S2k-Leitlinie: Diese neuen MS-Medikamente werden empfohlen

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie hat eine aktualisierte und überarbeitete S2k-Leitlinie zur MS-Diagnostik und -Therapie veröffentlicht. Eingang gefunden haben mehrere neue MS-Therapien, diese werden zudem in Wirksamkeitskategorien gegliedert. In der MS-Therapie und -Diagnostik hat sich in den vergangenen neun Jahren einiges getan: Die McDonald-Diagnosekriterien wurden 2017 vereinfacht, zahlreiche neue verlaufsmodifizierende Medikamente (DMT) sind auf den Markt gekommen, sodass sich für viele Ärzte die Frage neu stellt: Welche MS-Patienten sollen wann welche Arzneien bekommen? Die DGN trägt dem nun Rechnung, indem sie ihre S2k-Leitlinie aus dem Jahr 2011 aktualisiert und erweitert hat. Beteiligt waren an der Leitlinie auch Neurologenverbände aus der Schweiz und aus Österreich, die Berufsverbände Deutscher Neurologen und Nervenärzte (BDN und BVDN), Patientenorganisationen, Physiotherapeuten, Gynäkologen, Neuropädiater sowie die Neuromyelitis optica Studiengruppe (NEMOS). Einige wesentliche Neuerungen: DMT zur Therapie bei schubförmiger MS werden in drei Wirksamkeitskategorien gegliedert: Kategorie 1 enthält Teriflunomid, Dimethylfumarat, Glatirameracetat und Interferone, Kategorie 2 die stärker wirksamen Medikamente Cladribin, Fingolimod und Ozanimod, Kategorie 3 die hochpotenten Antikörper Alemtuzumab, Natalizumab, Rituximab und Ocrelizumab. Die Leitlinie rät zu einem Therapiestart mit Kategorie 1, sofern keine Risikofaktoren für einen hochaktiven Verlauf vorliegen. Zu diesen Faktoren zählen verbleibende alltagsrelevante Defizite nach einem MS-Schub, zwei oder mehr Schübe im ersten Erkrankungsjahr, drei oder mehr Schübe in den ersten beiden Jahren, ein EDSS-Wert ab 3 im ersten Jahr sowie eine Pyramidenbahnbeteiligung im ersten Jahr. Patienten mit solchen Faktoren sollten Ärzte einen Therapiestart mit Mitteln aus der Kategorie 2 und 2 anbieten. Die Leitlinie empfiehlt eine „Treat-to-target-Strategie“: Das „target“ ist hier die Vermeidung jeglicher Krankheitsaktivität. Sollten Ärzte unter Kategorie-1-Arzneien also einen „entzündlichen Verlauf“ beobachten, wird ein Wechsel auf Kategorie 2 oder 3 empfohlen. Entscheidend kann die erste Verlaufskontrolle sechs Monate nach Therapiebeginn sein. Als entzündlicher Verlauf gilt ein klinischer Schub oder mindestens zwei neue MS-typische MRT-Läsionen zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten. Eskalieren Ärzte die Therapie, sollten sie sich bei der Wahl der Kategorie und der Medikamente an der Krankheitsaktivität und prognostisch relevanten Faktoren orientieren, etwa Alter, Läsionslast und -lokalisation sowie EDSS-Zunahme. Bei einer aktiven sekundär progredienten MS (SPMS), also noch vorhandenen Schüben oder neuen MRT-Läsionen, wird empfohlen, eine Therapie mit Immunmodulatoren einzuleiten oder fortzuführen. Hinweise auf einen Nutzen sehen die Leitlinienautoren für Siponimod, Beta-Interferone, Cladribin und CD20-Antikörper. Siponimod ist speziell für eine aktive SPMS geprüft und zugelassen, Cladribin und CD20-Antikörper sind für schubförmige MS-Verläufe indiziert und damit auch bei SPMS mit Schüben formal zugelassen, wenngleich sie nicht explizit bei SPMS-Patienten geprüft wurden. Interferon beta-1a und -1b s. c. sind ebenfalls formal bei SPMS zugelassen, solange diese mit Schüben einhergeht. Allerdings wird diesen Substanzen in der Leitlinie nur eine marginale Wirksamkeit bei SPMS zugesprochen. Haben SPMS-Patienten keine aktive MS, rät die Leitlinie von einer Immuntherapie ab. Bei primär-progredienter MS (PPMS) ist bislang nur Ocrelizumab zugelassen, und nur diese Arznei wird von den Leitlinienautoren empfohlen. Den größten Nutzen sehen sie bei unter 50-Jährigen, bei älteren PPMS-Kranken plädieren sie für eine strenge Indikationsstellung, vor allem, wenn keine MRT-Aktivität erkennbar ist. Rituximab wird Ocrelizumab in der Wirksamkeit gleichgestellt, steht aber nur off-label zur Verfügung. Auch zu Therapieunterbrechungen äußert sich die Leitlinie: Zeigen Patienten vor Beginn einer Therapie nur eine geringe und unter DMT der Kategorie 1 keine weitere Krankheitsaktivität, können Ärzte nach fünf Jahren eine Therapiepause erwägen. Die Leitlinie gibt schließlich Orientierung bei Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD). Eine Immuntherapie sollte bereits nach dem ersten Schub erfolgen. Rituximab wird bei schweren Schüben und jungen Frauen mit Kinderwunsch als Mittel der Wahl empfohlen, Eculizumab bei Patienten mit AQP4-Antikörpern nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung. Empfehlung der Redaktion Aktuelle News & Übersichten Themenseite Multiple Sklerose Auf der Themenseite Multiple Sklerose halten wir Sie über die häufigste chronisch-entzündliche ZNS-Erkrankung bei jungen Erwachsenen auf dem Laufenden.

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