Skip to main content
Erschienen in: Die Unfallchirurgie 11/2018

Open Access 01.11.2018 | Knochendefekte | Leitthema

MagicTube: Neue Möglichkeiten zum komplett internen Knochensegmenttransport und optionaler Verlängerung

Neues Zusatzmodul für motorisierte Verlängerungsnägel zur Behandlung großer Knochendefekte

verfasst von: Prof. Dr. Christian Krettek, FRACS, FRCSEd

Erschienen in: Die Unfallchirurgie | Ausgabe 11/2018

Zusammenfassung

Der Knochensegmenttransport (KST) ist eine effektive Behandlungsmethode für segmentale Knochendefekte, aber die bisher vorhandene Notwendigkeit einer externen Fixateurkonstruktion während der Transportphase ist insbesondere am Femur ein großer Nachteil. Um eine externe Fixierung zu vermeiden, wurde vom Autor der MagicTube, ein Cylinder-Kombi-Tubus als segmentales Transport(CKTST, MagicTube)-Modul, entwickelt, der sich für die Kombination mit einem der kommerziell erhältlichen motorisierten Verlängerungsnägel eignet. Dieses MagicTube-Modul ermöglicht den komplett internen KST und bei Bedarf auch eine optionale Knochenverlängerung. Das Konzept und die chirurgische Technik von MagicTube werden anhand klinischer Fallbeispiele an Tibia und Femur beschrieben, illustriert und diskutiert.
Hinweise

Redaktion

C. Krettek, Hannover
Knochensegmentdefekte und Extremitätenverkürzungen stellen schwerwiegende Probleme in der muskuloskeletalen Chirurgie dar. Während für Extremitätenverkürzungen in den letzten Jahren neue und zunehmend bessere motorisierte Verlängerungsimplantate zur komplett internen Anwendung entwickelt wurden, standen für Knochendefekte keine entsprechenden, breit anwendbaren Verfahren zur Verfügung. Zur Lösung dieses Problems wurde ein Implantatmodul entwickelt, das mithilfe motorisierter Verlängerungsimplantate einen komplett internen Knochensegmenttransport (KST) und, sofern erforderlich, optional auch eine zusätzliche Knochenverlängerung ohne weiteren Eingriff erlaubt.

Grundlagen

Segmentale Knochendefekte können aus den unterschiedlichsten Gründen entstehen, z. B. als Folge von offenen Frakturen und Hochrasanztraumen mit Knochenverlust, als Folge von chirurgischem knöchernem Débridement bei devitalisiertem oder infiziertem Knochen sowie bei Tumoren und anderen pathologischen Veränderungen. Zu den Behandlungsmethoden gehören u. a. die Transplantation von autologem Knochen, die Verwendung von Knochenersatzmaterialien, die Verkürzung, die Verkürzung mit sekundärer Verlängerung, der Einsatz von Überbrückungsimplantaten und der KST. Der KST kann mit einem komplett externen Fixierungs- und Transportsystem [3, 12] oder als externes Transportsystem entlang eines inneren Stabilisierungssystems wie z. B. einem intramedullären Nagel [14] oder einer Platte [8, 11] durchgeführt werden. Die Entwicklung der externen Fixation war eine großartige Ergänzung zur Behandlung von Knochendefekten im Bewegungsapparat. Externe Fixateure können aber mit einer Vielzahl von Nachteilen, Problemen oder Komplikationen verbunden sein [12]. Dazu gehören Schmerzen, „Pin-tract“-Infektion, Gelenkeinsteifung und Kontrakturen, Störung des Gangbilds, eingeschränkter Tragekomfort und eine Vielzahl von ästhetischen und psychischen Problemen. Insbesondere bestehen diese Probleme am Oberschenkel. Erfolgt der KST über ein externes Transportsystem entlang von inneren Implantaten wie einem Nagel oder einer Platte, wird die Zeit, die im externen Fixateur benötigt wird, um etwa 30 % reduziert, verglichen mit einem alleinigen externen Transport und Fixationssystem.
In jüngster Zeit wurden motorisierte Nägel für die Verlängerung von Gliedmaßen [2, 6, 7] beschrieben. Der Motor des Nagels kann mithilfe mechanischer Energie durch Gang oder mithilfe elektrischer Energie entweder aus einer Stromquelle oder magnetisch mit einer speziellen Induktionsvorrichtung betrieben werden. Ein eigens angefertigter motorisierter Nagel für den KST wurde in der Vergangenheit in einem Fall beschrieben [1].
Mithilfe des MagicTube kann ohne zusätzliche Operation vom KST in die Verlängerung übergegangen werden
In diesem Beitrag wird die Behandlung von Knochendefekten mit dem neu entwickelten einfachen universellen Implantatmodul Cylinder-Kombi-Tubus für segmentalen Transport (CKTST) oder kurz MagicTube (Modaleres Assistenz Gerät für Intersegmentale Corticalisdefekte mittels Tubus Erweiterung) [5], beschrieben (Hersteller: K‑Implant GmbH, 30826 Garbsen). Das Modul kann an jeden motorisierten Verlängerungsnagel angepasst und aufgesteckt werden (Abb. 1 und 2). Dieses Modul nutzt die Antriebskraft und Steuerung (vorwärts‑, Stopp-, rückwärts- und Geschwindigkeitsregelung) eines motorisierten Verlängerungsnagels für den KST und ermöglicht eine optionale zusätzliche Knochenverlängerung in Fällen, in denen eine Verkürzung besteht. Dies ist bis heute mit keinem anderen inneren motorisierten KST-System ohne zusätzliche operative Eingriffe möglich. Das ist deshalb von Bedeutung, weil bei dem hier zur Diskussion stehenden Patientengut fast regelmäßig auch eine Verkürzung vorliegt. Da sowohl der KST als auch die Knochenverlängerung im Körperinneren erfolgen, können Risiken, Nachteile und negative Nebenwirkungen externer Transportsysteme vermieden werden.

