Allokation von Nieren im Zeitalter des Organmangels in Deutschland

Nicht zuletzt wegen der fehlenden Widerspruchslösung gibt es in Deutschland einen großen Mangel an postmortalen Organspendern. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass die vorhandenen Organe optimal genutzt und das Potenzial der Lebendspende maximal ausgeschöpft werden. Das derzeitige deutsche Regelwerk weist hier jedoch bedeutende Schwächen auf. Im Standardallokationssystem der Niere (Eurotransplant Kidney Allocation System, ETKAS) hat das HLA(„human leukocyte antigen“)-Matching eine große Bedeutung, was mit den modernen Immunsuppressiva in dieser Ausprägung nicht mehr nötig ist, aber Patienten mit seltenen HLA-Merkmalen benachteiligt. Die Betonung der Wartezeit, für die es aktuell effektiv die meisten Punkte gibt, führt dazu, dass die Nieren oft an Empfänger mit schlechten Erfolgsaussichten verteilt werden. Das Eurotransplant Senior Program (ESP) ist primär auf eine kurze kalte Ischämiezeit ausgelegt, obwohl mittlerweile klar ist, dass auch für Hochrisikoorgane von mindestens 70-jährigen Spendern die Ischämiezeit auf bis zu 18 h ohne negative Auswirkungen für das Transplantat ausgedehnt werden kann. Gleichzeitig führt die präferenzielle Allokation innerhalb einer Subregion zu stark unterschiedlichen Wartezeiten innerhalb Deutschlands. Zudem hängt die Aufnahme ins ESP nur vom Alter ab und lässt den sonstigen Gesundheitszustand außer Acht, was andere Risikokollektive (z. B. Diabetiker) benachteiligt. Das Verbot altruistischer Spenden in Deutschland verhindert moderne, international etablierte Konzepte wie z. B. Crossover-Spenden, sodass das volle Potenzial der Lebendspende hierzulande nicht ausgeschöpft wird. Das Allokationssystem sollte auf Basis des aktuellen Stands der Transplantatforschung modernisiert werden, z. B. in Form eine Allokation über den Zugewinn von Lebenszeit.