Lipodystrophien sind sehr seltene Erkrankungen, die durch einen Mangel oder eine Fehlverteilung an subkutanem Fettgewebe charakterisiert sind. Zudem können Stoffwechselveränderungen wie Diabetes mellitus, Hypertriglyzeridämie und Fettlebererkrankung daraus resultieren. Aufgrund ihrer Seltenheit und ihrer großen Heterogenität sowohl bezüglich der Genese als auch bezüglich des Phänotyps werden Lipodystrophie-Erkrankungen oft sehr spät diagnostiziert.
Im vergangenen Jahr wurde durch mehrere Fachgesellschaften eine gemeinsame Praxisleitlinie erstellt, die die aktuelle Grundlage für die Diagnostik und Versorgung von Patienten mit Lipodystrophie-Erkrankungen darstellt. Nicht berücksichtigt in dieser Leitlinie sind Patienten, die aufgrund einer Humanes Immundefizienz-Virus(HIV)-Erkrankung oder einer Medikamentennebenwirkung eine Lipodystrophie entwickelt haben. Die in der vorliegenden Arbeit dargestellten Empfehlungen wurden auf der Grundlage dieser Praxisleitlinie verfasst und an die Situation in Deutschland angepasst. Sie sollen dazu beitragen, den Weg zur klinischen und molekulargenetischen Diagnosestellung bei Patienten mit Lipodystrophie-Erkrankungen zu verkürzen und damit auch die Therapieergebnisse zu verbessern.
Ergebnisse und Schlussfolgerung
Lipodystrophie-Erkrankungen werden in angeborene und erworbene Formen eingeteilt. Zudem unterscheidet man auf der Basis des Ausmaßes des Fettgewebsverlustes partielle und generalisierte Lipodystrophien. Die Diagnosestellung erfolgt klinisch (Anamnese, Beschreibung des klinischen Phänotyps, Familienanamnese, Labor). Bei Verdacht auf eine familiäre Form kann die Diagnostik ggf. durch eine genetische Untersuchung ergänzt werden. Bei einem großen Teil der Lipodystrophie-Erkrankungen wird eine jährliche Untersuchung auf Folgeerkrankungen (Diabetes, Dyslipidämie, Leber‑, Nieren- und Herzerkrankungen) empfohlen. Die Grundlage für die Behandlung der metabolischen Folgen bei Lipodystrophie-Erkrankungen ist eine spezielle Ernährungstherapie. Als spezifische Therapie steht – speziell für Patienten mit generalisierter Lipodystrophie sowie für einzelne Patienten mit partieller Lipodystrophie und einem erniedrigten Serum-Leptinspiegel – die Behandlung mit humanem rekombinantem Leptin (Metreleptin) zur Verfügung. Zusätzlich können andere, nicht spezifische Therapieansätze helfen, die Folgeerkrankungen der Lipodystrophie zu behandeln (z. B. Metformin bei Diabetes, Statine oder Fibrate bei Hyperlipidämie).
Hinweise
Diese Arbeit wurde auf der Grundlage einer internationalen Konsensus-Leitlinie unter Beteiligung zahlreicher Fachgesellschaften erstellt [47].
Einleitung
Unter dem Begriff Lipodystrophie werden ätiologisch unterschiedliche Erkrankungen zusammengefasst, die zu einem Verlust subkutanen Fettgewebes führen, ohne dass eine Katabolie vorliegt. Mit Ausnahme der Humanes Immundefizienz-Virus(HIV)-assoziierten Lipodystrophien handelt es sich um sehr seltene Erkrankungen. Im vorliegenden Artikel wird ausschließlich auf die nicht HIV-assoziierten Lipodystrophien eingegangen.
Lipodystrophien können auf verschiedene Weise eingeteilt werden – nach der Ätiologie des Fettgewebsverlustes (genetisch oder erworben) und nach Ausbreitung und Ausmaß des Fettgewebsverlustes. Hier unterscheidet man generalisierte und partielle Formen. Bei den generalisierten Lipodystrophien betrifft der Verlust des subkutanen Fettgewebes den gesamten Körper, während bei partiellen Formen nur Teile des Körpers betroffen sind. Insgesamt unterscheidet man somit vier wesentliche Kategorien: die kongenitale generalisierte Lipodystrophie (CGL), die familiäre partielle Lipodystrophie (FPLD), die erworbene generalisierte Lipodystrophie (AGL) und die erworbene partielle Lipodystrophie (APL; Abb. 1). Des Weiteren wurden Lipodystrophien auch im Rahmen komplexer genetischer Erkrankungen wie des SHORT-Syndroms oder verschiedener Progeroid-Syndrome beschrieben (Tab. 1).
Tab. 1
Klassifikation angeborener und erworbener Lipodystrophie-Erkrankungen
Vererbung
Subtyp
Phänotyp
Betroffene Gene
Referenz
Autosomal-rezessiv
CGL
Fast völliger Fettgewebsverlust, metabolische Komplikationen
Die einzelnen unterschiedlichen Lipodystrophieformen weisen unterschiedliche Komorbiditäten (wie Kardiomyopathien oder Fehlbildungen) auf (Tab. 2). Allen gemeinsam ist die metabolische Einschränkung durch das fehlende Fettgewebe, dessen Ausprägung je nach Subtyp variiert. Da das Fettgewebe als Puffer für mit der Nahrung aufgenommene Fette fehlt, entwickeln die Patienten oft schwerste Hypertriglyzeridämien, die bis hin zu einer akuten Pankreatitis führen können [2]. Des Weiteren besteht das Risiko von vaskulären Komplikationen inklusive frühzeitiger koronarer Herzerkrankung und Myokardinfarkte, welche häufige Mortalitätsursachen bei Patienten mit Lipodystrophie-Erkrankungen darstellen [3]. Zusätzlich führt der Verlust an subkutanem Fettgewebe zu einer ektopen Einlagerung von Fett in verschiedene Organe. Es resultieren daraus Komplikationen wie Insulinresistenz, Diabetes mellitus, polyzystisches Ovarsyndrom und nicht alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD; [2]). Die NAFLD kann im weiteren Verlauf zu einer Leberzirrhose mit dem Risiko einer Oesophagusvarizenblutung und der Entstehung eines hepatozellulären Karzinoms führen [4, 5].
