Corona-Impfschutz trotz anti-CD20-Antikörpern

Erhalten MS-Patienten unter einer B-Zell-depletierenden Therapie eine Coronaimpfung mit einer RNA-Vakzine, dann ist zwar die B-Zell-Response beeinträchtigt, die T-Zell-Antwort dürfte aber dennoch für einen guten Impfschutz sorgen. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Nach einer Immunisierung gegen SARS-CoV-2 gehen zwar die Antikörpertiter nach einigen Wochen und Monaten zurück, die T-Zell-Response sorgt aber dennoch für einen guten Schutz. Darauf können offenbar auch MS-Kranke bauen, die eine Impfung während einer Behandlung mit B-Zell-depletierenden Antikörpern erhalten. Wie Immunologen um Dr. Sokratis Apostolidis von der Perelman School of Medicine in Philadelphia berichten, ist die B-Zell-Response zwar umso stärker beeinträchtigt, je kürzer die letzte Medikamenteninfusion zurückliegt und je weniger B-Zellen rekonstituiert wurden, wobei vor allem Letzteres entscheidend ist. Auf der anderen Seite scheint der Mangel an B-Zellen die CD8-T-Zell-Antwort zu verstärken. Eine gute CD8-Antwort ging in Untersuchungen bei Patienten mit B-Zell-Mangel wiederum mit einer relativ guten Prognose bei einer SARS-CoV-2-Infektion einher. Eine starke CD8-Response ist auch nötig, um neue Virusvarianten zu erkennen, die von Antikörpern nicht mehr gut neutralisiert werden. Das alles lässt hoffen, dass die T-Zell-Response nach einer Impfung einen B-Zell-Mangel bis zu einem gewissen Grad kompensiert. Untersuchung bei MS-Kranken mit Ocrelizumab und Rituximab Um zu schauen, wie gut die Coronaimpfung nach einer B-Zell-depletierenden Therapie wirkt, haben die Forscher um Apostolidis die Immunantwort bei 20 MS-Kranken mit einer Therapie gegen CD20 sowie zehn gesunden Probanden gründlich untersucht. 19 der MS-Patienten hatten Ocrelizumab, einer Rituximab erhalten, alle Teilnehmer wurden mit RNA-Vakzinen von Moderna und BioNTech geimpft, bei allen nahmen die Ärzte Blutproben unmittelbar vor sowie zehn bis zwölf Tage nach jeder der beiden Impfungen, eine weitere Probe analysierten sie einen Monat nach der zweiten Immunisierung. Wie erwartet, bildeten die MS-Kranken deutlich weniger Antikörper gegen das Spike-Protein und die Rezeptorbindedomäne (RBD) des Virus als die Kontrollpersonen. So hatte einen Monat nach der zweiten Impfung nur die Hälfte der MS-Kranken nachweisbares IgG gegen die RBD, aber immerhin knapp 90% Antikörper gegen Spike. Die B-Zell-Response hing direkt von der Zahl der vorhandenen B-Zellen ab und damit indirekt auch von der Zeit seit der letzten Arzneiinfusion. Je weiter die B-Zell-Rekonstitution vorangeschritten war, umso besser die B-Zell-Response. Bei einigen Patienten mit normalen B-Zell-Werten war auch die B-Zell-Response normal. Dies spricht zunächst einmal dafür, dass MS-Kranke mit genügend Abstand zur letzten Infusion keine Nachteile haben. Analysierten die Forschern B-Gedächtniszellen, so fanden sie solche nur bei 30% der MS-Kranken, und zwar wiederum bei denen mit vorangeschrittener B-Zell-Rekonstitution. Empfehlung der Redaktion Aktuelle News & Übersichten Themenseite Multiple Sklerose Auf der Themenseite Multiple Sklerose halten wir Sie über die häufigste chronisch-entzündliche ZNS-Erkrankung bei jungen Erwachsenen auf dem Laufenden. Verschiebungen bei der T-Zell-Antwort Alle MS-Kranken zeigten eine ausgeprägte CD4-T-Zell-Antwort, diese war jedoch etwas schwächer als bei den Gesunden, vor allem gab es keine anhaltende Aktivierung von follikulären T-Helferzellen (TFH). TFH-Zellen Sind nötig, um B-Zellen bei der Etablierung einer starken Antikörperantwort zu unterstützen. Unterm Strich entwickelten sich einige Subpopulationen von CD4-T-Zellen nach der Impfung normal, vor allem antigenspezifische, andere wiederum wurden schwächer aktiviert. Nach der ersten Impfung zeigte sich bei den MS-Kranken auch eine schwächere CD8-T-Zell-Aktivierung als bei Gesunden, nach der zweiten Impfung war diese jedoch deutlich stärker als in der gesunden Kontrollgruppe, vor allem unter Patienten mit geringer B-Zell-Rekonstitution. Weitere Analyse ergaben, dass die Abweichungen bei der T-Zell-Antwort ebenfalls mit der B-Zell-Response zusammenhingen. Differenzierten die Forscher zwischen Patienten mit nachweisbaren RBD-Antikörpern und solchen ohne – der Nachweis diente hier als Marker für die B-Zell-Response – dann zeigten Patienten ohne RBD-Antikörper eine schwächere Aktivierung von CD4-TFH-Zellen, dafür eine stärkere von CD8-T-Zellen. Was lässt sich also aus den Untersuchungen schließen? Zum einen klappt die Coronaimpfung bei MS-Kranken unter Therapien gegen CD20 umso besser, je länger die letzte Infusion her ist und je mehr B-Zellen neu gebildet wurden. Doch selbst Patienten, die kurz nach einer Infusion geimpft werden, bilden eine starke T-Zell-Antwort, wobei eine übermäßige CD8-T-Zell-Aktivierung einen Teil der Immundefizite kompensieren dürfte. Welche klinische Bedeutung dies hat, bleibt zunächst noch unklar. Für die Praxis könnte dies heißen: Je länger die letzte Infusion zurückliegt, umso besser, allerdings liefern die Daten keinen Grund, eine Impfung zu verzögern. Ein substanzieller, vermutlich sogar guter Impfschutz, dürfte auch bei B-Zell-depletierten Patienten bestehen. Hier wäre dann wohl über eine Booster-Impfung spätestens nach der B-Zell-Rekonstitution nachzudenken. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie gut wirken Coronavakzinen bei MS-Kranken unter Ocrelizumab und Rituximab? Antwort: Patienten mit B-Zell-depletierenden Therapien entwickeln noch immer eine gute T-Zell-Antwort. Bedeutung: Auch kurz nach einer Therapie mit Arzneien gegen CD20 lässt sich ein Immunschutz induzieren, die Immunresponse ist aber umso normaler, je stärker die B-Zell-Rekonstitution vorangeschritten ist.

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