Beschreibung des Implantatmoduls

Das Modul besteht aus einem einfachen Zylinder mit gegenüberliegenden Schlitzen und Bohrungen an einem Ende. Das Modul kann mit jedem handelsüblichen motorisierten Knochenverlängerungsnagel kombiniert werden. Es nutzt die Energie des motorisierten Verlängerungsnagels für einen inneren KST und ggf. die Knochenverlängerung.
Das Modul wird am Nagelende aufgesteckt. Die Bohrung für die Nagelverriegelungsschraube fluchtet mit dem Doppelschlitz im Zusatzmodul. Eine Verriegelungsschraube fixiert das Transportsegment am Transportkolben des motorisierten Nagels. Das Zusatzmodul wird mit Verriegelungsschrauben z. B. am distalen Hauptfragment fixiert. Je nach Situation kann entweder ein alleiniger KST durchgeführt oder der Knochen bei fortgesetzter Aktivierung des Motorantriebs ohne weiteren Eingriff zusätzlich verlängert werden.

Chirurgische Technik und Fallbeschreibung

Anwendungsbeispiele

Tibia

Vorgeschichte.
Ein 74 Jahre alter Patient erlitt eine offene distale Tibiafraktur vom Grad IIIA (AO/OTA42A) mit begleitender Fibulafraktur. Die Komplikationswunde wurde initial debridiert und die Frakturen stabilisiert (offene Reposition und innere Fixierung [ORIF] der Tibia: mediale 14-Loch-Titan-Kompressionsplatte und Zugschraube, ORIF der Fibula: laterale Titan-1/3-Rohrplatte; Abb. 3). Etwa ein Jahr später präsentierte sich der Patient in der Medizinischen Hochschule Hannover mit Schmerzen (visuelle analoge Skala [VAS] 6–8) und der Unfähigkeit, ohne 2 Unterarmgehstützen zu gehen. In Höhe der Tibiaplatte fand sich in der Vorgeschichte eine Fistelöffnung bei dem ansonsten gesunden Patienten (Nichtraucher, kein Diabetes; Abb. 3). Röntgenaufnahmen und CT-Scans zeigten eine atrophe Pseudarthrose der Tibia mit Randsklerose der tibialen Fragmentenden und verheilter Fibula. Es bestanden eine leichte 3°-Valgus-Deformität und ein 25°-Außenrotation-Fehler im Vergleich zur unverletzten Seite. Auf Höhe der Pseudarthrose zeigten sich dunkel verfärbte, indurierte Weichteile. Der Fuß hatte normale Pulse mit intakter Sensorik und motorischer Funktion. Es wurde ein leichter Spitzfuß mit einer Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk von Dorsal‑/Plantarflexion 0°/10°/30° festgestellt; die Kniegelenkbeweglichkeit war seitengleich normal.
Vorbereitung.
Nach mehreren ausführlichen Informationsgesprächen über Vor- und Nachteile, Möglichkeiten und Risiken verschiedener Behandlungsoptionen (Entscheidungsmatrix: Tab. 1) entschied sich der Patient für eine Segmentresektion, Lappendeckung und einen komplett internen Segmenttransport mit dem MagicTube-Modulsystem. Das MagicTube-Modul ist kein kommerziell erhältliches Implantatmodul, sondern eine Sonderanfertigung im Sinne eines Heilversuchs. Produktion, Lagerung und Implantation entsprachen den deutschen und den europäischen medizinischen Vorschriften (Medizinproduktegesetz). Die Verantwortung liegt ganz beim Chirurgen. Die Zustimmung des örtlichen Ethikkomitees wurde eingeholt.
Tab. 1
Entscheidungsmatrix für große segmentale Knochendefekte an Tibia und Femur [5]
Methode
Transport
Fixation
Ohne größere Knochentransplantation
Wiederherstellung des Knochenrohrs
Möglichkeiten zur Knochenverlängerung ohne weiteren Eingriff
