Die deutsche S3-Leitlinie zu unkomplizierten Harnwegsinfektionen (HWI) wird ein Update erhalten. Eine wesentliche Änderung in der Therapie der akuten unkomplizierten HWI wird die stärkere Empfehlung nicht-antimikrobieller Alternativen sein. Hier hat sich die Evidenz in den letzten Jahren deutlich verbessert.
Auf dem diesjährigen DGU-Kongress gab Privatdozentin Dr. Jennifer Kranz ein Update zur Therapie unkomplizierter Zystitiden aus der in Kürze erscheinenden, überarbeiteten S3-Leitlinie zum Management unkomplizierter, bakterieller HWI bei Erwachsenen. Zu Beginn des Vortrags betonte Kranz die hohe Relevanz von HWI im Praxisalltag und verdeutlichte dies durch einen Faktencheck: Die S3-Leitlinie zu HWI rangiert mit mehr als einer Million Zugriffe auf Platz eins der am meisten aufgerufenen AWMF-Leitlinien.
Phytotherapie ist mit an Bord
Eine Änderung der Leitlinie besteht darin, dass erstmalig weitere Fachgesellschaften aufgenommen wurden. Dazu zählt zum einen die Fachgesellschaft für Geriatrie, da im Zuge des demografischen Wandels die geriatrische Patientenklientel in der Leitlinie berücksichtigt werden wird. Zum anderen werden die Fachgesellschaften für Phytotherapie und die für Naturheilkunde eingeschlossen, um einen besseren Blick für alternative Therapieoptionen zu erhalten. Auch sonst sollen neue Wege gegangen werden, um die Therapie einer der häufigsten Infektionen zu verbessern. Erstmals soll es auch eine separate Patientenleitlinie geben, um über Alternativen zu Antibiotika aufzuklären und das Arztgespräch an dieser Stelle zu entlasten. Unverändert, aber weiterhin essenziell sei die Unterscheidung zwischen komplizierten und unkomplizierten HWI, so Kranz (s. Abb. 1) [1].
Unkompliziert ist eine HWI dann, wenn es keine relevanten funktionellen/anatomischen Anomalien, keine Nierenfunktionsstörungen und keine relevanten Vor- und Begleiterkrankungen gibt [2]. „Bei einer unkomplizierten Zystitis ist auch bei rezidivierenden Episoden nicht mit gravierenden Komplikationen zu rechnen“, betonte Kranz. Im Gegenteil, die Spontanheilungsrate sei hoch, sie betrage 28 Prozent [3]. Entscheidend sei, dass die Warnzeichen für eine Pyelonephritis beachtet werden: Flankenschmerz, Fieber über 38 Grad bzw. Schüttelfrost und ein reduzierter Allgemeinzustand, so Kranz.
Antibiotika-Indikation kritisch stellen
Hervorzuheben sei insbesondere der Grundsatz zu Diagnostik und Therapie. Die Diagnose und Indikation zu Antibiotikatherapie sollen kritisch gestellt werden, sagte Kranz. Alternativen zu Antibiotika sind in erster Linie die symptomatische Therapie sowie die Behandlung mit einem geeigneten Phytotherapeutikum. Hier ändert sich die Formulierung in der neuen Leitlinie. Statt der bisherigen Kann-Empfehlung für Antibiotika-Alternativen heißt es künftig, eine nicht antibiotische Therapie „sollte“ erwogen werden. Diese Änderung ist die Folge von sechs kontrollierten Studien, zwei davon mit Phytotherapeutika. Darunter ist die CanUTI-7-Studie, die die pflanzliche Dreierkombination aus Rosmarin, Tausendgüldenkraut und Liebstöckel (RTL, enthalten in Canephron®) mit Fosfomycin verglich und Nichtunterlegenheit belegen konnte [4]. Die Sollte-Empfehlung für Antibiotikaalternativen gilt allerdings nur für nicht geriatrische Betroffene, mangels guter Daten für diese Patientengruppe. Bei den Antibiotika legt sich die neue Leitlinie auf Fosfomycin, Nitrofurantoin, Nitroxolin, Pivmecillinam und Trimethoprim fest. Diese Empfehlung richte sich nicht zuletzt gegen die immer noch weit verbreitete Praxis, Chinolone einzusetzen, so Kranz. „Die wollen wir bei akuter Zystitis nicht sehen.“
Das Wichtigste in Kürze |
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VERANSTALTUNG
„Faktencheck: Therapieaspekte von unkomplizierten Zystitiden“, Symposium anlässlich des DGU-Kongresses 2023, Leipzig, 20.–22. September 2023
Literatur:
[1] Kranz J et al., Urologe A 2020, 59:1480–1485
[2] S3-Leitlinie AWMF-Reg.-Nr. 043-044; Stand 4/2017 (in Überarbeitung)
[3] Ferry SA et al., Scand J Infect Dis 2004, 36:296–301
[4] Wagenlehner FM et al., Urol Int 2018, 101:327–336
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