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Open Access 13.11.2023 | Künstliche Intelligenz | Leitthema

Anwendungen künstlicher Intelligenz in der Onkologie: Möglichkeiten, Machbarkeit und regulatorische Herausforderungen

verfasst von: Prof. Dr. Dr. h.c. Frederik Wenz, Stefan Ebener

Erschienen in: Die Onkologie

Zusammenfassung

Die Integration von künstlicher Intelligenz (KI) in die Onkologie verspricht eine Revolution in Diagnose, Behandlung und Forschung. Es werden verschiedene Anwendungen betrachtet, wobei auf die Belastung und den Burnout von Onkologen eingegangen wird. Die Potenziale werden umfassend erörtert, angefangen bei der Prävention durch Wearables und KI-gestützte Analyse von Gesundheitsdaten bis zur personalisierten Behandlungsplanung und beschleunigten Medikamentenentwicklung. Ein Fokus liegt auf AlphaFold, einer KI-Anwendung für Protein-Folding. Die Verwaltung von Patientendaten und die Erstellung von Befundberichten werden durch KI optimiert, wobei Suchmaschinen und Large Language Models (LLM) eine herausragende Rolle spielen. Die zunehmende Spezialisierung von LLM, etwa in der medizinischen Textgenerierung, verdeutlicht die wachsende Bedeutung. Die Machbarkeit solcher KI-Anwendungen ist gegeben, wobei Ressourcen- und Schulungsbedarf für das medizinische Personal berücksichtigt werden müssen. Kommerzielle Organisationen, wie DeepMind, spielen eine wichtige Rolle in der Umsetzung von KI in die klinische Praxis. Regulatorische Herausforderungen werden diskutiert, einschließlich Datenschutz, Qualitätskontrolle, Haftung und ethische Aspekte. Der European Health Data Space (EHDS) ist eine vielversprechende Initiative für die Förderung des sicheren Datenaustauschs innerhalb der EU. Insgesamt kann KI bedeutende Fortschritte in der Onkologie ermöglichen. Die regulatorischen Herausforderungen erfordern jedoch Sorgfalt und Aufmerksamkeit, um eine ethisch verantwortungsvolle und sichere Implementierung sicherzustellen. KI-Anwendungen können die Krebsversorgung verbessern, die Patientenversorgung revolutionieren und die Arbeitsbelastung für medizinisches Personal reduzieren.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Die Onkologie ist ein Feld, das sich ständig weiterentwickelt, und die Integration künstlicher Intelligenz (KI) hat das Potenzial, die Diagnose, Behandlung und Forschung im Bereich der Krebserkrankungen zu revolutionieren. Diese Übersichtsarbeit beleuchtet die vielfältigen Anwendungen von KI in der Onkologie, die Machbarkeit ihrer Umsetzung und die damit verbundenen regulatorischen Herausforderungen (Abb. 1).

Burnout-Risiko

Ärzte und deren Teams in der Onkologie sind überdurchschnittlich vom Burnout betroffen [2]. Die ständige Konfrontation mit schwerkranken Patienten, emotional belastenden Entscheidungen und langen Arbeitszeiten führt oft zu chronischem Stress. Die komplexe und oft palliative Natur der Krebsbehandlung kann emotional sehr anspruchsvoll sein. Die Bürokratie und die erforderliche Dokumentation spielen in der Onkologie eine bedeutende Rolle und können zusätzlich zum Burnout-Risiko der Ärzte beitragen.
Schätzungsweise 40–50 % der Onkologen in den USA leiden unter Burnout
So müssen Onkologen umfangreiche Patientenakten führen, die alle relevanten medizinischen Informationen enthalten. Dies erfordert viel Zeit und Aufmerksamkeit, was die klinische Arbeit belastet und die Arzt-Patienten-Interaktion einschränken kann. Die Onkologie unterliegt strengen regulatorischen Anforderungen und Qualitätsstandards. Ärzte müssen sicherstellen, dass sie diese Vorschriften einhalten, was zusätzlichen Verwaltungsaufwand bedeutet. Auch die Abrechnung von Leistungen und die Auseinandersetzung mit Versicherungen sind in der Onkologie oft komplex. Ärzte müssen sicherstellen, dass sie korrekte Abrechnungen erstellen, was Zeit und Energie erfordert. Darüber hinaus ist die Dokumentation von Behandlungsergebnissen entscheidend für die Qualitätssicherung und die Forschung. Dies kann jedoch zeitaufwendig sein und die klinische Arbeit zusätzlich belasten.
Schätzungsweise 40–50 % der Onkologen in den USA leiden unter Burnout [4]. Dieser Zustand kann nicht nur die Lebensqualität der Ärzte beeinträchtigen, sondern auch die Patientenversorgung gefährden. Es ist daher entscheidend, Maßnahmen zur Prävention und Bewältigung von Burnout in der onkologischen Gemeinschaft zu implementieren.