Hohes Risiko der Kniegelenkkontraktur bei Anwendung am Femur
Bemerkungen
Ilizarov [3, 12]
Externer Transport
1/3 Zeit
Externe Fixation
2/3 Zeit
Ja
Ja
Ja
Ja
Sehr lange Präsenz des Fixateur externe (z. B. 90 mm Defekt: Transportzeit 3 Monate + Konsolidierungszeit 6 Monate = insgesamt 9 Monate)
Schwierigkeiten der Fixierung des Fixateurs in sehr kurzen Hauptfragmenten
Monorail [8, 11, 14]
Externer Transport
1/3 Zeit
Intern
(Nagel, Platte)
Ja
Ja
Ja (modifizierte Konstruktion)
Ja
Lange Präsenz des Fixateur externe (z. B. 90 mm Defekt: Transportzeit 3 Monate)
Schwierigkeiten der Fixierung des Fixateurs in sehr kurzen Hauptfragmenten
Masquelet [9, 10]
Intern
Intern
(Platte)
Nein
in der Regel Nein
Nein
Nein
Sehr großes Volumen an benötigtem Knochenttransplantat
Entnahmemorbidität
Rigider Knochenblock statt Knochenrohr, erhöhtes Risiko für Ermüdungsfrakturen
Intern
(Nagel)
Nein
Ja
Nein
Nein
Sehr großes Volumen an benötigtem Knochenttransplantat
Entnahmemorbidität
MagicTube [5]
Intern
Intern
(Nagel)
Ja
Ja
Ja
Nein
Neues Konzept, mehr Daten benötigt
Vorteile der jeweiligen Verfahren (kursiv) und Nachteile (fett)
Angabe von Relationen von Transport und Fixierungszeit bei externen Verfahren
Operationstechnik.
In der ersten Operation unterzog sich der Patient einem gründlichen Weichteil- und Knochendébridement. Nach der Entfernung des nekrotischen Knochens verblieb ein Tibiadefekt von 90 mm. Dieser Defekt wurde mit einem Antibiotika(Gentamicin)-haltigen Zementabstandshalter gefüllt und die Wunde mit einem Vakuumsystem verschlossen. Einige Tage später wurde der Defekt mit einem freien gefäßgestielten myokutanen Latissimus-dorsi-Lappen von den Kollegen aus der plastischen Chirurgie gedeckt. Die Wundheilung verlief problemlos. Der Patient wurde mit einer Unterschenkelschiene plus Fußeinschluss (Teilbelastung 15–20 kg) unter sehr milden Schmerzen (VAS 1–2) mobilisiert. Nach kompletter Ab- und Einheilung des freien Lappens wurde die Behandlung fortgeführt. Der Lappen wurde gehoben, der Zementabstandshalter entfernt und die Torsionsfehlstellung nach einer Fibulaosteotomie korrigiert. Nach einem transligamentären Zugang zur proximalen Tibia wurde ein motorisierter Knochenverlängerungsnagel (PRECICE®, Fa. Nuvasive, San Diego, Kalifornien) mit dem aufgesteckten MagicTube-Modul antegrad in den Tibiamarkraum eingeführt und zentral in der sehr kurzen distalen Tibia platziert. Das Ende des MagicTube-Moduls kam direkt auf einer verbliebenen abgebrochenen Plattenschraube zu liegen, die beim Débridement belassen worden war. Der motorisierte Nagel wurde proximal in der proximalen Tibia verriegelt (Abb. 4 und 5). Das MagicTube-Modul wurde im distalen Tibiafragment mithilfe von 2 Verriegelungsschrauben verriegelt, nachdem sichergestellt war, dass 1) der Schlitz des MagicTube-Moduls sich in einer Ebene mit den distalen Verriegelungslöchern des motorisierten Nagels befand und 2) die tibiale Torsion spiegelsymmetrisch zur kontralateralen Seite ausgerichtet war.
Dann wurde die Mitnehmerschraube im Knochentransportsegment gesetzt, und zwar 1) durch den Knochen des Transportsegments, 2) durch die miteinander fluchtenden Öffnungen im MagicTube-Modul und 3) durch den Transportkolben des Transportnagels.