Tab. 2
Komplikationen bei angeborenen und erworbenen Lipodystrophie-Erkrankungen
Verstärkt werden die metabolischen Komplikationen durch einen Mangel an dem hauptsächlich im Fettgewebe produzierten Hormon Leptin.
Neben seiner Funktion als Sättigungshormon hat Leptin auch einen starken Einfluss auf die metabolische Stoffwechsellage, wie z. B. Dyslipidämie und Fettleber [6‐8]. Zusätzlich wirkt Leptin permissiv auf die Pubertätsentwicklung. Daher können bei Patienten mit ausgeprägtem Leptinmangel auch eine verzögerte Pubertät bzw. Fertilitätsstörungen auftreten [9].
Im Folgenden werden die Subgruppen der Lipodystrophie-Erkrankungen detailliert vorgestellt.
Hierbei handelt es sich um eine autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung. Bei den Patienten fehlt das subkutane Fettgewebe fast vollständig [10‐12]. Dadurch treten Muskulatur und Venenzeichnung verstärkt hervor. Der Fettgewebsverlust ist bereits im Neugeborenenalter auffällig. Durch die schwere Insulinresistenz entsteht eine Acanthosis nigricans. Die ektope Einlagerung von Triglyzeriden und freien Fettsäuren in Leber und Milz führt zur Hepato- und Splenomegalie. Zudem leiden Patienten unter einer ausgeprägten Hyperphagie [10‐12]. Schwere metabolische Komplikationen wie Diabetes mellitus, Pankreatitis, nicht alkoholische Steatohepatitis und Leberzirrhose treten oft bereits frühzeitig auf [11, 12]. Entsprechend der betroffenen Gene unterscheidet man verschiedene Untergruppen der CGL mit jeweils unterschiedlicher klinischer Ausprägung ([10, 13‐15]; Tab. 1).
Familiäre partielle Lipodystrophie (FPLD)
Hierbei handelt es sich um eine Gruppe von Erkrankungen, bei denen der Fettgewebsverlust nur Teile des Körpers betrifft. Der Erbgang ist meist autosomal-dominant, in seltenen Fällen ist auch eine autosomal-rezessive Vererbung beschrieben worden. In der Kindheit besteht noch eine normale Körperfettverteilung. Der Fettgewebsverlust beginnt üblicherweise in der Pubertät und tritt vor allem an den unteren Extremitäten, der Hüft- und Gesäßregion auf [12]. Je nach Subtyp der Erkrankung kommt es teilweise auch zu einer Vermehrung von subkutanem Fettgewebe im Gesicht, am Hals und im Nacken. Intraabdominell findet sich vermehrt viszerales Fettgewebe. Es resultiert daraus ein cushingioder Habitus.
Stoffwechselkomplikationen im Sinne eines Diabetes mellitus und einer Hypertriglyzeridämie treten häufig erst im Erwachsenenalter auf [16]. Patienten mit einer FPLD haben ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko [17].
Molekulare Pathogenese der angeborenen Lipodystrophien
Die derzeit bekannten lipodystrophieassoziierten Gene sind in Tab. 1 zusammengefasst. Einige der in die Pathogenese der Lipodystrophie involvierten Gene spielen eine zentrale Rolle in der Triglyzeridsynthese und Adipozytendifferenzierung. So kodiert das 1-Acylglycerol-3-Phosphat O-Acyltransferase 2 (AGPAT2)-Gen für das Enzym 1‑Acylglycerol-3-Phosphat O-Acyltransferase 2, das einen wesentlichen Schritt der Biosynthese von Triglyzeriden und Phospholipiden aus Glycerol-3-Phosphat katalysiert [5]. Bei pathologisch reduzierter AGPAT2-Aktivität resultiert eine verminderte Triglyzerid- und Phospholipidbiosynthese in den Adipozyten [5].
Das von BSCL2 kodierte Protein Seipin ist an der Formation von Lipidtröpfchen und der Adipozytendifferenzierung beteiligt. Das Fehlen von BSCL2 führt zu einer mangelnden Induktion von für die Lipogenese wichtigen Transkriptionsfaktoren und Enzymen wie sterol regulatory element-binding protein (SREBP1c), AGPAT2 und Lipin1 [5, 18, 19].
PTRF kodiert für Cavin1, ein Protein, das für die Formation von Caveolae – kleiner Invaginationen der Plasmamembranen, die unter anderem für Endozytose, Cholesteroltransport und Signaltransduktion verantwortlich sind – essenziell ist [13].
Durch Mutationen in den genannten Genen kommt es zu einer Akkumulation von Triglyzeridvorstufen, zur verminderten Bildung und verminderten Einlagerung von Triglyzeriden in Adipozyten und somit durch eine gestörte Lipogenese zur Lipodystrophie.
Andere mit Lipodystrophie assoziierte Gene sind wichtig bei der Bildung der nukleären Lamina. LMNA kodiert für Lamin A und C. Diese stellen als Intermediärfilamente essenzielle Bausteine der nukleären Lamina dar. Sie stabilisieren die Kernhülle und interagieren mit verschiedenen Kernmembranproteinen [5, 20]. Die Zink-Metalloproteinase (ZMPSTE24) ist verantwortlich für die posttranslationale Umwandlung von Prelamin in Lamin [21]. Ein ZMPSTE24-Mangel führt zu einer Ansammlung von zytotoxischem farnesylierten Prelamin A in den Zellen [21]. Auch das Genprodukt von BANF1 ist am Aufbau der Kernhülle beteiligt und interagiert mit Lamin A [22]. Mutationen in LMNA, ZMPSTE24 und BANF1 schwächen die Struktur und Integrität der Kernhülle und führen letztlich zu einer verfrühten Apoptose der Adipozyten [5].
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Auch Mutationen in PPARG oder AKT2 wurden bei Patienten mit Lipodystrophie beschrieben. PPARγ ist ein nukleärer Transkriptionsfaktor, der für eine normale Adipogenese erforderlich ist. AKT2 kodiert für eine Serin/Threonin-Proteinkinase, die vorwiegend in insulinsensitiven Geweben exprimiert wird und eine Rolle bei der Postrezeptor-Insulinsignaltransduktion (z. B. Inhibition der Lipolyse) spielt. Zudem ist AKT2 in die Adipozytendifferenzierung involviert [23]. Entsprechende Mutationen in PPARG oder AKT2 bedingen eine Lipodystrophie durch Störung der Adipozytenreifung [5, 23‐25].
Die meisten Patienten mit AGL verlieren Fettgewebe am gesamten Körper einschließlich des Baufettes an Hand- und Fußsohlen [2]. Allerdings ist das Ausmaß des Fettgewebsverlustes individuell variabel [5]. Bei manchen Patienten bleiben Fetteinlagerungen im Knochenmark und das intraabdominelle Fettgewebe vom Fettgewebsverlust verschont. Der Fettgewebsverlust zieht sich häufig über mehrere Monate bis Jahre, kann aber auch schneller ablaufen [2]. Es kann sein, dass im Bereich des Gesichts und des Halses Fettgewebe bestehen bleibt. Die Erkrankung tritt bei Frauen dreimal häufiger auf als bei Männern. Die Krankheit beginnt meist im Kindesalter oder in der Adoleszenz, kann aber in jedem Lebensalter auftreten [2]. Die meisten Patienten leiden unter teils schweren metabolischen Komplikationen. Die exakte Pathogenese des Fettgewebsverlustes ist unklar. Es besteht eine Assoziation mit Autoimmunerkrankungen und Pannikulitiden [2, 26, 115].
Bei dieser Form der Lipodystrophie schreitet der Fettgewebsverlust in kraniokaudaler Richtung fort. Zuerst geht Fettgewebe im Gesicht und am Hals verloren, später auch an den Armen und am Rumpf. Typischerweise bleibt das subkutane Fettgewebe an den unteren Extremitäten und in der Gesäßregion erhalten. Hier kommt es sogar zu einer vermehrten Akkumulation von Fettgewebe [27]. Der Erkrankungsbeginn liegt meist im Kindesalter oder in der Adoleszenz. Frauen sind von der Erkrankung häufiger betroffen als Männer. Das Geschlechtsverhältnis beträgt 4:1. Metabolische Komplikationen wie Hypertriglyzeridämie, Insulinresistenz oder Diabetes mellitus treten bei dieser Form der Lipodystrophie deutlich seltener auf als bei anderen Lipodystrophieformen [27]. Ebenso wie bei der AGL findet sich bei der erworbenen partiellen Lipodystrophie eine Assoziation mit Autoimmunerkrankungen. Hier sind insbesondere die membranoproliferative Glomerulonephritis und der systemische Lupus erythematodes zu nennen [27]. Zudem wurde bei vielen Betroffenen eine niedrige Serum-Komplementfaktor 3 (C3)-Konzentration gemessen. Teils konnte auch der C3-Nephritis-Faktor nachgewiesen werden [27].
Diagnostik der Lipodystrophie-Erkrankungen
Wesentlich für die Diagnosestellung sind die Anamnese und die klinische Untersuchung. Zudem ist die Durchführung einer Körperzusammensetzungsmessung hilfreich. Des Weiteren sollte eine Labordiagnostik zur Beurteilung des metabolischen Status erfolgen. Eine molekulargenetische Untersuchung ist bei Verdacht auf das Vorliegen einer familiären Form der Lipodystrophie angeraten, während bei erworbenen Lipodystrophien eine Autoantikörperbestimmung und Untersuchung der Serum-Komplementspiegel sinnvoll ist.
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Klinische Diagnosestellung
Hinweise auf das Vorliegen einer Lipodystrophie sind eine lokale oder generalisierte Verminderung oder das Fehlen von subkutanem Fettgewebe. Der Phänotyp kann allerdings, insbesondere bei der partiellen Lipodystrophie, stark variieren und wenig prägnant sein. Unterstützend können neben der Inspektion verschiedene andere anthropometrische Methoden herangezogen werden, z. B. die Kaliprometrie, die bioelektrische Impedanzanalyse, die duale Röntgen-Absorptiometrie (DEXA) oder die Fettgewebsquantifizierung mittels MRT [28]. Bei Männern ist die Diagnosestellung häufig erschwert durch den physiologisch niedrigeren Anteil an Körperfettgewebe. Zudem sind die metabolischen Komplikationen bei Männern im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt. Da die Bestimmungsmethoden für die Serum-Leptinkonzentration noch nicht standardisiert sind und es insbesondere bei der partiellen Lipodystrophie eine Überlappung der Leptinkonzentration im Serum zwischen Lipodystrophiepatienten und der Normalpopulation gibt, ist die Bestimmung des Serum-Leptinspiegels für die Diagnosestellung der Lipodystrophie nicht hilfreich.
Differentialdiagnosen
Differentialdiagnostisch muss insbesondere eine HIV-assoziierte Lipodystrophie bzw. ein HIV-assoziiertes Wasting-Syndrom ausgeschlossen werden. Zudem sollten andere Ursachen eines Fettgewebs- bzw. Gewichtsverlustes in Betracht gezogen werden. Insbesondere sind dies Gewichtsverluste im Rahmen einer malignen Erkrankung, chronischer Infektionskrankheiten, einer Malnutrition oder einer Anorexia nervosa. Auch ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus kann zu einer Gewichtsreduktion durch osmotische Diurese führen. Zudem findet sich bei einem schlecht eingestellten Diabetes mellitus wie bei der Lipodystrophie auch häufig eine Hypertriglyzeridämie. Eine weitere Differentialdiagnose der generalisierten Lipodystrophie ist die Akromegalie, da bei den Patienten häufig Akromegaliezeichen vorliegen. Bei Patienten mit familiärer partieller Lipodystrophie wird aufgrund ihres Phänotyps oftmals Hypercortisolismus fehldiagnostiziert.
Bestimmung des Lipodystrophiesubtyps
Für die genaue Klassifizierung der Erkrankung ist die Bestimmung des Subtyps erforderlich. Die meisten Lipodystrophie-Erkrankungen zeigen eine charakteristische Ausbreitung des Fettgewebsverlustes. Typischerweise ist bei der AGL das subkutane Fettgewebe im Kleinkindesalter noch vorhanden, während der Fettgewebsverlust bei Patienten mit CGL bereits im Säuglingsalter auffällt. Zur Differenzierung können hier z. B. Fotografien des Patienten aus der frühen Kindheit herangezogen werden. Jedoch besteht teils eine individuelle Variation auch hinsichtlich des Beginns und der Ausprägung des Fettgewebsverlustes, was die Diagnosestellung erschweren kann.
Die Erhebung einer ausführlichen Familienanamnese ist erforderlich, um eine familiäre von einer erworbenen Lipodystrophie zu differenzieren. Allerdings muss bei unauffälliger Familienanamnese auch die Möglichkeit einer De-novo-Mutation in Erwägung gezogen werden. Das gleichzeitige Vorliegen einer Autoimmunerkrankung spricht für eine erworbene Lipodystrophie [2, 12, 26, 27, 29, 30]. Der C3-Nephritis-Faktor und niedrige Konzentrationen des Serum-Komplementfaktors C3 können bei Patienten mit APL nachgewiesen werden (Abb. 2).
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Molekulargenetische Diagnostik
Bei Verdacht auf eine genetische Ursache der Lipodystrophie ist eine molekulargenetische Diagnostik angezeigt. Diese kann entweder konventionell (Sanger-Sequenzierung und ggf. multiplexe ligationsabhängige Sondenamplifikation [MLPA]) mittels Krankheitsgenanalyse oder mittels Hochdurchsatzsequenzierung (Genpanel) durchgeführt werden. Exom- oder Genomsequenzierungen bleiben zzt. Forschungsfragen vorbehalten (z. B. familiäre Lipodystrophie, aber keine Mutation in einem der bekannten Krankheitsgene). Die genetische Untersuchung von Familienmitgliedern ist zur Beurteilung des Trägerstatus sinnvoll und kann zudem bei der Diagnose subtiler Lipodystrophiephänotypen helfen. Dies betrifft insbesondere Mutationen in Genen, die eine nur sehr milde phänotypische Variante der Lipodystrophie hervorrufen, [31, 32] oder die klinische Diagnosestellung bei Männern, die sich, wie oben beschrieben, schwieriger gestalten kann [33]. Insbesondere bei Lipodystrophie-Erkrankungen, die mit potenziell lebensbedrohlichen Komplikationen wie Kardiomyopathien einhergehen, ist ein genetisches Screening von Familienmitgliedern angeraten.
Untersuchungen zur Diagnostik von Begleit- und Folgeerkrankungen
Grundsätzlich sollten Patienten mit einer Lipodystrophie-Erkrankung auf das Vorliegen eines Diabetes mellitus, einer Dyslipidämie, einer Fettlebererkrankung, einer kardiovaskulären Erkrankung und auf Störungen der Fertilität untersucht werden. Eine Ausnahme hierbei sind die Patienten mit APL, da bei ihnen ein relativ niedriges Risiko für das Vorliegen von Stoffwechselveränderungen vorliegt. Hier sollte die klinische Bewertung Grundlage für die diesbezügliche Diagnostik sein. Im folgenden Abschnitt wird auf die einzelnen Komorbiditätsuntersuchungen genauer eingegangen.
Außer den genannten Begleit- bzw. Folgeerkrankungen gibt es weitere, die oft spezifisch für einzelne Subtypen der Lipodystrophie-Erkrankungen sind. Diese werden hier nicht näher behandelt.
Diabetes mellitus
Ein Diabetes-Screening sollte jährlich durchgeführt werden, auf der Basis der Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Patienten mit AGL können zusätzlich zu einer deutlichen Insulinresistenz einen Typ 1 Diabetes mellitus entwickeln [34].
Dyslipidämie
Die Serum-Triglyzeridspiegel sollten mindestens 1 × jährlich nüchtern bestimmt werden. Beim Auftreten von abdominellen Schmerzen oder sich schnell entwickelnden Xanthomen sollten ebenfalls die Triglyzeridspiegel gemessen werden. Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin und HDL-Cholesterin im Serum sollten ebenfalls jährlich ab einem Alter von zehn Jahren bestimmt werden.
Lebererkrankungen
Die Serumspiegel von Alanin-Aminotransferase und Aspartat-Aminotransferase sollten jährlich bestimmt werden. Eine Ultraschalluntersuchung der Leber sollte bei Diagnosestellung und im weiteren Verlauf regelmäßig durchgeführt werden. Eine Leberbiopsie ist nur dann durchzuführen, wenn hierfür eine klare klinische Indikation vorliegt.
Als Ergänzung zur körperlichen Untersuchung können der Ultraschall und die Elastographie dazu verwendet werden, die Größe von Leber und Milz zu dokumentieren, den Schweregrad der Leberverfettung und ggf. der Fibrose zu bestimmen und Hinweise für eine portale Hypertension zu finden. Patienten mit der Diagnose CGL2 haben ein hohes Risiko für eine frühmanifeste Leberzirrhose. Patienten mit einer AGL können auch eine Autoimmunhepatitis zusätzlich zu einer Fettlebererkrankung entwickeln [29].
Fertilität
Je nach klinischem Befund sollten die Gonadotropine und die Sexualhormone im Serum bestimmt und eine Ultraschalluntersuchung der Gonaden durchgeführt werden.
Bei Kindern und Jugendlichen sollte eine regelmäßige Dokumentation des Pubertätsstadiums nach Tanner durchgeführt werden.
Bei Kindern mit generalisierter Lipodystrophie wurden eine frühe Adrenarche, eine echte Pubertas präcox und auch ein hypogonadotroper Hypogonadismus beschrieben. Bei Frauen mit Lipodystrophie-Erkrankungen findet man gehäuft eine Oligo- oder Amenorrhoe, eine verminderte Fertilität und ein polyzystisches Ovarsyndrom.
Kardiovaskuläre Erkrankungen
Der Blutdruck sollte regelmäßig gemessen werden.
Bei Patienten mit CGL und bei Patienten mit einem Progeroid-Syndrom sollten jährlich ein EKG und ein Echokardiogramm durchgeführt werden. Bei Patienten mit FPLD und AGL sollte dies bei Diagnosestellung und dann nach klinischer Indikation erfolgen.
Bei Patienten mit Progeroid-Syndromen und FPLD2 mit manifester Kardiomyopathie sollten weiterführende Untersuchungen zum Vorliegen einer kardialen Ischämie und kardialer Rhythmusstörungen erwogen werden.
Bei Patienten mit Lipodystrophie-Erkrankungen findet man bereits im Kindesalter und dann häufig im Erwachsenenalter eine arterielle Hypertension [35]. Bei Patienten mit CGL4, atypischen Progeroid-Syndromen und FPLD2 auf der Basis einer Lamin-A-Mutation wurden Kardiomyopathien, kardiale Veränderungen mit ischämischer Herzerkrankung, Arrhythmien und plötzliche Todesfälle beschrieben [1, 32, 36‐43].
Nierenerkrankungen
Die Eiweißausscheidung im 24-Stunden-Sammelurin oder der Quotient aus Protein zu Kreatinin im Spontanurin sollte regelmäßig, z. B. 1 × jährlich bestimmt werden.
Das Vorliegen einer Proteinurie ist häufig [44]. Eine Nierenbiopsie sollte durchgeführt werden, wenn dies klinisch indiziert ist. Der histologische Befund kann eine diabetische Nephropathie zeigen, eine fokal segmentale Glomerulosklerose (dies speziell bei Patienten mit CGL; [44]) oder eine membranoproliferative Glomerulonephritis (speziell bei Patienten mit APL; [27]).
Tumorerkrankungen
Bei Patienten mit AGL wurden Lymphome, speziell periphere T‑Zell-Lymphome mit einer Prävalenz von ca. 7 % beschrieben [2, 45]. Daher ist es ratsam, regelmäßig die Haut sowie den Lymphknotenstatus zu untersuchen.
In einer eigenen Untersuchung konnten wir eine Sonderform der generalisierten Lipodystrophie bei drei Patienten mit einem pilozystischen Astrozytom evtl. als paraneoplastische Manifestation beschreiben [46]. Interessanterweise haben diese Patienten nach effektiver Tumortherapie Körperfettmasse dazugewonnen. Daraus schließen wir, dass ein Screening auf das Vorliegen von Hirntumoren bei Kindern mit atypischer CGL oder idiopathischer AGL sinnvoll wäre.
Spezielle Progeroid-Syndrome (z. B. Bloom- und Werner-Syndrom) haben ein erhöhtes Risiko für Tumorerkrankungen (s. a. Tab. 2 im Supplement der englischsprachigen Originalarbeit [47]).
Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit Lipodystrophie-Erkrankungen
Die aktuellen Behandlungsempfehlungen zielen darauf ab, den Folgeerkrankungen von Lipodystrophie-Erkrankungen vorzubeugen oder ihre Ausprägung zu mildern. Eine Heilung von einer Lipodystrophie-Erkrankung gibt es nicht, da eine Herstellung oder Wiederherstellung des nicht vorhandenen Fettgewebes bislang nicht möglich ist.
Ernährungstherapie
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Grundlage einer Therapie der metabolischen Folgen von Lipodystrophie-Erkrankungen eine Ernährungstherapie ist. Detaillierte Empfehlungen für spezielle Diäten können bei Lipodystrophie-Erkrankungen allerdings nicht ausgesprochen werden, da die Literatur und klinische Erfahrung hierzu begrenzt sind. Die Patienten sollten zunächst einmal auf eine ausgeglichene Nahrungszufuhr achten, entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.
Mit einer hypokalorischen Ernährung können die Stoffwechselveränderungen verbessert werden. Die Zufuhr von Zucker sollte reduziert oder ganz darauf verzichtet werden. Fette mit einfach ungesättigten Fettsäuren und Omega-3-Fettsäuren sowie Nahrungsmittel mit hoher Ballaststoffdichte sind zu bevorzugen. Eine Indikation für eine im Fettgehalt extrem erniedrigte Diät (very low fat diet, <20 g) besteht bei Patienten mit akuter Pankreatitis nach der therapeutischen Nüchternphase. Bei Säuglingen mit einer ausgeprägten Hypertriglyzeridämie können Formula-Diäten mit mittelkettigen Triglyzeriden wirksam eingesetzt werden [48, 49].
Leider zeigen Patienten mit Lipodystrophie-Erkrankungen und ausgeprägtem Mangel an Fettgewebe, also vor allem die Patienten mit den generalisierten Formen, eine ausgeprägte Hyperphagie wegen des vorhandenen Leptinmangels. Bei diesen Patienten ist eine hypokalorische Ernährung zur Verbesserung der Stoffwechselsituation [50] aufgrund des Leptinmangels auf längere Sicht nicht einfach zu erreichen.
Bei wachsenden Kindern sollte die Energiezufuhr nur so weit reduziert werden, dass sichergestellt ist, dass dadurch keine schwerwiegende Wachstumsstörung ausgelöst wird. Insbesondere für Kleinkinder und für junge Kinder sollte ein spezieller Diätplan durch eine erfahrene Ernährungsberaterin ausgearbeitet werden. Dabei ist zu beachten, dass das Längen-Soll-Gewicht oder Referenzwerte für den Body-Mass-Index keine angemessenen Bezugsgrößen für Patienten mit Lipodystrophie-Erkrankungen sind, da ihre Körperzusammensetzung stark von der normalen abweicht. Bei Kindern mit Lipodystrophie ist daher ein niedriges Gewicht bezogen auf die Größe akzeptabel, solange das Größenwachstum altersentsprechend bleibt. Es ist sogar gefährlich, bei jüngeren Kindern das Ziel eines Normalgewichts zu verfolgen, da eine Überfütterung die metabolischen Folgeerkrankungen und die Entwicklung der Fettlebererkrankung verstärkt.
Bewegungstherapie
Durch intensive körperliche Bewegung kann bei Patienten mit Lipodystrophie-Erkrankungen eine Verbesserung der metabolischen Veränderung erreicht werden. Daher sollten die Patienten ermutigt werden, sich regelmäßig zu bewegen und Ausdauersport zu treiben, sofern keine speziellen Kontraindikationen bestehen.
Patienten mit Lipodystrophie-Erkrankungen, die eine Kardiomyopathie als Begleiterkrankung aufweisen, sollten bevor sie an einem Sportprogramm teilnehmen, eine Herzuntersuchung durchführen lassen. Diese Patienten sollten grundsätzlich anstrengende Sportarten vermeiden. Kontaktsportarten sind von Patienten mit ausgeprägter Hepatosplenomegalie sowie von Patienten mit CGL und Knochenzysten zu vermeiden.
Therapie mit Metreleptin
Bei Patienten mit generalisierter Lipodystrophie ist eine Hormonersatztherapie mit Metreleptin („human methionyl leptin“) die Therapie der Wahl für die Behandlung der metabolischen und hormonellen Veränderungen. Diese Behandlung sollte stets parallel zu den o. g. Ernährungsempfehlungen, die weiterhin eingehalten werden sollten, erfolgen. Eine Metreleptin-Therapie kann auch präventiv zur Vermeidung von metabolischen Folgeerkrankungen bei Kindern und jungen Patienten mit generalisierter Lipodystrophie eingesetzt werden.
Bei Patienten mit partieller Lipodystrophie und dem Vorliegen einer Hypoleptinämie (Serum-Leptinkonzentration <4 ng/ml) sowie dem Vorliegen von schwerwiegenden metabolischen Veränderungen (HbA1c >8 % und/oder Nüchtern-Triglyzeride >500 mg/dl) kann der Einsatz von Metreleptin ebenfalls erwogen werden.
Metreleptin ist bislang das einzige Arzneimittel, das speziell zur Anwendung für Lipodystrophie-Erkrankungen zugelassen ist. Die Zulassung liegt in den USA sowie in Japan vor. Eine Zulassung in Europa wird in 2017 erwartet. Für die Anwendung von Metreleptin gibt es keine Altersbegrenzung.
Therapieeffekte von Metreleptin bei Patienten mit Lipodystrophie
Die Behandlung mit Metreleptin bei Patienten mit generalisierter Lipodystrophie führt zu einem Rückgang der Hyperphagie [9, 51‐54] und oft zu einer Gewichtsabnahme. Die dadurch erreichte reduzierte Energiezufuhr ist zum Teil die Ursache für die verbesserte metabolische Situation.
Metreleptin wirkt positiv auf den Zuckerstoffwechsel und führt bereits in der ersten Behandlungswoche zu einer Verbesserung der Nüchtern-Glukosespiegel [52] sowie zu einer Reduktion des HbA1c-Wertes um 2 % nach einem Jahr [55]. Falls gleichzeitig eine blutzuckersenkende Therapie durchgeführt wird, werden regelmäßige Blutzuckerbestimmungen zum Erkennen sowie zur Reduktion des Risikos von Hypoglykämien empfohlen. Bei Lipodystrophiepatienten mit gut eingestelltem Diabetes kann die Insulindosis um ca. 50 % reduziert werden, wenn mit einer Metreleptin-Therapie begonnen wird. Bei jüngeren Patienten mit CGL kann die Insulintherapie ggf. ganz absetzt werden [55].
Ebenfalls in der ersten Behandlungswoche sieht man eine deutliche Verbesserung der Triglyzeridspiegel [52], die nach einem Behandlungsjahr eine 60 %ige Reduktion zeigen. Metreleptin führt auch zu einer Verbesserung der Cholesterin- und LDL-Cholesterinspiegel [6, 7] ohne Veränderung des HDL-Cholesterins. Eine Metreleptin-Behandlung führt innerhalb von 6–12 Behandlungsmonaten ebenfalls zu einer Verbesserung der Fettlebererkrankung und der Serum-Transaminasen [8, 52, 56, 57].