Möglichkeiten der KI in der Onkologie

Künstliche Intelligenz (KI) kann Ärzte in der Onkologie erheblich entlasten, indem sie mehrere Schlüsselaufgaben automatisiert und optimiert und die Lebens- und Behandlungsqualität für die Patienten verbessert.

Prävention

Die Potenziale der Prävention in der Onkologie durch KI insbesondere in Verknüpfung mit sog. Wearables sind enorm. Durch den Einsatz von Wearables, wie beispielsweise Smartwatches oder Fitness-Tracker, können kontinuierlich Gesundheitsdaten von großen Probandenzahlen gesammelt werden. Diese Daten bieten die Möglichkeit, frühzeitig Anomalien im Körper zu erkennen und somit Krankheiten wie Krebs in einem frühen Stadium zu identifizieren.
Durch den Einsatz von KI können diese gesammelten Daten von großen Probandenzahlen analysiert und interpretiert werden. KI-gestützte Algorithmen können Muster und Zusammenhänge erkennen, die für das bloße menschliche Auge verborgen bleiben. Dadurch können Risikofaktoren für Krebs identifiziert und präventive Maßnahmen ergriffen werden, um das Risiko einer Erkrankung zu reduzieren.
Durch die kontinuierliche Erfassung können Veränderungen im Krankheitsverlauf frühzeitig erkannt werden
Ein weiterer Vorteil von Wearables und KI besteht darin, dass sie die Überwachung und Betreuung von Krebspatienten im weiteren Krankheitsverlauf verbessern können. Durch die kontinuierliche Erfassung von Gesundheits- und Verhaltensdaten können Veränderungen im Krankheitsverlauf frühzeitig erkannt werden. Dies ermöglicht eine frühzeitige Anpassung der Behandlung und eine bessere Kontrolle des Krankheitsverlaufs.

Früherkennung und Diagnose

Die Früherkennung von Krebs ist entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung. KI-Algorithmen können umfangreiche medizinische Daten analysieren, darunter bildgebende Verfahren wie Magnetresonanztomographie (MRT) und Computertomographie(CT)-Scans sowie genetische Profile. Diese Daten ermöglichen präzisere Diagnosen und die Identifizierung von Krebsrisiken auf individueller Ebene. Ein Beispiel ist der Einsatz von KI zur Erkennung von Tumoren in Mammographien, was nicht nur die Genauigkeit und Geschwindigkeit der Diagnose erhöht, sondern vielfach auch zu einer früheren Identifizierung beigetragen hat. Die erste zugelassene Plattform zur Früherkennung von Darmpolypen aus den Screening-Endoskopie-Videos zeigt vielversprechende Ergebnisse mit einer hohen Sensitivität und akzeptabler Falsch-positiv-Rate [1].

Personalisierte Behandlungspläne

Die KI kann auch dazu beitragen, personalisierte Behandlungspläne zu entwickeln. Durch die Analyse von Patientendaten und genetischen Informationen können Algorithmen vorhersagen, wie ein bestimmter Tumor auf verschiedene Therapien reagieren wird. KI kann große Mengen von Patientendaten und wissenschaftlichen Erkenntnissen durchsuchen und individuelle Faktoren wie Genetik, Verhältnis- und Verhaltensfaktoren sowie die Vorgeschichte berücksichtigen. Dies ermöglicht eine maßgeschneiderte Behandlung, die die Chancen auf eine erfolgreiche Remission erhöht und die Nebenwirkungen minimiert.

Medikamentenentwicklung

Die Identifizierung neuer Medikamente zur Krebsbehandlung ist ein zeitaufwendiger Prozess. KI beschleunigt die Identifizierung von potenziellen Wirkstoffen für Krebsbehandlungen durch die Analyse von großen Datensätzen. KI kann große Mengen von medizinischen Daten analysieren und Muster erkennen, die menschlichen Forschern möglicherweise entgehen. Dies beschleunigt die Drug Discovery und ermöglicht die Entwicklung innovativer Therapien.