Anschließend wurde das Transportsegment mithilfe einer Gigli-Säge vom proximalen Hauptfragment getrennt. Die Transportfunktion wurde mit dem Magnetantrieb getestet.
Postoperativer Behandlungsverlauf.
Die Wundheilung war unproblematisch. Der Patient konnte mit einer Unterschenkelschiene plus Fußeinschluss (Teilbelastung 15–20 kg) sehr schmerzarm (VAS 1–2) mobilisiert werden.
Aufgrund seines hohen Alters des Patienten (74 Jahre) wurde der Transport erst 3 Wochen nach der Osteotomie gestartet. Im Hinblick auf die altersbedingt eingeschränkte Regenerationsfähigkeit wurde die Transportrate mit 0,25 mm/Tag zunächst sehr niedrig gehalten.
Ist die Defektstrecke größer als der Kolbenhub, muss ein Pit-stop-Manöver durchgeführt werden
Wöchentlich wurden Röntgenaufnahmen und Ultraschallkontrollen durchgeführt. Nach 4 Wochen zeigte sich eine lediglich sehr geringe Dichte im Regenerat, sodass der Transport für weitere 2 Wochen in die entgegengesetzte Richtung gesteuert wurde (Kompression/Ziehharmonikatechnik), um das Regenerat besser reifen zu lassen. Drei Monate nach der Osteotomie wurde die Transportrate auf 1 mm/Tag erhöht, und in den Röntgenaufnahmen wurde die beginnende homogene Verkalkung des Transportkallus ersichtlich. Um ein hindernisfreies Andocken zu ermöglichen, musste in der Endphase die proximale Schraube der distalen Verriegelungsschraubengruppe entfernt werden (Abb. 3).
Pit-stop-Manöver.
Der Kolbenhub von Verlängerungsnägeln ist begrenzt und beträgt meist zwischen 50 und 80 mm. Ist die Defektstrecke größer als der Kolbenhub, muss ein Pit-stop-Manöver durchgeführt werden. Darunter werden der temporäre Transportstopp, die temporäre mechanische Sicherung des Transportsegments, das Lösen der Transportfixierung (Verriegelungsschraube), das Rückführen des Transportkolbens in die Ausgangssituation und das Entfernen der temporären mechanischen Sicherung des Transportsegments verstanden. Anschließend kann der unterbrochene Transport wieder aufgenommen werden (Tab. 2).
Tab. 2
Grundsätzliche operative Teilschritte beim Pit-stop-Manöver
Teilschritte
Bemerkung
1. Temporäre mechanische Sicherung des Transportsegments
Z. B. über temporären Fixateur externe oder temporäre (winkelstabiler) Platte
2. Lösen der Transportmitnehmerfixierung
In der Regel Mitnehmerverriegelungsschraube, bei ungünstiger geometrischer Situation auch Mitnehmerplatte oder Drahtseil
3. Rückführen des Transportkolbens in die Ausgangssituation
In normaler Transportgeschwindigkeit würde dies 7 min/mm dauern, mithilfe des „fast distractor“ (Fa. NuVasive, Inc., San Diego, CA, USA) erfolgt dieser Prozess um ein Vielfaches schneller, vorausgesetzt das Implantat ist temporär ausgebaut.
4. Erneute Verriegelung des Transportsegments
Mitnehmerschraube. Wenn das Verriegelungsloch des Transportkolbens außerhalb des Transportsegments liegt, muss eine Hilfskonstruktion zur Segmentmitnahme etabliert werden (z. B. Mitnehmerplatte oder Drahtseil)
5. Entfernen der temporären mechanischen Sicherung des Transportsegments
6. Wiederaufnahme des Knochensegmenttransports
Komplikationen.
Während des Transports waren Schraubenlockerungsphänomene im Bereich der proximalen Verriegelungsschrauben im Nagel zu verzeichnen. Diese Probleme wurden mit dem Aufbringen kleiner Plättchen adressiert.

Femur

Ein 39-jähriger Patient stellte sich nach einer auswärts mithilfe einer Plattenosteosynthese behandelten Schussverletzung mit femoralem Knochenverlust, Pseudarthrose und Plattenbruch vor. Nach weiteren debridierenden und stabilisierenden Voroperationen betrug der Gesamtknochenverlust bei einer Kombination aus 94 mm Segmentdefekt und 28 mm Verkürzung insgesamt 122 mm (Abb. 6). Zunächst erfolgte ein weiteres gründliches Weichteil- und Knochendébridement. Der Knochen wurde mit einem intraoperativ gefertigten intramedullären Nagel, bestehend aus einem Bündelnagel mit Knochenzementmantel, geschient. Ein verbleibender Knochensegmentdefekt wurde mit antibiotikahaltigem Knochenzement als Platzhalter gefüllt. Nachdem mehrfache Punktionsaspirationen keinen mikrobiologischen Keimnachweis ergaben, wurde in einem weiteren Eingriff ein motorisierter Verlängerungsnagel mit aufgestecktem MagicTube-Modul antegrad eingebracht und der Transportnagel proximal, der MagicTube distal verriegelt. Da die Spitze des Transportkolbens über das Transportfragment hinausragte, wurde das distale Ende des Transportkolbens mithilfe einer 3,5 mm winkelstabilen Platte als Mitnehmervorrichtung mit dem osteotomierten Transportsegment winkelstabil verbunden. Aufgrund des begrenzten Transporthubs des Transportnagels waren Pit-stop-Manöver erforderlich. Beim ersten dieser Eingriffe wurde die Mitnehmerplatte gegen einen Seilzugmechanismus ausgetauscht. Im weiteren Verlauf kam es zu einem Ermüdungsbruch des Transportseils. Der Eingriff zur Behebung dieser Komplikation wurde für ein weiteres Pit-stop-Manöver genutzt, um den ausgefahrenen Transportkolben wieder zurückzuholen. Der KST war nun so weit fortgeschritten, dass das Transportsegment an der Spitze des Transportkolbens über eine transossäre Mitnehmerschraube durch den Schlitz des MagicTube und das Verriegelungsloch des Transportkolbens fixiert werden konnte.
Mit Auftreffen des Transportsegments auf das distale Fragment wurde die Verlängerungsphase eingeleitet, indem das distale Hauptfragment vom Transportsegment vor sich hergeschoben wird. Damit wurde das verkürzte Femur verlängert. Der gesamte Knochentransport betrug also 122 mm. Dieser Betrag setzte sich aus 94 mm Segmenttransport und 28 mm zusammen. Am Ende des Transports wurde auf dem Extensionstisch (Sicherung der Länge) in Seitenlage des Patienten ein Docking-Eingriff durchgeführt. Zunächst wurde die Docking site mit einer Zugschraube gesichert. Anschließend wurden der Verlängerungsnagel und MagicTube entriegelt, entfernt und gegen einen konventionellen Nagel (CFN; Fa. DePuy Synthes, West Chester, PA, USA) ausgetauscht (Abb. 7). Wegen einer Fehlbestimmung der Ausgangslänge kam es zu einer passageren und schmerzhaften Überdistraktion, die am Folgetag operativ korrigiert werden musste.

Diskussion

Das 2017 erstmals beschriebene MagicTube-Modul [5] ist das erste und bislang einzige Implantat, das im Zusammenwirken mit einem motorisierten Verlängerungsnagel einen inneren Segmenttransport und die anschließende optionale Verlängerung ohne einen weiteren operativen Eingriff zulässt. Das einfache universelle partiell geschlitzte zylindrische Transportrohr kann mit jedem motorisierten Verlängerungsnagel mit freiem Kolben kombiniert werden.
Gegenüber herkömmlichen Techniken gibt es mehrere Vorteile. Die Behandlung von großen segmentalen Knochendefekten hat sich mit der Einführung des „Induced-membrane“-Konzepts [9, 10] deutlich verbessert. Aber die Knochenentnahmemorbidität und die Schaffung eines starren massiven Knochenblocks anstelle eines Rohres hat bei diesem Verfahren häufig zu Problemen wie z.B. Refrakturen geführt. Diese Nachteile können mit dem hier vorgestellen Verfahren vermieden werden.
Der Knochensegmenttransport (KST) kann entweder mit einem kompletten externen Befestigungs- und Transportsystem [3, 12] oder als externer segmentaler Transport entlang eines überbrückenden Implantats (z. B. Nagel [8, 14] oder Platte [11]) durchgeführt werden.
Externe Fixierung und Transport können bei schwierigen Weichteilen manchmal das einzig mögliche Verfahren sein. Häufig ist aber die äußere Fixierung mit einer Vielzahl von Schwierigkeiten, Problemen und Komplikationen verbunden [12]. Meist sind die weichteilperforierenden Implantate (Schanz-Schrauben, Drähte) lediglich bakteriell kontaminiert, grundsätzlich besteht aber das Risiko einer an den Implantaten fortgeleiteten Infektion in das Knocheninnere. Ein weiterer Nachteil von partiellen oder vollständigen externen segmentalen Transportkonzepten ist die Notwendigkeit der Platzierung von Schanz-Schrauben oder Drähten in den proximalen- und/oder distalen Hauptfragmenten. Das kann in kurzen Segmenten schwierig oder unmöglich sein, wie beim vorgestellten Patienten. Insbesondere am Femur kann es durch Traktopexie (Tractus iliotibialis) und Myopexie (M. quadriceps) zu Bewegungsschmerzen und u. U. sehr ausgeprägten Kniegelenkeinsteifungen und Kontrakturen kommen.
Aus diesen Gründen ziehen wir es vor, eine externe Fixierung zu vermeiden, wann immer es möglich ist. Neu entwickelte magnetisch aktivierte Nägel [4, 13, 15] haben Vorteile gegenüber durch Gang aktivierten Systemen [2], die schwer zu kontrollieren sind (Geschwindigkeit, Stopp) und die Richtung nicht umkehren können. Magnetisch aktivierte motorisierte Nägel überwinden diese Nachteile, da sie eine gute Kontrolle von Start und Stopp sowie von Richtung und Geschwindigkeit ermöglichen. Diese werden im Einsatz mit dem MagicTube-Modul bevorzugt.
Mögliche Nachteile hängen damit zusammen, dass jedes motorisierte Nagelsystem eine gewisse Mindestlänge des Nagels benötigt, die in kurzen Fragmenten bei metaphysennahen Defekten problematisch sein kann. Unter diesen Umständen kann eine direkte Verriegelung des Transportfragments nicht möglich sein, und andere Mitnehmermethoden (Draht, Platte) müssen erwogen werden. Ein weiterer Nachteil von magnetisch motorisierten Nägeln ist die Tatsache, dass die Induktion von Energie vom Abstand zwischen dem äußeren Aktor und dem internen Empfänger im Nagel beeinflusst wird. Bei adipösen Patienten mit großem Weichteilmantel ist der Abstand entsprechend größer und die übertragene Energie im Vergleich zu normalgewichtigen Patienten mit schlanken Gliedmaßen geringer.
Das MagicTube-Modul hat den Vorteil, dass es eine gute Kontrolle des Transports sowie der Transportgeschwindigkeit und -richtung ermöglicht. Im vorgestellten Tibiafall war dies hilfreich und wichtig, da die Knochenregeneration des 74-jährigen Patienten weniger zuverlässig war als bei einem jüngeren Patienten. Als die Regeneration in einer routinemäßigen Ultraschalluntersuchung weniger Reflexion und Dichte zeigte als erwartet, wurde die Richtung des KST temporär 2 Wochen lang umgedreht. Ein weiterer wichtiger Vorteil ist die Tatsache, dass das MagicTube-Modul eine zusätzliche optionale Knochenverlängerung ermöglicht, da die meisten Patienten mit segmentalen Defekten auch eine mehr oder weniger große Verkürzung aufweisen.
MagicTube-Modul ermöglicht gute Kontrolle des Transports, seiner Geschwindigkeit und Richtung
Im Rahmen des knöchernen Débridements beim Docking kommt es häufig zu einer weiteren Verkürzung. Aus diesem Grund strebt der Autor immer eine leichte Verlängerung an, wenn ein Docking-Eingriff mit Anfrischen der Knochenenden absehbar ist. Ein weiterer Vorteil ist, dass selbst sehr kurze Hauptfragmente mit dieser Technik adressiert werden können (Abb. 34 und 5). Hier wäre die Platzierung von Schanz-Schrauben schwierig oder unmöglich.
Einschränkungen in der Beurteilung der Methode bestehen durch die bislang geringe Patientenzahl. Weitere Untersuchungen sind erforderlich.

Fazit für die Praxis

  • Das MagicTube-Modul ist einfach, ohne bewegliche Teile und kostengünstig herstellbar.
  • Es handelt sich um ein universelles modulares Konzept; der MagicTube ist mit jedem handelsüblichen Knochentransportnagel kombinierbar.
  • Bei Einsatz im Femur minimiert das Modul als inneres Verfahren das Risiko für Kniegelenkkontrakturen und -einsteifungen.
  • Das MagicTube-Modul erlaubt als weltweit einziges internes Verlängerungsimplantat den Übergang vom Segmenttransport in die optionale Beinverlängerung ohne zusätzlichen operativen Eingriff.

Danksagung

Dank gilt den Mitarbeitern des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie (Bildgebung) und den Mitarbeitern der Klinik für Plastische, Ästhetische, Hand- & Wiederherstellungschirurgie (Lappendeckung) der Medizinischen Hochschule Hannover. Besonderer Dank gilt der TraumaStiftung gGmbH und ihrer langjährigen Förderin Frau Madeleine Winter-Schulze, ohne deren stetige Unterstützung diese Entwicklung nicht möglich gewesen wären.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

C. Krettek gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Soweit der Beitrag personenbezogene Daten enthält, wurde von den Patienten eine zusätzliche Einwilligung nach erfolgter Aufklärung eingeholt. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.
Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.

