Mit der Einführung des PatRG im Jahre 2013 wurden die Patientenrechte mit dem Ziel der Rechtssicherheit und Transparenz verabschiedet. Der neu definierte Behandlungsvertrag regelt hierbei u. a. Möglichkeiten und Grenzen des Patienten, auf die personenbezogene Dokumentation zuzugreifen. Auch nunmehr 8 Jahre nach Einführung sind jedoch der Mehrheit der Patienten ihr Rechte kaum bekannt. Hart bezog sich in seiner Publikation aus dem Jahre 2019 auf zum Teil eigene Untersuchungen und konstatierte, dass 60 % der Patienten und 32 % der Ärzte über keine spezifischen Kenntnisse des PatRG verfügten. Wenngleich den Ärzten mehrheitlich zwar das PatRG selber nicht bekannt war, so waren es zumindest seine wesentlichen Rechte. Patienten hingegen suchten überwiegend nicht nach spezifischen Informationen zu diesem Thema und waren überwiegend mit der Behandlung zufrieden. Sie beklagten jedoch insbesondere das Informations- und Aufklärungsverhalten der Behandler und Leistungsträger [
3]. Die Zahlen verdeutlichen jedoch, dass trotz Einführung des PatRG keine durchgreifende Verbesserung der patientenseitigen Kenntnisse eingetreten ist. Bereits 2010 veröffentlichte die Bertelsmann Stiftung im „Gesundheitsmonitor 2010“ Zahlen von Befragungen. Hierbei konnten gerade einmal knapp 39 % der Befragten (1789 Bürgerinnen und Bürger im Alter von 18–79 Jahren) alle ihnen gestellten Fragen zu Patientenrechten richtig beantworten [
7].
Wie sollte aber nun gehandelt werden, wenn das eigene Handeln, wie in der Kasuistik exemplarisch dargestellt, derart kritisch hinterfragt wird und der Patient von seinen Rechten Gebrauch macht? Götz bezeichnete Beschwerden als öffentlich geäußerte Feststellungen einer enttäuschten Erwartung. Sie stellen die subjektive Sicht des Patienten dar und sollten vom Betroffenen nicht persönlich genommen werden [
8]. Aus Sicht des Patienten ist es zu einer Diskrepanz zwischen Bedürfnissen, Wünschen und Erwartungen über ihre eigene Behandlung und der tatsächlichen Umsetzung gekommen. Patienten benötigen eine Möglichkeit, dies auszudrücken. Diese ist rechtlich verankert im patientenorientierten Beschwerdemanagement. Management ist hierbei definiert über alle unternehmerischen und betrieblichen Steuerungs- und Koordinierungsaufgaben und verfolgt das Ziel der Qualitätssicherung [
9]. Neben verschiedenen Dienstleistungen und Maßnahmen in der Patientenorientierung spielen auch menschliche Qualitäten wie Empathie, Kompetenz, Freundlichkeit und Zuverlässigkeit eine bedeutsame Rolle [
10]. In einem modernen Qualitätsmanagement ist dies ebenso Bestandteil wie die Implementierung von Maßnahmen in der Patientenorientierung. Wesentlicher Bestandteil ist hier das Erkennen von Erwartungen und Bedürfnissen des Patienten. Hierzu gehören die Ermittlungen positiver wie negativer Erfahrungen [
10]. Eine Untersuchung des AQUA-Instituts aus dem Jahre 2017 ergab hierbei, dass die 3 häufigsten Beschwerdegründe Organisation (z. B. lange Wartezeiten) mit 38,8 %, Zeitmangel des ärztlichen Personals oder Pflegepersonals mit 38,7 % und Kommunikation mit Ärzten mit 38,4 % darstellen [
11]. Organisatorische und nichtmedizinische Faktoren haben demnach einen größeren Einfluss auf die Patientenzufriedenheit als die eigentliche medizinische Betreuung [
12]. Die Aufnahme, Verarbeitung, Analyse und final ggf. Einleitung von Maßnahmen zur Verbesserung der Patientenzufriedenheit ist unter anderem wichtig, weil Patientinnen und Patienten im Gesundheitssystem auch Kunden sind, deren Zufriedenheit es nachhaltig zu sichern gilt. Dem Patienten muss durch eine patientenorientierte Aufnahme der Beschwerden deutlich gemacht werden, dass jede Beschwerde als Chance gesehen wird, die genannten Fehler nicht zu wiederholen. Dies setzt voraus, dass die Adressaten der Beschwerden sich substantiiert und kritisch reflektierend mit dem Inhalt auseinandersetzen und eine grundsätzliche Änderungsbereitschaft aufweisen. Nach patientenorientierter Sichtweise ist das Lob- und Beschwerdemanagement ein Indikator dafür, dass jeder Patient ernst genommen wird. Ein Patient, welcher sich ernst genommen fühlt in seinen Bedürfnissen, Erwartungen und partizipativen Entscheidungsfindungen, erhöht die Wahrscheinlichkeit einer verbesserten und erhöhten Patientenzufriedenheit [
10]. Dies kann dazu beitragen, dass die Betroffenen dasselbe Krankenhaus erneut wählen und weiterempfehlen. Eine patientenseitig geäußerte Beschwerde kann als Signal interpretiert werden, dass der Patient wiederkommen möchte [
12]. Gefühle eigener Enttäuschung oder Kränkung der Ärztinnen und Ärzte sollen dabei zurückstehen.
Es ist somit wichtig zu verstehen, dass jede Beschwerde wertvolle Informationen beinhaltet und gleichermaßen als Teil eines modernen Qualitätsmanagements etwaige Mängel aufzeigt. Dies sollte insbesondere vor dem Hintergrund der im Verhältnis zur Anzahl an Behandlungsvorgängen geringen Beschwerdezahlen Berücksichtigung finden. Im Mittel beträgt die Beschwerdequote (Anzahl Beschwerden × 100 / [ambulante Fälle + stationäre Fälle]) gerade einmal 0,72 % [
13]. Denn für Patienten ist aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses zum Behandler häufig eine hohe Hemmschwelle zu überwinden, sodass diejenige/derjenige, der sie tatsächlich äußert, einen hohen Leidensdruck empfindet [
12].