Konkretes Beispiel AlphaFold

AlphaFold (Google Deepmind, London, UK), entwickelt von DeepMind, ist eine wegweisende KI-Anwendung im Bereich des Protein-Foldings. Obwohl sie ursprünglich für die Proteinstrukturbestimmung entwickelt wurde, bietet AlphaFold auch erhebliches Potenzial für die Onkologie, da viele Krebserkrankungen auf fehlerhafte Proteine zurückzuführen sind. Hier sind einige Einsatzmöglichkeiten und Potenziale von AlphaFold in der Onkologie:

Aufklärung der Proteinstruktur

Eine der grundlegenden Herausforderungen in der Onkologie besteht darin, die dreidimensionale Struktur von Proteinen zu verstehen, die in Krebsprozesse involviert sind. AlphaFold kann präzise Vorhersagen über die Struktur von Proteinen erstellen, was dazu beitragen kann, die Mechanismen hinter Krebs besser zu verstehen. Dies könnte neue Ansätze für die Entwicklung von Krebsmedikamenten ermöglichen.

Identifikation von Biomarkern

AlphaFold kann dazu beitragen, spezifische Proteine oder Proteinstrukturen zu identifizieren, die als Biomarker für bestimmte Krebsarten dienen können. Biomarker spielen eine entscheidende Rolle bei der Früherkennung von Krebs, der Auswahl von Therapieoptionen und der Verfolgung des Krankheitsverlaufs. Durch die präzise Identifikation von Biomarkern können Krebsdiagnosen genauer und effektiver gestaltet werden.

Entwicklung von personalisierter Therapie

Die Personalisierung von Krebstherapien basiert auf dem Verständnis der individuellen genetischen und proteomischen Profile eines Patienten. AlphaFold kann dazu beitragen, die Struktur fehlerhafter Proteine in einem Krebsgewebe zu entschlüsseln. Dies ermöglicht die Entwicklung von maßgeschneiderten Therapien, die gezielt auf die individuellen Proteinstrukturen abzielen, die den Krebs antreiben.

Vorhersage von Medikamenteninteraktionen

In der Onkologie ist die Interaktion von Medikamenten mit Zielproteinen von entscheidender Bedeutung. AlphaFold kann dabei helfen, die Wechselwirkungen zwischen Krebsmedikamenten und spezifischen Proteinstrukturen vorherzusagen. Dies erleichtert die Identifizierung potenzieller Arzneimittelkandidaten und kann die Arzneimittelentwicklung beschleunigen.

Simulation von Therapieeffekten

Durch die Simulation der Wechselwirkungen zwischen Medikamenten und Zielproteinen kann AlphaFold dazu beitragen, die erwarteten Therapieeffekte vorherzusagen. Dies ermöglicht eine präzisere Bewertung der Wirksamkeit von Therapien und kann dazu beitragen, Therapieentscheidungen zu optimieren.
Die Anwendung von AlphaFold in der Onkologie zeigt, wie Fortschritte in der KI-Forschung die Möglichkeiten zur Bewältigung komplexer medizinischer Herausforderungen erweitern können. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass weiterhin umfangreiche klinische Studien und Zusammenarbeit zwischen Forschern und Ärzten erforderlich sind, um das volle Potenzial dieser Technologie auszuschöpfen und ihre Wirksamkeit in der Praxis zu validieren.