Unsere Produktempfehlungen

Die Unfallchirurgie

Print-Titel

Fortbildung für unfallchirurgisch und chirurgisch tätige Ärztinnen und Ärzte, State-of-the-art Reviews zu aktuellen Themen und CME - Evidenzbasierte Medizin zum Punkte sammeln

e.Med Interdisziplinär

Kombi-Abonnement

Für Ihren Erfolg in Klinik und Praxis - Die beste Hilfe in Ihrem Arbeitsalltag

Mit e.Med Interdisziplinär erhalten Sie Zugang zu allen CME-Fortbildungen und Fachzeitschriften auf SpringerMedizin.de.

e.Med Orthopädie & Unfallchirurgie

Kombi-Abonnement

Mit e.Med Orthopädie & Unfallchirurgie erhalten Sie Zugang zu CME-Fortbildungen der Fachgebiete, den Premium-Inhalten der dazugehörigen Fachzeitschriften, inklusive einer gedruckten Zeitschrift Ihrer Wahl.

Literatur
1.
Zurück zum Zitat Baumgart R, Betz A, Schweiberer L (1997) A fully implantable motorized intramedullary nail for limb lengthening and bone transport. Clin Orthop Relat Res 343:135–143CrossRef Baumgart R, Betz A, Schweiberer L (1997) A fully implantable motorized intramedullary nail for limb lengthening and bone transport. Clin Orthop Relat Res 343:135–143CrossRef
2.
Zurück zum Zitat Cole JD, Justin D, Kasparis T, DeVlught D, Knobloch C (2001) The intramedullary skeletal kinetic distractor (ISKD): first clinical results of a new intramedullary nail for lengthening of the femur and tibia. Injury 32(Suppl 4):SD129–SD139CrossRef Cole JD, Justin D, Kasparis T, DeVlught D, Knobloch C (2001) The intramedullary skeletal kinetic distractor (ISKD): first clinical results of a new intramedullary nail for lengthening of the femur and tibia. Injury 32(Suppl 4):SD129–SD139CrossRef
3.
Zurück zum Zitat Feibel RJ, Uhthoff HK (2005) Primary Ilizarov ankle fusion for nonreconstructable tibial plafond fractures. Oper Orthop Traumatol 17(4/5):457–480CrossRef Feibel RJ, Uhthoff HK (2005) Primary Ilizarov ankle fusion for nonreconstructable tibial plafond fractures. Oper Orthop Traumatol 17(4/5):457–480CrossRef
4.
Zurück zum Zitat Kirane YM, Fragomen AT, Rozbruch SR (2014) Precision of the PRECICE internal bone lengthening nail. Clin Orthop Relat Res 472(12):3869–3878CrossRef Kirane YM, Fragomen AT, Rozbruch SR (2014) Precision of the PRECICE internal bone lengthening nail. Clin Orthop Relat Res 472(12):3869–3878CrossRef
5.
Zurück zum Zitat Krettek C, El Naga A (2017) All internal segmental bone transport and optional lengthening with a newly developed universal cylinder-kombi-tube module for motorized nails-description of a surgical technique. J Orthop Trauma 31(Suppl 5):S39–S41CrossRef Krettek C, El Naga A (2017) All internal segmental bone transport and optional lengthening with a newly developed universal cylinder-kombi-tube module for motorized nails-description of a surgical technique. J Orthop Trauma 31(Suppl 5):S39–S41CrossRef
6.
Zurück zum Zitat Laubscher M, Mitchell C, Timms A, Goodier D, Calder P (2016) Outcomes following femoral lengthening: an initial comparison of the precice intramedullary lengthening nail and the LRS external fixator monorail system. Bone Joint J 98-B(10):1382–1388CrossRef Laubscher M, Mitchell C, Timms A, Goodier D, Calder P (2016) Outcomes following femoral lengthening: an initial comparison of the precice intramedullary lengthening nail and the LRS external fixator monorail system. Bone Joint J 98-B(10):1382–1388CrossRef
7.
Zurück zum Zitat Liodakis E, Kenawey M, Krettek C, Ettinger M, Jagodzinski M, Hankemeier S (2011) Segmental transports for posttraumatic lower extremity bone defects: are femoral bone transports safer than tibial? Arch Orthop Trauma Surg 131(2):229–234CrossRef Liodakis E, Kenawey M, Krettek C, Ettinger M, Jagodzinski M, Hankemeier S (2011) Segmental transports for posttraumatic lower extremity bone defects: are femoral bone transports safer than tibial? Arch Orthop Trauma Surg 131(2):229–234CrossRef
8.
