Versorgung von Herzpatienten

Kardiologische Rehabilitation - Kardiovaskuläre Erkrankungen sind in Deutschland nach wie vor die häufigste Todesursache. Deshalb sind die kardiovaskuläre Risikoprävention und kardiologische Rehabilitation wichtige Elemente zur individuellen und gezielten Versorgung von Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Besondere Bedeutung hat dabei die Behandlung der Hypercholesterinämie. Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems wie Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheit (KHK) und Myokardinfarkt zählen in Deutschland zu den häufigsten Gesundheitsstörungen. Mit einem Anteil von 37% sind sie die Todesursache Nummer eins – und liegen damit deutlich vor Tumorerkrankungen, die für insgesamt 25% der Todesfälle verantwortlich sind (s. Abb.) [1, 2]. Abb. 1 Springer Medizin Verlag GmbH × Zu den wichtigsten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören kardiometabolische Erkrankungen wie Hypertonie, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen und Adipositas. Verhaltensweisen wie Rauchen, körperliche Inaktivität und ungesunde Ernährung können das Erkrankungsrisiko zusätzlich erhöhen [3]. Kardiovaskuläre Risikofaktoren positiv beeinflussen Da sämtliche Faktoren durch ein gesundheitsbewusstes Verhalten und/oder medikamentöse Therapien beeinflusst werden können, eröffnet sich an dieser Stelle ein großes Präventionspotenzial [4]. Dies ist nicht zuletzt deshalb von Bedeutung, weil viele Patienten die in den ESC/EAS-Dyslipidämie-Leitlinien von 2019 geforderten Zielwerte für Blutdruck, Blutzucker und Low Density Lipoprotein Cholesterin (LDL-C) nicht erreichen [5]. Für die kardiologische Rehabilitation als Teilaspekt der kardiovaskulären Prävention konnte eine Vielzahl positiver Effekte nachgewiesen werden [6]. Sie ist daher ein wesentlicher Bestandteil der gezielten Versorgung von Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und hat in der aktuellen „S3-Leitlinie zur kardiologischen Rehabilitation im deutschsprachigen Raum Europas“ für Patienten mit KHK, Herzinsuffizienz, Klappenvitien und/oder psychologischer Komorbidität eine 1A-Empfehlung erhalten [7]. Die interdisziplinäre und intersektorale Zusammenarbeit während der kardiologischen Rehabilitation, aber auch während der anschließenden Therapie durch weiterbehandelnde Ärzte, kann eine zusätzliche Chance für die gezielte Versorgung von Patienten darstellen. LDL-C-Spiegel pharmakologisch senken Lipidsenkung - Beim Lipidmanagement steht die pharmakologische Senkung des LDL-C an erster Stelle, sagt Prof. Dr. Bernhard Schwaab, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen e.V. (DGPR). Er betont, dass das LDL-C-Ziel mit dem Patienten verabredet werden und es für ihn im Alltag auch langfristig umsetzbar sein muss. Prof. Dr. Bernhard Schwaab: DGPR-Präsident und Chefarzt des Rehabilitationszentrums Curschmann Klinik, Timmendorfer Strand Bernhard Schwaab × Welche Bedeutung haben Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland derzeit, und wie wird dies zukünftig aussehen? Schwaab: Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen noch immer an erster Stelle der Morbiditäts- und Mortalitätsstatistiken. Die Inzidenz an kardiovaskulären Erkrankungen nimmt zudem nicht ab. Insofern wird die Bedeutung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen angesichts der demografischen Entwicklung und des nicht unbedingt besser werdenden Gesundheitsverhaltens der Menschen eher weiterhin zunehmen. Wie finden Konzepte der kardiovaskulären Risikoprävention, insbesondere des Lipidmanagements, in der kardiologischen Rehabilitation Eingang? Ein wesentliches Element der kardiologischen Rehabilitation ist die internistische oder kardiologische Pharmakotherapie. Beim Lipidmanagement steht die Senkung des LDL-C – als ein entscheidender, aber modifizierbarer kardiovaskulärer Risikofaktor – an erster Stelle. In unserer Rehabilitationsklinik profitieren wir davon, dass die Patienten etwa drei Wochen lang bei uns sind. In dieser Zeit können wir das gesamte kardiovaskuläre Risikoprofil des Patienten evaluieren, Überzeugungsarbeit leisten, was die medikamentöse Adhärenz angeht, und vor allem den LDL-C-Wert senken. In diesem Zusammenhang ist es mir sehr wichtig zu sagen, dass der LDL-C-Spiegel pharmakologisch gesenkt werden muss. Je nach individuellem Patientenrisiko bzw. individuellen Lipidausgangswerten ist eine Ernährungstherapie allein zur LDL-C-Zielwerterreichung in aller Regel nicht ausreichend. Wir haben unsere Patienten früher mit Ernährungstipps geradezu gequält; wir haben die Eier verteufelt, nur um das LDL-C zu senken – und das war im Nachhinein falsch. Entscheidend ist die pharmakologische LDL-C-Wert-Kontrolle. Die positiven Wirkungen einer herz- und gefäßgesunden Ernährung gehen weit über die Senkung des LDL-C hinaus, z.B. das Körpergewicht senken oder stabil halten, Entzündungsvorgänge im Körper reduzieren und die Fließeigenschaft des Bluts verbessern. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Aspekte in der kardiologischen Rehabilitation von Myokardinfarkt-Patienten? Evidenzbasiert innerhalb der kardiologischen Rehabilitation ist die Bewegungstherapie. Sie steht absolut an erster Stelle. Zweiter wichtiger Aspekt ist das, was wir unter psychosozialer Unterstützung subsumieren: die Anleitung zur Krankheitsbewältigung, wenn das Vertrauen in den eigenen Körper verloren gegangen ist, Vermitteln von Coping-Mechanismen und Strategien zum Angstabbau. Eine Aufklärung über kardiovaskuläre Risikofaktoren, z.B. das LDL-C, ist zudem sinnvoll. Seit Januar 2020 gibt es eine neue S3-Leitlinie zur kardiologischen Rehabilitation im deutschsprachigen Raum Europas [7]. Auch für die DGPR-Leitlinien wird in Kürze eine Aktualisierung erwartet. Wie schlagen sich die ESC/EAS-Dyslipidämie-Leitlinien [5] hier nieder? Die DGPR ist eine Fachgesellschaft, die eine Reduktion der LDL-C-Werte als Behandlungsziel ganz klar anerkennt, und wir unterstützen die Bestrebungen der Fachgesellschaften ESC und EAS, die LDL-C-Werte deutlich zu senken. Wichtig ist aber in erster Linie, das kardiovaskuläre Risiko nach einem Ereignis zu bewerten und die LDL-C-Zielwerte mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu erreichen. Wir in der Reha können hierbei nur den Anfang machen und brauchen für die ganzheitliche und vor allem leitliniengerechte Therapie die niedergelassenen Kollegen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang aus meiner Sicht, dass das LDL-C-Behandlungsziel mit dem Patienten verabredet werden muss – im Sinn eines „shared decision making“. Wir müssen auch eine Therapie vereinbaren, die für den Patienten im Alltag langfristig umsetzbar ist. Diesen Anspruch haben wir in der S3-Leitlinie zur kardiologischen Rehabilitation durch die Einbindung von Patienten dokumentiert – in den ESC/EAS-Dyslipidämie-Leitlinien fehlt diesbezüglich bislang ein Hinweis [5]. Wie können Sie als Rehabilitationsmediziner die Weiterversorgung des Patienten für die Haus- und Fachärzte vorbereiten? Zwei Dinge sind wichtig: Zum einen muss der Patient im Umgang mit seiner Erkrankung gut geschult werden und erkennen, dass beispielsweise eine systemische Erkrankung wie die Atherosklerose sein Risiko für kardiovaskuläre Folgeereignisse deutlich erhöht. Durch die Entwicklung einer guten Selbstreflexion kann er so zum Erfolg der Behandlung beitragen. Außerdem wird so auch die Therapieadhärenz nachhaltig gefördert. Zum anderen müssen wir in unseren Arztbriefen ganz klare Zielvorgaben machen und die nächsten Behandlungsschritte benennen, beispielsweise: LDL-C-Wert <70 mg/dl (<1,8 mmol/l), Kontrolle in sechs Wochen, Erweiterung der Therapie um Ezetimib oder einen PCSK9 (Proprotein-Convertase-Subtilisin-Kexin-Typ-9)-Inhibitor. Wenn man nur schreibt: „LDL-C-Therapie gemäß den Leitlinien“, dann ist das zu unpräzise und lässt zu große Spielräume, die wir uns bei diesen kardiovaskulären Hochrisikopatienten nicht leisten können. Welche Entwicklungen prognostizieren Sie für die kardiovaskuläre Risikoprävention im Rahmen der kardiologischen Rehabilitation in den nächsten zehn Jahren? Meine Erwartung – und Hoffnung – ist, dass wir mit einer individualisierten und gezielten Therapie, bei der Statine, Ezetimib und PCSK9-Inhibitoren differenziert eingesetzt werden, bei deutlich mehr kardiovaskulären Hochrisikopatienten die LDL-Cholesterin-Zielwerte erreichen. Literatur https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GesInDtld/gesundheit_in_deutschland_2015.pdf?__blob=publicationFile, letzter Aufruf: 16. Oktober 2020 https://www.destatis.de/DE/Themen//Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Todesursachen/Tabellen/gestorbene_anzahl.html, letzter Aufruf: 16. Oktober 2020 Thefeld W, Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2000, 43:415–423 https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Themen/Chronische_Erkrankungen/HKK/HKK_node.html, letzter Aufruf: 16. Oktober 2020 Mach F et al., Eur Heart J 2020, 41:111–188 Völler H, Schwaab B, Kardiologe 2020, 14:106–112 https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/133-001k_S3-Kardiologische-Rehabilitation-in-D-A-CH_2020-04.pdf, letzter Aufruf: 16. Oktober 2020 Impressum „Versorgung von Herzpatienten“ Literaturarbeit und Interview Berichterstattung: Dr. Silke Wedekind, Frankfurt am Main Artikel gedruckt in Cardio News 11/12, Dezember 2020 Mit freundlicher Unterstützung der Amgen GmbH, München Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Ulrike Maronde Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführer: Joachim Krieger, Fabian Kaufmann Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: Versorgung von Herzpatienten

Live-Webinar "Chronische Unterbauch- und Viszeralschmerzen in der Praxis managen"

Springer Medizin

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten