angesehen.

Was aus diesen neueren Studien bislang herausgekommen ist und welche weiteren Schritte in der Forschung unternommen werden müssen, hat eine internationale Forschergruppe um Prof. Felix Mahfoud aus Homburg/Saar in einer im „European Heart Journal“ veröffentlichten Übersicht zusammengefasst.

Evidenz aus „Proof of Principle“-Studien

Nach Einschätzung dieser Expertengruppe hat sich die Studienlage bezüglich des Wirkungsnachweises für die renale Denervation inzwischen konsolidiert. Durch neue randomisierte, kontrollierte „Proof-of-Principle“-Studien sei eine „überzeugende Evidenz“ dafür geschaffen worden, dass die renale Denervation eine „effektive antihypertensive Strategie mit oder ohne gleichzeitige antihypertensive Medikation“ ist.  

Die Effektivität der mithilfe eines Multielektroden-Katheters  vorgenommenen Denervation kam in der Studie SPYRAL HTN-OFF MED, an der 80 Patienten ohne jegliche  antihypertensive Medikation beteiligt waren, sowohl bei der ambulanten 24-Stunden-Messung als auch bei der Praxismessung zum Ausdruck. Bei der ambulanten Messung wurde im Vergleich zur Kontrollgruppe mit Scheinprozedur nach drei Monaten eine  Abnahme des systolischen Blutdrucks um 5 mmHg und des diastolischen Blutdrucks um 4,4 mmHg festgestellt. Bei der Praxismessung betrugen die entsprechenden Blutdruckabnahmen 7,7 mmHg und 4,9 mmHg. Alle Veränderungen erwiesen sich als signifikant.

In der Studie  SPYRAL HTN-ON MED-Studie erfolgte dann der Test bei medikamentös mit Antihypertensiva behandelten Patienten mit Bluthochdruck. Je nach Gruppenzuteilung wurde entweder eine renale Denervation (n=38) oder nur eine renale Angiografie als Scheinprozedur (n=42) vorgenommen.

Nach sechs Monaten stellten die Untersucher bei der ambulanten 24-Stunden-Messung im Schnitt Blutdrucksenkungen von systolisch -9,0 mmHg (RDN) und -1,6 mmHg (Sham) fest. Effektiv war damit der systolische Blutdruck durch renale Denervation signifikant um -7,4 stärker gesenkt worden als durch die Scheinprozedur. Eine zeitabhängige Analyse der Blutdruckveränderungen offenbarte zudem, dass die relativ stärkere Blutdrucksenkung durch Denervation mit zunehmender Dauer immer weiter zunahm.

In der RADIANCE-HTN- SOLO-Studie ist die - in diesem Fall mit endovaskulärem Ultraschall als Energieform vorgenommene – renale Denervation ebenfalls bei nicht medikamentös behandelten Patienten mit erhöhten Blutdruckwerten getestet worden. In dieser Studie war der systolische Blutdruck zum Zeitpunkt nach zwei Monaten in Relation zum  Ausgangswert in der Gruppe mit Denervation um -8,5 mmHg und in der Kontrollgruppe um -2,2 mmHg gesenkt worden. Daraus resultiert eine signifikant um -6,3 mmHg stärkere Senkung in der Gruppe mit Denervation. Ohne jegliche Medikation konnte allein durch die Denervation signifikant häufiger eine zufriedenstellende Blutdruckeinstellung (unter 135/85 mmHg) erreicht werden (20% vs. 3%).

Kein Marker für prozedurale  Steuerung der Denervation

So weit, so gut. Mahfoud und seine Expertenkollegen weisen in ihrer Übersicht aber auch darauf hin, dass es noch einige zu lösende Probleme bei der renalen Denervation gibt. Ein Problem ist, dass es bislang keine zuverlässigen Marker gibt, anhand derer sich der prozedurale Erfolg der Denervation unmittelbar überprüfen lässt. Die Behandlung erfolgt somit empirisch und ohne Möglichkeit der Steuerung: Ob zu wenig oder gar zu viel denerviert wurde, ist bei der Prozedur selbst somit nicht ersichtlich.

Als potenzielle Instrumente zur Überprüfung des prozeduralen Erfolgs sind eine - akut den Blutdruck erhöhende - Stimulation der renalen Nerven sowie Messungen des renalen Blutflusses oder des renalen Gefäßwiderstandes ins Gespräch gebracht worden. Keines dieser potenziellen Steuerungsinstrumente ist jedoch bislang adäquat untersucht worden.

Erkennung von Respondern

In allen Studien zur renalen Denervation wurde eine Variabilität der damit erzielten Blutdruckeffekte beobachtet. Gemessen am Kriterium einer Blutdrucksenkung um mindestens 5 mmHg sprachen 66% der Patienten auf die Therapie an, 34% dagegen nicht. Von Vorteil wäre deshalb, wenn sich Patienten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für ein substanzielle Blutdrucksenkung als Therapieresponse vorab identifizieren ließen.

Es gibt Hinweise, dass etwa Patienten mit isolierter systolischer Hypertonie oder solche mit hoher Pulswellengeschwindigkeit weniger gut auf die renale Denervation ansprechen. Die Gründe dafür sind aber noch weitgehend ungeklärt. Die Gruppe um Mahfoud hält es deshalb auch nicht für empfehlenswert, solche Patienten a priori von künftigen Studien auszuschließen.

Die Frage der Dauerhaftigkeit des Effekts

Nach einer Denervation sympathischer Nervenfasern in der Nierenarterienwand kann es zu einer Regeneration von Nerven und damit potenziell zu einer Abschwächung der blutdrucksenkenden Wirkung kommen. Bisher bieten die Studien aber keine Anhaltspunkte für einen solchen Wirkungsverlust.

Wie lang die Effekt der renalen Denervation anhält, ist allerdings nicht so einfach zu klären. In den Studien bei Patienten ohne medikamentöse Blutdrucksenkung war ein für noch vertretbar gehaltener Verzicht auf Medikamente auf maximal zwei bis drei Monate befristet, danach kehrte man wieder zur medikamentösen Therapie zurück. Ob die Therapie mit Antihypertensiva in ihrer Intensität als Folge der renale Denervation auf Dauer bei gleicher Blutdrucksenkung verringert werden kann, muss noch geklärt werden.

Genügt der Nachweis der Blutdrucksenkung?

Genügt es schon, die blutdrucksenkende Wirkung der renalen Denervation nachgewiesen zu haben, oder sollte auch diese interventionelle Methode bezüglich ihrer Wirkung auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität in einer großen Endpunktstudie geprüft werden? Für die Zulassung bedarf es solcher Studien nicht, da Gesundheitsbehörden wie die FDA aufgrund der engen Beziehung zwischen erhöhtem Blutdruck und kardiovaskulären Ereignissen die Blutdrucksenkung als Surrogatendpunkt akzeptieren.

Mahfoud und seine Kollegen erinnern aber daran, dass die renale Denervation eine konsistentere Senkung des Blutdrucks über 24 Stunden ermöglicht als eine medikamentöse Therapie mit Antihypertensiva. Denkbar sei deshalb, dass der protektive der interventionellen Blutdrucksenkung stärker ist als der einer medikamentösen Therapie. Der Versuch, einen solchen klinischen Vorteil zu belegen, wäre deshalb nach Ansicht der Experten eine klinische Outcome-Studie wert.

 

Literatur

Mahfoud F. et al.:  Catheter-based renal denervation: the next chapter begins, European Heart Journal (2018) 0, 1–6. doi:10.1093/eurheartj/ehy584

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