Unter einer Metreleptin-Therapie wird in der Regel auch eine Verbesserung der Proteinurie festgestellt [44, 52]. Allerdings sind vier Fallberichte beschrieben, bei denen es zu einer Verschlechterung der Nierenerkrankung unter Metreleptin-Therapie kam [44]. Auf die Nierenfunktion sollte daher bei bereits vorliegender Nierenerkrankung ein besonderes Augenmerk gerichtet werden.
Bei Frauen führt eine Metreleptin-Therapie zu einer Normalisierung der Gonadotropinsekretion und zu einem normalen Fortschreiten der Pubertät bzw. einer Normalisierung des Zyklus und einer Verbesserung der Fertilität [9, 52, 58, 59]. Bei Frauen fand man außerdem eine Reduktion der Testosteronspiegel, während es bei Männern zu einer Erhöhung der Testosteronspiegel unter Metreleptin-Therapie kam.
Die Wirkung von Metreleptin bei Patienten mit partiellen Lipodystrophie-Erkrankungen ist weniger stark ausgeprägt. Es kommt zwar auch zu einer Verbesserung der Hypertriglyzeridämie [53, 60], allerdings konnte eine Verbesserung der Glukosehomöostase nur in manchen Studien nachgewiesen werden [53, 60] und nicht in allen [61].
Nebenwirkungen einer Metreleptin-Therapie
Die bisherigen klinischen Studien zeigten, dass bei ca. 30 % der Patienten Nebenwirkungen auftreten [6]. Die klinisch bedeutsamste Nebenwirkung ist das Auftreten von Hypoglykämien bei Patienten, die gleichzeitig Insulin verabreicht bekommen, sowie von Hautreaktionen an der Einstichstelle (Erythema, Urtikaria).
Weiterhin wurde das Vorkommen einer neutralisierenden Antikörperaktivität gegen Leptin berichtet [62, 63]. Die klinische Bedeutung dieses Befundes ist noch unklar. Ein mangelndes Ansprechen auf die Behandlung sowie das Auftreten einer Sepsis können Folgen davon sein [63].
Andere, schwere Nebenwirkungen, die während einer Behandlung mit Metreleptin beschrieben wurden, sind wahrscheinlich ursächlich durch die Grunderkrankung einzelner Lipodystrophie-Erkrankungen ausgelöst und weniger Folge von Metreleptin. Hierzu gehören T‑Zell-Lymphome bei Patienten mit AGL [9], das Auftreten einer Pankreatitis, die Verschlechterung bei einer Lebererkrankung [6] sowie wie bereits erwähnt die Verschlechterung von Nierenfunktionsstörungen [44].
Weitere Behandlungsempfehlungen für spezielle Folgeerkrankungen
Diabetes mellitus
Metformin ist das Mittel der ersten Wahl für die Behandlung einer diabetischen Stoffwechselsituation und/oder Insulinresistenz. Bei Patienten mit partieller Lipodystrophie können auch Thiazolidindione die metabolischen Veränderungen (HbA1c, Triglyzeridspiegel, Lebervolumen und -verfettung) verbessern, allerdings wurde unter dieser Therapie in manchen Fällen eine vermehrte regionale Fettansammlung beobachtet [64, 65]. Bei generalisierter Lipodystrophie sollten Thiazolidindione nur mit Vorsicht verwendet werden.
Insulin sollte bei nicht anders beherrschbarer Hyperglykämie eingesetzt werden. Bei manchen Patienten mit schwerer Insulinresistenz sind konzentrierte Insulinpräparate sowie hohe Insulindosen erforderlich. Bei Patienten mit generalisierter Lipodystrophie kann es sein, dass aufgrund des fehlenden Fettgewebes die Insulindosis intramuskulär verabreicht werden muss. Insbesondere Insulin glargin und Insulin degludec zeigen sehr wahrscheinlich eine veränderte Kinetik, wenn sie in das Unterhautgewebe mit mangelndem Fettgewebe injiziert werden, weil für deren Wirkung ein ausreichendes subkutanes Fettgewebe erforderlich ist [66, 67].
Dyslipidämie
Die Dyslipidämie sollte im Prinzip so behandelt werden, wie es die Empfehlungen der Fachgesellschaften vorsehen [68‐70], z. B. der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (AWMF Register Nummer 027/068) oder der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (https://leitlinien.dgk.org/).
Neben einer konsequenten Lebensstilschulung und -intervention sollten Statine eingesetzt werden. Hierbei sind das Alter des Patienten und weitere klinischen Befunde zu beachten. Fibrate und/oder langkettige Omega-3-Fettsäuren sollten bei Triglyzeridspiegeln >500 mg/dl eingesetzt werden und können ggf. bereits bei niedrigeren Triglyzeridwerten in Erwägung gezogen werden. Allerdings sollte der Einsatz von Statinen und Fibraten speziell bei Patienten, bei denen eine Myositis oder eine muskuläre Dystrophie vorliegt, aufgrund des erhöhten Risikos für Myopathien eher vorsichtig erfolgen [71]. Bei schweren Hypertriglyzeridämien wurde auch über den erfolgreichen Einsatz einer Plasmapherese berichtet, die allerdings oft wiederholt werden muss [72]. Es ist anzunehmen, dass das kardiovaskuläre Risiko bei Patienten mit Lipodystrophie-Erkrankungen und Stoffwechselveränderungen, unabhängig von anderen Risikofaktoren, erhöht ist. Daher sollten strengere Zielwerte angestrebt werden (z. B. LDL-Cholesterin <100 mg/dl, nicht HDL-haltiges Cholesterin >130 mg/dl, Triglyzeride <200 mg/dl).
