Die geeignete Behandlung osteochondraler Läsionen wird aufgrund der spärlichen Primärliteratur weiterhin kontrovers diskutiert. Wissenschaftlicher Konsens ist ein stadiengerechtes Vorgehen. Während stabile Läsionen konservativ behandelt werden sollten, ist das geeignete chirurgische Verfahren sowohl vom Stadium als auch anderen Indikationsschwerpunkten abhängig.
Konservative Therapie
Wissenschaftliche Arbeiten zur konservativen Behandlung der OD sind rar. Einigkeit besteht in der Tatsache, dass hohe Erfolgsraten nur bei stabilen Läsionen möglich sind [
31,
32,
49]. Prinzipiell basiert die Therapie auf der Reduktion des Aktivitätsniveaus des betroffenen Ellenbogens und dem Vermeiden von repetitivem Stress, insbesondere Valgusstress sowie axiale Krafteinleitung. Dies beinhaltet eine strenge Sportkarenz für armbetonte Sportarten, wie sie häufig von den Betroffenen ausgeübt werden (Wurfsportarten, Gewichtheben etc.). Einige Autoren empfehlen eine kurze Phase der Ruhigstellung von bis zu 6 Wochen [
5,
14]. Dies kann besonders in der Akutphase zur Schmerzreduktion sinnvoll sein und mit der medikamentösen Einnahme von Analgetika der WHO-Klasse I einhergehen. Dennoch eine evidenzbasierte Empfehlung zur Ruhigstellung fehlt [
50]. Während einige Autoren eine vollständige Ruhigstellung empfehlen, postulieren andere Arbeiten Orthesen, die ein reduziertes Bewegungsausmaß zulassen, um eine konsekutive Steifigkeit zu vermeiden.
Nach der initialen Ruhigstellung sollte zur Prävention der Steifigkeit und bis zur Konsolidierung der Symptome eine Physiotherapie folgen. Auch wenn hier genaue Behandlungsvorschläge fehlen, ist das Vermeiden von mechanischem Stress auf das Ellenbogengelenk bei der physiotherapeutischen Beübung empfohlen. Entlastung durch passive Bewegungsübungen und manuelle Therapie mit Traktion sind aktuell die gängige Praxis.
Die konservative Therapie kann bei stabilen Läsionen hohe Erfolgsraten erzielen
Matsuura et al. [
32] untersuchten das Outcome von 176 konservativ behandelten Patienten mit einer stabilen OD. Die konservative Therapie wurde als mindestens 6‑monatige Vermeidung von schweren Lasten des betroffenen Ellenbogens definiert. Die Heilungsraten der nicht-complianten Patienten lag mit 22,3 % deutlich unter denen der complianten Patienten mit 84,2 %. Die Patienten mit einer Stadium I Läsion, also ohne sichtbare Fragmentierung mit reiner Transparenzerhöhung im Röntgenbild, konnten Heilungsraten von 90,5 % und die mit Stadium-II-Läsionen, also einer stabilen, nicht dislozierten Fragmentbildung, zeigten Heilungsraten von 52,9 %. Die mittlere Heilungszeit der Stadium-I-Gruppe wurde mit 14,9 Monaten und der Stadium-II-Gruppe mit 12,3 Monaten angegeben. Als „Heilung“ wurde die Konsolidierung im nativen Röntgenbild bezeichnet.