Verwaltung von Patientendaten und Erstellung von Befundberichten

KI kann Patientenakten verwalten, relevante Informationen extrahieren, zusammenfassen und in Echtzeit aktualisieren. Dies erhöht die Effizienz und Präzision bei der Patientenbetreuung. Die Rolle von Suchmaschinen und Large Language Models (LLM), um relevante Informationen aus den teilweise verteilten Datensilos zu extrahieren, zu organisieren und nutzbar zu machen steht erst am Anfang einer aufregenden Entwicklung (Abb. 2).
Klinische Suchmaschinen unterscheiden sich erheblich von bekannten öffentlichen Systemen
Suchmaschinen sind Softwareprogramme, die entwickelt wurden, um große Mengen an Informationen zu durchsuchen und dem Benutzer relevante Ergebnisse bereitzustellen. Im Gesundheitswesen werden Suchmaschinen eingesetzt, um medizinische Datenbanken, wissenschaftliche Artikel, klinische Studien und andere Ressourcen nach relevanten Informationen zu durchsuchen. Sie ermöglichen es den medizinischen Fachkräften, schnell auf wichtige Informationen zuzugreifen und fundierte Entscheidungen zu treffen. Klinische Suchmaschinen unterscheiden sich jedoch erheblich von bekannten öffentlichen Systemen, da sie erhebliche Herausforderungen in der Datenharmonisierung haben sowie mit einer Vielzahl unterschiedlicher Datenformate umgehen können müssen.
Large Language Models (LLM) sind fortschrittliche Algorithmen aus dem Bereich der generativen KI, die menschenähnliche Sprachverarbeitungsfähigkeiten besitzen. Sie können natürliche Sprache verstehen und generieren, was sie in die Lage versetzt, komplexe Fragen zu beantworten und menschenähnliche Konversationen zu führen. Diese Modelle können auch für die Verarbeitung von medizinischem Fachwissen und die Generierung von relevanten Informationen verwendet werden.
In Bezug auf die Extrahierung von Patienteninformationen können Suchmaschinen und LLM verschiedene Techniken verwenden, um wichtige Daten zu identifizieren und zu sammeln. Sie können Informationen aus elektronischen Gesundheitsakten, medizinischen Diagnosen, verschreibungspflichtigen Medikamenten und anderen Quellen filtern. Durch die Nutzung von Suchalgorithmen und maschinellem Lernen können sie Informationen bestimmten Bedingungen zuordnen oder Trends und Muster erkennen. Potenziell ergibt sich hierdurch eine Strategieänderung in der medizinischen Dokumentation, weil der Zwang, Ärzte in ein strukturiertes Dokumentationskorsett zu zwingen, und der Aufwand, Daten strukturiert und geordnet abzuspeichern, durch moderne Such- und Extraktionsverfahren reduziert werden kann.
Die organisierte Darstellung von extrahierten Informationen aus teilweise unstrukturierten Daten ist ebenfalls von großer Bedeutung. Die Daten müssen in einer verständlichen und übersichtlichen Weise präsentiert werden, um ihre Nutzung zu erleichtern bzw. erst zu ermöglichen. Suchmaschinen und Language Models können dabei helfen, die extrahierten Informationen zu kategorisieren, zu taggen und zu strukturieren.
Der Markt der LLM steht noch am Anfang, es lässt sich aber bereits ein klarer Trend zu immer spezialisierteren Modellen – insbesondere in der Medizin – erkennen. Derzeit liefern sich die großen Technologiekonzerne ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Med-PaLM 2 von Google, Azure Health Bot von Microsoft, BioGPT von OpenAI aber BioNeMo von NVIDIA sind nur einige Beispiele. Die Einsatzgebiete variieren stark von den wissenschaftlichen Anwendungen zur Beschleunigung der Arzneimittelentwicklung, über biomedizinische Textgenerierung und -gewinnung bis hin zum HIPAA-fähigen (mit dem US-amerikanischen Gesetz zum Schutz von Gesundheitsdaten, Health Insurance Portability and Accountability Act, kompatibel) und vorab trainierten Modell zum Extrahieren medizinischer Informationen aus unstrukturierten medizinischen Texten. Ein besonders hervorzuhebender Bereich ist die Beantwortung komplexer medizinischer Fragestellungen, wie sie bspw. bei seltenen Erkrankungen oder einem diffusen Symptombild vorzufinden sind. Die Kombination von aktuellen Informationen wie etwa Alter, Geschlecht, Gewicht, Datum und Grund der letzten Konsultation sowie Symptome des Patienten in Kombination mit der individuellen Krankengeschichte, Ergebnisse aller durchgeführten Tests oder Verfahren, bisherige Diagnosen, Behandlungspläne und potenzielle Prognosen ermöglicht eine schnelle Eingrenzung möglicher Krankheiten.