Arterielle Hypertonie
Das Mittel der ersten Wahl zur Behandlung der Hypertonie bei Patienten mit Lipodystrophie-Erkrankungen und Diabetes mellitus sind ACE-Hemmer oder Angiotensinrezeptorblocker [73].
Lebererkrankung
Bei Patienten, die keine Lipodystrophie-Erkrankung haben, sind eine Ernährungs- und Bewegungstherapie die Therapien der Wahl für die Behandlung einer Fettlebererkrankung [74]. Zudem konnte für Vitamin E bei Kindern und Erwachsenen [75, 76] sowie für Pioglitazon bei Erwachsenen [75, 77] eine Verbesserung der Leberhistologie gezeigt werden. Bei Patienten mit Lipodystrophie-Erkrankungen ist keine dieser Behandlungsformen bisher systematisch untersucht worden. Dazu kommt, dass weder Vitamin E noch Pioglitazon für die Behandlung der Fettleber zugelassen sind. Eine Studie zur Behandlung mit Cholsäure zeigte, dass diese keinen Einfluss auf die Leberverfettung bei Patienten mit FPLD [78] hat.
Kosmetische Aspekte
Bei allen Patienten mit Lipodystrophie-Erkrankungen sollte überprüft werden, inwieweit die mit der Erkrankung verbundene Veränderung des Aussehens und des Körperbildes zu einer psychosozialen Beeinträchtigung oder zu Einschränkungen in der Alltagsaktivität (z. B. durch das Fehlen von subkutanem Fettgewebe im Bereich der Beine oder des Gesäßes) führen. Die Patienten sollten ggf. einem Psychologen oder Psychiater bzw. auch einem plastischen Chirurgen vorgestellt werden.
Es gibt allerdings nur wenige Informationen zu den Ergebnissen von plastisch-chirurgischen Interventionen bei Patienten mit Lipodystrophie-Erkrankungen. Bei einer Lipoatrophie im Bereich des Gesichts kommen ggf. ein autologer Fetttransfer infrage (bei Patienten mit APL), die Anwendung von Hautfüllstoffen, sogenannte Filler (für die Weichteilaugmentation im Gesicht; [5, 79]), oder Muskeltransplantate [80]. Überschüssiges Fett im Bereich des Kopfes, des Halses oder der Schamlippen kann entweder chirurgisch reduziert oder durch eine Liposuktion vermindert werden [5]. Für manche Frauen können Brustimplantate eine Hilfe sein [81, 82]. Die ebenfalls kosmetisch störende Acanthosis nigricans kann durch eine erfolgreiche Behandlung der Insulinresistenz verbessert werden [83, 84]. Die Behandlung des Hirsutismus wird an anderer Stelle ausführlich behandelt [85].
Empfängnisverhütung und Hormonersatztherapie
Die Anwendung von oralen Östrogenen bei Patienten mit Lipodystrophie-Erkrankungen ist aufgrund des erhöhten Risikos für schwere Hypertriglyzeridämien und des Auftretens einer akuten Pankreatitis kontraindiziert. Transdermal angewandte Östrogene scheinen aufgrund einer verminderten hepatischen Exposition diesbezüglich sicherer zu sein [86]. Die klinische Erfahrung zeigt, dass orale Gestagene oder auch gestagenhaltige intrauterine Verhütungsmittel sicher sind.
Schwangerschaft
Schwangere Patientinnen sollten durch einen Frauenarzt betreut werden, welcher Erfahrung in der Behandlung von Diabetes mellitus hat, sowie durch einen Arzt, der in der Behandlung von Lipodystrophie-Erkrankungen erfahren ist.
Die physiologische Verschlechterung der Insulinresistenz während einer Schwangerschaft kann die Behandlung des Diabetes bei Patienten mit bereits bestehender ausgeprägter Insulinresistenz extrem schwierig machen und ist mit einem erhöhten Risiko für den Fötus verbunden. Im Falle, dass eine Patientin mit Metreleptin behandelt wird und eine Schwangerschaft eintritt, kann eine Fortführung der Metreleptin-Therapie in Betracht gezogen werden, wenn die Beendigung der Therapie für die Mutter und den Fötus von Schaden wäre und der Patient darüber informiert wird, dass die Wirkung von Metreleptin während einer Schwangerschaft nicht bekannt ist, und die Fortsetzung der Therapie gewünscht wird.
Zusätzlich zur Verschlechterung der Glukosehomöostase kann es beim Absetzen von Metreleptin während einer Schwangerschaft auch zu einer deutlichen Verschlechterung der Hypertriglyzeridämie kommen, die ihrerseits mit einem erhöhten Risiko für eine Pankreatitis bei der Mutter einhergeht und dadurch den Fötus ebenfalls gefährdet.
Schlussfolgerungen
Lipodystrophie-Erkrankungen zeigen eine große klinische und genetische Heterogenität und haben eine unterschiedliche Pathophysiologie. Für die Diagnosestellung sind das Erkennen der klinischen Symptome und eine eingehende körperliche Untersuchung notwendig. Die molekulargenetische Untersuchung kann für die Diagnosesicherung und die Bestimmung des Subtyps hilfreich sein. Bei der Behandlung von Patienten mit Lipodystrophie-Erkrankungen stehen die schweren Stoffwechselveränderungen im Mittelpunkt sowie zahlreiche andere klinische Aspekte, die multiple Organsysteme betreffen und die Lebensqualität deutlich einschränken können.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
K. Miehle und M. Wabitsch waren als Berater für die Firma Aegerion Pharmaceuticals tätig. J. von Schnurbein, M. Fasshauer, M. Stumvoll und G. Borck geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien
Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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