Ist das Pankreaskarzinom-Risiko Jahre im Voraus erkennbar?

Welche klinischen Merkmale geben Hinweise – und zwar möglichst früh –auf das Risiko, an einem Pankreaskarzinom zu erkranken? Eine große britische Fall-Kontroll-Studie hat sich an Antworten versucht. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Pankreaskarzinome haben eine ausgesprochen schlechte Prognose, was nicht zuletzt daran liegt, dass sie meist erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert werden. Wichtig wäre es also, Risikopersonen möglichst früh zu identifizieren, um sie rechtzeitig bildgebender Diagnostik unterziehen oder auch in Screeningstudien aufnehmen zu können. Ein Team um Pui San Tan von der Universität Oxford hat in einer populationsbasierten Fall-Kontroll-Studie die Daten aus diversen Registern von mehr als 28.000 Patienten mit duktalem Adenokarzinom des Pankreas den Angaben zu über 260.000 passenden Kontrollpersonen gegenübergestellt. Die Forscherin und ihr Team analysierten, wie sich bestimmte Marker – wie Body Mass Index (BMI), Laborwerte, Komorbidität und Medikamenteneinnahme – in einem Zeitraum von fünf Jahren vor dem Indexdatum der Krebsdiagnose verändert haben und ob sie in statistisch signifikanter Weise mit dem Erkrankungsrisiko korreliert waren. Unterschieden wurde dabei zwischen Veränderungen in jüngster Zeit, also innerhalb von drei Jahren vor der Diagnose, und Änderungen, die länger als drei Jahre zurücklagen. Für bestimmte Marker, etwa HbA1c, Leberenzyme, Leukozyten- und Plättchenzahl, ergab sich über den untersuchten Zeitraum hinweg ein erhöhtes Risiko für Pankreaskrebs mit steigenden Werten. Andere Marker, wie BMI und Hämoglobin, zeigten einen U-förmigen Zusammenhang. Ein hoher BMI entpuppt sich damit als möglicher Risikofaktor für Pankreaskrebs, während ein niedriger BMI wohl eher schon auf ein subklinisches Pankreaskarzinom hindeutet. Ähnliches mag fürs Hämoglobin gelten, wobei der Zusammenhang mit hohen Werten von Tan und Kollegen als Hinweis auf das Vorliegen anderer Erkrankungen als Krebs der Bauchspeicheldrüse gewertet wird. „Die Assoziationen mit duktalen Pankreaskarzinomen zeigen sich für die meisten Marker auch schon drei Jahre vor der Diagnose, hier bietet sich also womöglich die Gelegenheit zur Früherkennung“, meinen die Forscher. Assoziationen zu Begleitkrankheiten Eine Reihe von Begleitkrankheiten, die länger als drei Jahre vor der Krebsdiagnose bestanden hatten, war rechnerisch ebenfalls signifikant häufiger bei den Krebspatienten als bei den Kontrollen zu finden, vor allem Pankreaszysten, aber auch akute und chronische Pankreatitis, Ovarialkrebs, Typ-2-Diabetes, Brustkrebs und venöse Thromboembolien. Dabei war das Verhältnis zwischen Erkrankten und Nichterkrankten unter den Krebspatienten im Fall von Pankreaszysten nahezu siebenmal so hoch wie unter den Kontrollen (Odds Ratio, OR 6,65), wobei sich der Effekt kaum durch unbekannte Störfaktoren erklären lässt. Bei den übrigen Komorbiditäten lagen die OR-Werte zwischen 1,24 und 2,01. Die Berechnungen unterlagen einer Bonferroni-Korrektur für multiples Testen. Ähnliche Zusammenhänge ergaben sich auch für Erkrankungen kurz vor der Krebsdiagnose. Hier stellt sich jedoch das Problem – ähnlich wie beim niedrigen BMI –, dass eine Umkehrung der Kausalität vorliegen könnte und nicht die Erkrankung den Krebs, sondern bereits der Krebs die Erkrankung verursacht. Bei den Medikamenten, die schon länger als drei Jahre vor der Diagnose des Pankreaskarzinoms eingenommen wurden und mit der Tumorerkrankung assoziiert sind, handelt es sich um Antidiabetika wie Insulin, Metformin und Sulfonylharnstoffe. Der Bezug von Diabetes mellitus zum Pankreaskarzinom ist bekannt; so können etwa Adipositas und chronische Pankreatitis einerseits Diabetes begünstigen, andererseits fördern sie auch das Wachstum von Pankreaskarzinomen. Assoziationen zur Medikamententherapie, vor allem zu einer erst kurz vor der Krebsdiagnose begonnenen, unterliegen zudem in besonderer Weise der Gefahr umgekehrter Kausalität. Dass auch Protonenpumpenhemmer mit dem Risiko, später an Krebs der Bauchspeicheldrüse zu erkranken, einhergingen, mag darauf zurückzuführen sein. Es wurde aber auch schon vermutet, dass eine durch Protonenpumpeninhibitoren verursachte Hypergastrinämie Pankreaskrebs auslösen könnte (Kearns MD et al. Cancer Epidemiol 2017;46:80–4). Tan und Kollegen sehen in ihren Befunden durchaus die Chance, die Früherkennung von Risikokandidaten für Pankreaskrebs zu verbessern. „Einige der Störungen sind in der Primärversorgung bis zu drei Jahre vor der Diagnose eines duktalen Pankreaskarzinoms erkennbar“, schreiben sie. Die diversen Marker, zusammen mit Komorbidität und Medikation, könnten in eine Strategie integriert werden, um Pankreaskrebs eher zu diagnostizieren. Das Wichtigste in Kürze Frage: Lässt sich die Früherkennung von Pankreaskrebs mithilfe von Markern wie BMI, Laborwerten, Komorbidität und Medikamenteneinnahme verbessern? Antwort: Die Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass diverse klinische Merkmale wie BMI, Komorbiditäten wie Pankreaszysten und die Einnahme von Medikamenten wie Antidiabetika schon Jahre vor der Krebsdiagnose auf das erhöhte Risiko hinweisen. Bedeutung: Marker wie BMI, Komorbidität und Medikation können womöglich in eine Strategie eingebaut werden, die hilft, Pankreaskrebs früher zu diagnostizieren. Einschränkung: Der Einfluss unbekannter Störfaktoren ist, wie in anderen Beobachtungsstudien auch, nicht auszuschließen, manche Assoziationen könnten auf reverser Kausalität beruhen.

Springer Medizin

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