Forschung und Datenanalyse

KI kann wertvolle Einblicke aus großen Datenmengen gewinnen, um neue Trends und Erkenntnisse in der Onkologie zu identifizieren. Dies unterstützt die Forschung und verbessert das Verständnis der Krankheit.
Insgesamt ermöglicht KI den Ärzten, sich auf komplexere, klinisch bedeutsamere Aufgaben zu konzentrieren, während routinemäßige Aufgaben effizienter erledigt werden. Dies steigert die Genauigkeit der Diagnosen und Behandlungen, beschleunigt den Fortschritt in der Onkologie und verbessert letztendlich die Patientenversorgung.

Machbarkeit der KI-Anwendungen in der Onkologie

Die Machbarkeit von KI-Anwendungen in der Onkologie ist weitgehend gegeben. Die Technologie ist bereits weit entwickelt und wird kontinuierlich verbessert. Die Verfügbarkeit von umfangreichen medizinischen Datenbanken und die Fortschritte in der Rechenleistung tragen dazu bei, die Umsetzung von KI in der Onkologie voranzutreiben.
Die Implementierung von KI erfordert Ressourcen und Schulungen für das medizinische Personal
Die Implementierung von KI erfordert jedoch auch Ressourcen und Schulungen für das medizinische Personal. Die Integration von KI-Systemen in klinische Arbeitsabläufe erfordert eine sorgfältige Planung und Schulung, um sicherzustellen, dass die Ergebnisse zuverlässig und ethisch verantwortungsvoll sind.
Eine wichtige Rolle für die Translation der Erkenntnisse aus der Welt der KI-Grundlagenforschung und der Algorithmen in die Patientenversorgung übernehmen kommerzielle Organisationen, da traditionell akademische Strukturen limitierte Erfahrung mit Zertifizierung, Qualitätssicherung und Inverkehrbringung von medizintechnischen und medizininformatischen Produkten haben. So hat z. B. DeepMind, welches 2010 gegründet wurde und sich auf maschinelles Lernen und neuronale Netzwerke spezialisiert hat, eine bedeutende Rolle in der Weiterentwicklung der KI in der Onkologie gespielt. So wurden z. B. Algorithmen entwickelt, die medizinische Bildgebung wie MRT und CT-Scans analysieren, um Tumoren und Anomalien frühzeitig zu erkennen. Durch Automatisierung der Datenerfassung und -analyse kann es dazu beitragen, die Effizienz im Gesundheitswesen zu steigern und das Personal von repetitiven Aufgaben zu entlasten.

Regulatorische Herausforderungen für KI in der Onkologie

Die Einführung von KI in der Onkologie wirft auch regulatorische Herausforderungen auf. Hier sind einige der wichtigsten Fragen:

Datenschutz und Datensicherheit

Der Zugriff auf Patientendaten ist entscheidend für KI-Anwendungen, aber gleichzeitig müssen strenge Datenschutzbestimmungen und Sicherheitsmaßnahmen gewährleistet sein, um den Schutz sensibler Informationen sicherzustellen.

Qualitätskontrolle und Validierung

KI-Systeme müssen auf ihre Genauigkeit und Zuverlässigkeit hin überprüft werden. Dies erfordert klare Qualitätskontrollverfahren und Validierungsstudien, um sicherzustellen, dass die Algorithmen klinisch relevant sind.

Haftung und Ethik

Die Haftung im Zusammenhang mit KI-Anwendungen in der Onkologie ist ein komplexes Thema. Es muss geklärt werden, wer verantwortlich ist, wenn ein KI-System falsche Diagnosen stellt oder unerwünschte Ergebnisse liefert. Die ethischen Aspekte, wie die Einbeziehung von Patienten in Entscheidungen über die Verwendung von KI, sind ebenfalls von großer Bedeutung.

Regulatorische Zulassung

Die Zulassung von KI-Systemen für den klinischen Einsatz erfordert klare Richtlinien und Prüfverfahren. Regulierungsbehörden müssen sicherstellen, dass KI-Anwendungen sicher und wirksam sind, bevor sie in der Patientenversorgung eingesetzt werden.

