Erschienen in:
01.11.2009 | Bericht aus der Praxis
Determinanten des Teilnahmeverhaltens bei Kindervorsorgeuntersuchungen (U1–U8)
Eine gesundheitswissenschaftliche Analyse zur Gesundheitsversorgung im Kindesalter
verfasst von:
Dr. med. Dr. P.H.H.L. Stich, MPH, R. Mikolajczyk, A. Krämer
Erschienen in:
Prävention und Gesundheitsförderung
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Ausgabe 4/2009
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Zusammenfassung
Hintergrund
Es ist belegt, dass die Teilnahmebereitschaft an Kindervorsorgeuntersuchungen (U-Vorsorgeuntersuchungen) mit steigendem Alter abnimmt. Obwohl diese Problematik erkannt und thematisiert wurde, kam es dennoch zu keiner nachhaltigen Steigerung der Teilnahmequoten. Ein Grund für dieses Defizit mag sein, dass die einzelnen Einflussfaktoren auf die Teilnahmebereitschaft bisher nicht exakt und zusammenhängend ermittelt wurden. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, Teilnahmequoten von U-Vorsorgeuntersuchungen und Einflussfaktoren für eine inkomplette Teilnahme zu ermitteln.
Methode
Im Rahmen der Einschulungsuntersuchungen wurden von 1972 Vorschulkindern die Vorsorgehefte („gelbe Hefte“) eingesehen. Routinemäßig wurden neben Alter und Geschlecht der Kinder die Teilnahmequoten von der U1 bis zur U9 erfasst. Ergänzend wurde ein Fragebogen an die Eltern ausgegeben. Aus diesem komplementären Fragebogen wurden die Angaben zum Rauchverhalten der Eltern, zum Migrationshintergrund, zur Familienstruktur, zur Art der Erziehung, zu Wohnverhältnissen, zur Lebensqualität, zum Bildungsstand und zu den Arbeitsbedingungen für die Analyse ausgewählt. Durch Kombination von Routine- und Zusatzdaten konnte ein anonymisierter Datensatz zur computerbasierten Auswertung erstellt werden.
Ergebnisse
Insgesamt hatten 15,6% der Vorschulkinder nicht an allen 8 Vorsorgeuntersuchungen teilgenommen, wobei mit 8,5% die U8 am häufigsten nicht durchführt wurde. Das Kindesalter und das Geschlecht des Vorschulkindes übten keinen signifikanten Einfluss auf eine Nicht-Teilnahme aus. Der verhaltensbedingte Einflussfaktor eines Tabakkonsums der Erwachsenen stand in starkem Zusammenhang (52%ige für moderate bzw. 157%ige Risikoerhöhung für starke Raucher) zu unvollständigen U-Vorsorgeuntersuchungen. Von den verhältnisbedingten Variablen waren eine nicht-deutsche Nationalität (Risiko um den Faktor 3,7 erhöht), nicht-deutsche Muttersprache des Kindes (Risiko um den Faktor 6,7 erhöht), nicht-deutsche Geburtsländer der Eltern (1,4-fache für einen in Deutschland geborenen Elternteil bzw. 5,2-fache Risikoerhöhung für beide nicht in Deutschland geborene Elternteile), geringe Wohnfläche pro Person (Risiko um den Faktor 2,9 erhöht), eine geringe bzw. mittlere Zufriedenheit mit Beruf und Arbeit (1,2- bzw. 2,6-fache Risikoerhöhung) bzw. mit den Finanzen (1,1- bzw. 1,6-fache Risikoerhöhung) signifikante Risikofaktoren für das Fehlen von mindestens einer U-Vorsorgeuntersuchung. Obwohl sich für die restlichen Variablen (Passivrauchen, Art der Erziehung, Zufriedenheit mit der Familie; Indices für die Familienstruktur, Bildungsstand, Erwerbstätigkeiten und Arbeitszeiten der Erwachsenen) keine signifikanten Zusammenhänge ergaben, waren deutliche Gradienten vorhanden. Zwar waren die Effekte der adjustierten Risikoschätzer im multivariaten Endmodell geringer ausgeprägt, dennoch waren für eine nicht-deutsche Muttersprache des Kindes (Risiko um den Faktor 3,4 erhöht) und eine geringe Wohnfläche pro Person (Risiko um den Faktor 1,4 erhöht) signifikante Risiken für inkomplette U-Untersuchungen vorzufinden.
Schlussfolgerungen
Trotz einer grundsätzlich hohen Teilnahme an U-Vorsorgeuntersuchungen sollte Kindern mit sprachlichen Barrieren und von ökonomisch schwächer gestellten Eltern eine besondere Aufmerksamkeit zuteil werden. Vorrangig sollten zielgruppenorientierte Maßnahmen zur Steigerung der Teilnahmequoten durchgeführt werden.