Zurück zum Zitat Liodakis E, Kenawey M, Krettek C, Wiebking U, Hankemeier S (2011) Comparison of 39 post-traumatic tibia bone transports performed with and without the use of an intramedullary rod: the long-term outcomes. Int Orthop 35(9):1397–1402CrossRef Liodakis E, Kenawey M, Krettek C, Wiebking U, Hankemeier S (2011) Comparison of 39 post-traumatic tibia bone transports performed with and without the use of an intramedullary rod: the long-term outcomes. Int Orthop 35(9):1397–1402CrossRef
9.
Zurück zum Zitat Masquelet AC, Fitoussi F, Begue T, Muller GP (2000) Reconstruction of the long bones by the induced membrane and spongy autograft. Ann Chir Plast Esthet 45(3):346–353PubMed Masquelet AC, Fitoussi F, Begue T, Muller GP (2000) Reconstruction of the long bones by the induced membrane and spongy autograft. Ann Chir Plast Esthet 45(3):346–353PubMed
10.
Zurück zum Zitat Mauffrey C, Hake ME, Chadayammuri V, Masquelet AC (2016) Reconstruction of long bone infections using the induced membrane technique: tips and tricks. J Orthop Trauma 30(6):e188–e193PubMed Mauffrey C, Hake ME, Chadayammuri V, Masquelet AC (2016) Reconstruction of long bone infections using the induced membrane technique: tips and tricks. J Orthop Trauma 30(6):e188–e193PubMed
11.
Zurück zum Zitat Oh CW, Apivatthakakul T, Oh JK, Kim JW, Lee HJ, Kyung HS et al (2013) Bone transport with an external fixator and a locking plate for segmental tibial defects. Bone Joint J 95-B(12):1667–1672CrossRef Oh CW, Apivatthakakul T, Oh JK, Kim JW, Lee HJ, Kyung HS et al (2013) Bone transport with an external fixator and a locking plate for segmental tibial defects. Bone Joint J 95-B(12):1667–1672CrossRef
12.
Zurück zum Zitat Paley D (1990) Problems, obstacles, and complications of limb lengthening by the Ilizarov technique. Clin Orthop Relat Res 250:81–104 Paley D (1990) Problems, obstacles, and complications of limb lengthening by the Ilizarov technique. Clin Orthop Relat Res 250:81–104
13.
Zurück zum Zitat Paley D (2015) PRECICE intramedullary limb lengthening system. Expert Rev Med Devices 12(3):231–249CrossRef Paley D (2015) PRECICE intramedullary limb lengthening system. Expert Rev Med Devices 12(3):231–249CrossRef
14.
Zurück zum Zitat Raschke MJ, Mann JW, Oedekoven G, Claudi BF (1992) Segmental transport after unreamed intramedullary nailing. Preliminary report of a „Monorail“ system. Clin Orthop Relat Res 282:233–240 Raschke MJ, Mann JW, Oedekoven G, Claudi BF (1992) Segmental transport after unreamed intramedullary nailing. Preliminary report of a „Monorail“ system. Clin Orthop Relat Res 282:233–240
15.
Zurück zum Zitat Schiedel FM, Vogt B, Tretow HL, Schuhknecht B, Gosheger G, Horter MJ et al (2014) How precise is the PRECICE compared to the ISKD in intramedullary limb lengthening? Reliability and safety in 26 procedures. Acta Orthop 85(3):293–298CrossRef Schiedel FM, Vogt B, Tretow HL, Schuhknecht B, Gosheger G, Horter MJ et al (2014) How precise is the PRECICE compared to the ISKD in intramedullary limb lengthening? Reliability and safety in 26 procedures. Acta Orthop 85(3):293–298CrossRef
Metadaten
Titel
MagicTube: Neue Möglichkeiten zum komplett internen Knochensegmenttransport und optionaler Verlängerung
Neues Zusatzmodul für motorisierte Verlängerungsnägel zur Behandlung großer Knochendefekte
verfasst von
Prof. Dr. Christian Krettek, FRACS, FRCSEd
Publikationsdatum
01.11.2018
Verlag
Springer Medizin
Schlagwort
Knochendefekte
Erschienen in
Die Unfallchirurgie / Ausgabe 11/2018
Print ISSN: 2731-7021
Elektronische ISSN: 2731-703X
DOI
https://doi.org/10.1007/s00113-018-0549-9

Weitere Artikel der Ausgabe 11/2018

Die Unfallchirurgie 11/2018 Zur Ausgabe

Update Unfallchirurgie

Rheumatologie

Arthropedia

Grundlagenwissen der Arthroskopie und Gelenkchirurgie. Erweitert durch Fallbeispiele, Videos und Abbildungen. 
» Jetzt entdecken

Update Orthopädie und Unfallchirurgie

Bestellen Sie unseren Fach-Newsletter und bleiben Sie gut informiert.