Beispiel Europäischer Gesundheitsdatenraum

Der Europäische Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space, EHDS, [3]) ist eine Initiative der Europäischen Union, die darauf abzielt, den sicheren und interoperablen Austausch von Gesundheitsdaten innerhalb der EU zu fördern. Einerseits soll ermöglicht werden, dass der Bürger auf seiner Reise durch die EU stets Zugriff auf seine Gesundheitsdaten haben soll. Andererseits sollen die Potenziale der wirtschaftlichen Wertschöpfung innerhalb der EU durch Erleichterungen bei der (Sekundär‑)Datennutzung für öffentliche und privatwirtschaftliche wissenschaftliche Zwecke gehoben werden.
Der EHDS wird voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf die KI in der Onkologie haben
Der EHDS wird voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf die KI in der Onkologie haben, indem er den Zugang zu und die Nutzung von Gesundheitsdaten innerhalb der EU verbessert. Hier sind einige der erwarteten Auswirkungen:

Verbesserte Datenverfügbarkeit

Der EHDS fördert den sicheren Austausch und die gemeinsame Nutzung von Gesundheitsdaten über Ländergrenzen hinweg. Dies bedeutet einen breiteren Zugang zu einer größeren Vielfalt von Patientendaten, was die Trainingsdaten für KI-Modelle in der Onkologie erheblich erweitern kann.

Steigerung der Genauigkeit und Personalisierung

Mit Zugriff auf eine größere Datenmenge kann die KI in der Onkologie genauere Diagnosen erstellen und personalisierte Behandlungspläne entwickeln. Dies ist entscheidend für die Verbesserung der Patientenversorgung und die Effektivität von Krebstherapien.

Beschleunigte Forschung

Der EHDS kann die Geschwindigkeit der klinischen Forschung in der Onkologie erhöhen, da Forscher auf umfangreichere Datenmengen zugreifen können. Dies ermöglicht es, schnellere Fortschritte bei der Entdeckung neuer Krebstherapien und -behandlungen zu erzielen.

Ethik und Datenschutz

Der EHDS wird strenge Datenschutzrichtlinien und -vorschriften beinhalten, um die Privatsphäre der Patienten zu schützen. Dies gewährleistet, dass die Nutzung von Gesundheitsdaten für KI-Anwendungen in der Onkologie ethisch und rechtskonform erfolgt.

Interoperabilität

Der EHDS wird die Interoperabilität von Gesundheitsdaten fördern, was die Integration von KI-Systemen in bestehende Gesundheitsinfrastrukturen erleichtert. Dies ermöglicht eine nahtlose Zusammenarbeit zwischen KI und medizinischem Fachpersonal.

Förderung von Start-Ups und Innovation

Der Zugang zu Gesundheitsdaten über den EHDS kann Start-ups und Innovatoren in der KI-Branche ermutigen, neue Lösungen für die Onkologie zu entwickeln, was zu einer florierenden Innovationslandschaft führen kann.
Insgesamt wird der EHDS die KI in der Onkologie erheblich vorantreiben, indem er den Datenzugang verbessert, die Genauigkeit der Diagnosen erhöht, die Forschung beschleunigt und gleichzeitig die Privatsphäre der Patienten schützt. Dies hat das Potenzial, die Krebsversorgung in der gesamten EU zu revolutionieren und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.

Fazit für die Praxis

  • Die Integration von künstlicher Intelligenz (KI) in die Onkologie bietet erhebliche Möglichkeiten zur Verbesserung der Krebsdiagnose, -behandlung und -forschung.
  • Die Machbarkeit solcher Anwendungen ist gegeben, erfordert jedoch sorgfältige Planung und Schulung.
  • Für jeden Onkologen wird die Auseinandersetzung mit Limitationen und Artefakten zur Pflicht.
  • Die regulatorischen Herausforderungen müssen bewältigt werden, um sicherzustellen, dass KI in der Onkologie sicher und ethisch verantwortungsvoll eingesetzt wird.
  • Mit einer klaren Regulierung und einer engen Zusammenarbeit zwischen Medizinern, Forschern und Regulierungsbehörden kann KI einen bedeutenden Beitrag zur Bekämpfung von Krebs leisten, die Patientenversorgung revolutionieren, die Qualitätssicherung verbessern und die Arbeitsbelastung für die multiprofessionellen Teams in der Onkologie reduzieren.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

F. Wenz und S. Ebener geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Metadaten
Titel
Anwendungen künstlicher Intelligenz in der Onkologie: Möglichkeiten, Machbarkeit und regulatorische Herausforderungen
verfasst von
Prof. Dr. Dr. h.c. Frederik Wenz
Stefan Ebener
Publikationsdatum
13.11.2023
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Die Onkologie
Print ISSN: 2731-7226
Elektronische ISSN: 2731-7234
DOI
https://doi.org/10.1007/s00761-023-01428-4

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