Eine ebenfalls auf das native Röntgenbild verweisende Arbeit ist die von Mihara et al. [
33]. Sie untersuchten die Heilungsraten von insgesamt 39 Baseballspielern. Auch hier wurde in die oben genannten Stadien eingeteilt und Patienten mit Stadium I und II, also einer stabilen Läsion, konservativ behandelt und evaluiert. Mihara et al. schließen neben demographischen Charakteristika die Reife der Wachstumsfuge in ihre Auswertung mit ein. Von den 17 Patienten mit offener Wachstumsfuge heilten 16 letztendlich aus. Von den 22 Patienten mit geschlossener Wachstumsfuge konnte nur in 50 % eine Heilung nachgewiesen werden. 30 der 39 Patienten hatten Stadium-I-Läsionen und 9 Stadium-II-Läsionen, von denen lediglich ein Patient (1/9) geheilt werden konnte. Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass aus der Gruppe mit geschlossenen Wachstumsfugen, fast die Hälfte höhergradige Läsionen aufwies und daher das Ergebnis der Vergleichsgruppen etwas schmälert. Nichtsdestotrotz scheint die offene Wachstumsfuge als Prognosekriterium für die konservative Therapie berechtigt zu sein. Takahara et al. [
48] bestätigen diesen Fund in ihrer retrospektiven Analyse von insgesamt 106 Patienten, von denen 36 konservativ durch Sportkarenz therapiert wurden. Neben der offenen Wachstumsfuge sind auch das Bewegungsausmaß zum Zeitpunkt der Diagnosestellung als auch die Compliance positive Prognosefaktoren für das Gelingen der konservativen Therapie.
Prognosefaktoren für die konservative Therapie sind Gegenstand aktueller Forschungsarbeiten wie der von Funakoshi et al. [
17]. Unter Einbeziehung mehrerer radiologischer Bildgebungsverfahrung (konv. Röntgen, CT und MRT) gehen Funakoshi et al. auf die Vergrößerung des Radiuskopfes sowie der Differenz des Skelettalters nach Dimeglio et al. [
15], ein modifiziertes Scoringsystem nach Sauvagrain, zwischen geheilter und nicht-geheilter OD ein. Sauvagrain et al. publizierten ein Scoringsystem mit insgesamt 27 Punkten, aufgeteilt auf vier anatomische Strukturen des Ellenbogens [
43]. In der Regressionsanalyse von Funakoshi et al. [
17] konnte ein hoher skelettaler Alters- und Entwicklungsunterschied, insbesondere mit differenten fortgeschrittenen Wachstum des Radiuskopfes, des lateralen Kondylus als auch des Olekranons als negative Prädiktoren für die konservative Therapie extrahiert werden.
Die Arbeitsgruppe von Niu et al. [
36] arbeitete ebenfalls weitere Entscheidungskriterien auf Grundlage einer Regressionsmodelanalyse aus. Dafür untersuchten sie retrospektiv insgesamt 89 Patienten (93 Ellenbogengelenke) mit einer OD des Capitulums nach. Nebst der MRT-basierten Hefti-Klassifikation und weiteren möglichen Einflussfaktoren wurden auch MRT-morphologische Charakteristika wie die Reife der Wachstumsfuge, zystische Veränderungen, die Defektlokalisation und die Relation zwischen Defektgröße bezogen auf die Gesamtgröße des Capitulums in das Regressionsmodel einbezogen [
19]. Den Ergebnissen folgend hatten das Geschlecht, die Sportart, der dominante Arm sowie die initiale Beweglichkeit keinen Einfluss auf die Heilungschancen der konservativen Behandlung. Vielmehr scheinen eine kurze Symptomdauer vor Beginn der Therapie, das Fehlen zystischer Strukturen als auch die relative Defektgröße bezogen auf das individuell ausgemessene Capitulum prognosebestimmend zu sein. Die Reife der Wachstumsfuge beeinflusste die Heilungsprognose nicht signifikant, was verglichen mit den oben zitierten Studien überrascht. Die Gesamtheilungsrate wurde deutlich geringer mit 53 % angeben bei einer mittleren Therapiezeit mit 8,3 Monaten [
36].
Die Variabilität der zitierten Studien bezogen auf das Studiendesign, die Begrifflichkeit und Definition von Heilung und deren Bemessungsmethoden (konv. Röntgen, MRT, Symptomverlust) sowie die unterschiedlich verwendeten Klassifikationssysteme lassen einen direkten Vergleich nicht zu. Zusammenfassend lässt sich dennoch definieren, dass eine früh erkannte stabile Läsion häufig von der konservativen Therapie profitieren kann. Bei dem Vorhandensein skelettaler Reifeunterschiede, v. a. eines vergrößerten Radiuskopfes, dem Auftreten von zystischen Veränderungen und langer prätherapeutischer Symptomdauer sollte selbst bei stabilen großen Läsionen ein konservatives Prozedere hinterfragt werden.