Das dritte Staatsexamen wird an den Fakultäten durchgeführt und besteht aus zwei Teilen, einer neugestalteten „Prüfung am Patienten“ am ersten Prüfungstag sowie einem OSCE am zweiten Tag. Übergeordnetes Ziel ist es, die Funktion des staatlichen Examens mit dem Aufgreifen der Patientenperspektive und der Patientensicherheit transparent und fair nachvollziehbar zu machen.
Prüfung am Patienten (1. Prüfungstag)
Diese Prüfung findet am realen Patienten statt und ist weltweit in den westlichen Ländern, soweit eruierbar, einmalig. Deswegen bietet sich hier die große Chance, durch die relativ einfache Weiterentwicklung der derzeit gut etablierten Prüfung am Patientenbett eine arbeitsplatzbasierte Prüfung zum Gegenstand des Staatsexamens zu machen.
Die Prüfung an Patienten greift die internationale und nationale positive Erfahrung zur Entwicklung einer arbeitsplatzbasierten Überprüfung von anvertraubaren professionellen Tätigkeiten auf, die zum Teil in Modellstudiengängen, z. B. der Berliner Charité, bereits umgesetzt werden oder auch in der Schweiz Grundlage der PROFILES bilden [
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Um die zunehmende Ambulantisierung der Medizin auch in der Prüfung abzubilden, soll jeder Prüfling sowohl an einem stationären als auch an einem ambulanten Patienten geprüft werden. Die Prüfung ist jeweils in sieben Schritte unterteilt.
Die Studierenden werden zu Examensbeginn einen ihnen unbekannten Patienten unter Aufsicht von zwei Prüfern aufnehmen. Eine strukturierte und umfassende Anamnese und eine komplette körperliche Untersuchung stellen die ersten beiden Schritte dar. Hierfür haben die Studierenden insgesamt 45–60 min Zeit. Damit wird dokumentiert, dass die Studierenden in der Lage sind, eine differenzierte Anamnese durchzuführen, die auch die psychosoziale Situation und die Perspektive des Patienten sowie seine Funktionsfähigkeit und den Lebensstil beinhaltet. Die Durchführung einer kompletten körperlichen Untersuchung stärkt das Vertrauen der Studierenden in die eigenen Fähigkeiten und zeigt dem Patienten die Sorgfalt der ärztlichen Untersuchung. Eine umfassende und sorgfältige Anamnese und körperliche Untersuchung sind unerlässliche Voraussetzung für die korrekte weitere Diagnostik und Therapie. Sie stellen einen unschätzbaren Wert für den Aufbau einer tragfähigen Arzt-Patient-Beziehung und die Adhärenz des Patienten dar [
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Die Ergebnisse von Anamnese und körperlicher Untersuchung werden im dritten Schritt mittels eines SOAP-Schemas („subjective information, objective information, assessment, plan“) an die beiden Prüfer übergeben. Hier soll die Fähigkeit zu einer strukturierten Übergabe an einen ärztlichen Kollegen überprüft werden.
Im vierten Schritt außerhalb des Patientenbereichs erhalten die Studierenden ggf. zusätzliche Befunde und Untersuchungsergebnisse, die wichtig zur Planung des weiteren Prozederes und des therapeutischen Vorgehens sind. Weiterhin wird der Zugriff auf Wissensdatenbanken (PubMed, Leitlinien, UpToDate etc.) ermöglicht. Mittels eines Open-Book-Examens wird die digitale Wissenschaftskompetenz der Studierenden erfasst. Am Ende von ca. 45 min sollen die Studierenden die Ergebnisse der Patientenanamnese und -untersuchung sowie die Resultate ihrer Recherche zusammenfassen und eine Patientenkurve erstellen. Sie stellen das weitere diagnostische und therapeutische Prozedere dann erneut den beiden Prüfern vor und diskutieren sowie begründen ihre Vorschläge. Die Prüfer stellen vertiefende Fragen zu den Vorschlägen. Gegebenenfalls ist hier auch eine Korrektur von Misskonzeptionen des Prüflings möglich, wobei Hilfestellungen durch die Prüfer bei der Bewertung berücksichtigt werden. Die Bewertung dieses Bausteins fokussiert auf das klinische Denken und Begründen der Studierenden.
Im fünften Schritt übergeben die Studierenden die Untersuchungsergebnisse an eine standardisierte Pflegekraft. Damit demonstrieren die Studierenden die interprofessionelle Kompetenz, eine zielgruppenorientierte Information in geeigneter Fachsprache strukturiert weiterzugeben.
Im sechsten Schritt erstellen die Studierenden einen strukturierten, evidenzbasierten Patientenbericht. Hier wird geprüft, inwieweit der Studierende in der Lage ist, die erhobenen anamnestischen Angaben und die Befunde so darzustellen, dass den weiteren Behandlern eine Beurteilung des Patienten ermöglicht wird. In einem weiteren Berichtsteil sollten Empfehlungen für die poststationäre und interprofessionelle Behandlung des Patienten verfasst werden. Schwerpunkt der Bewertung bilden die kritische Würdigung aller Patientenbefunde und die Berücksichtigung aktueller Leitlinien in der klinischen Entscheidungsfindung.
Im letzten und siebten Schritt sollen die Studierenden diesen Bericht in eine für den Patienten verständliche Sprache übersetzen. Nach Kontrolle durch die Prüfer kann dieser Bericht auch dem Patienten zur Verfügung gestellt werden. Damit wird die Patientenperspektive wie auch durch die ausführliche Anamnese und Untersuchung gestärkt.
Für alle Schritte werden entsprechend dem Masterplan Medizinstudium 2020 zentrale Vorgaben mit standardisierten Bewertungsmaterialien und Musterlösungen mit Ankerkriterien erstellt, die mittels eines globalen Expertenratings beurteilt werden.
OSCE (2. Prüfungstag)
Am zweiten Prüfungstag sollen spezifische klinische Situationen mittels OSCE durch den Einsatz von standardisierten Patienten (z. B. Aufklärungsgespräche) und ggf. standardisierten Angehörigen bzw. Vertretern unterschiedlicher Gesundheitsberufe (z. B. telefonische Übergabe in einer Notfallsituation, Entlassmanagement) geprüft werden. Der OSCE soll an zehn Stationen (Dauer pro Station ca. 8 min) durchgeführt werden: Eine sorgfältige Konstruktion der Stationen ermöglicht es auch, komplexe Aufgaben in 8 min abzuprüfen, dies wird z. B. dadurch ermöglicht, dass der Fokus auf kritische Entscheidungsknoten oder spezifische Informationsweitergabe in der Prüfungsaufgabe gelegt wird. Die jeweiligen Themen der Prüfung sollen entsprechend einem zentral festgelegten Blueprint definiert und die Prüfungsaufgaben zentral für alle Fakultäten entwickelt werden. Dabei sollen schwerpunktmäßig die für den klinischen Alltag und die Patientensicherheit wichtigen Themen abgebildet werden, wie z. B. klinische Entscheidungsfindung und klinisches Denken, Risikokommunikation, Patientenaufklärung und Fehlermanagement.
Um einen möglichst objektiven Prüfungsablauf an allen Fakultäten garantieren zu können, werden die Prüfungsregularien zentral erarbeitet. Die Erstellung der Prüfungsaufgaben, inkl. Konzeption von Musterlösungen, Checklisten, Drehbüchern für Simulationspatienten etc., erfolgt im IMPP, damit bundesweit eine standardisierte Durchführung der OSCE-Prüfungen gewährleistet werden kann.