"Statine auch für asymptomatische PAVK-Patienten"

Die Diagnose einer PAVK ist auch dann notwendig, wenn die Patienten noch keine Claudicatio haben. Durch die Primärprävention, z. B. mit Statinen, kann ihr hohes kardiovaskuläres Risiko erheblich gesenkt werden, wie beim Praxis Update 2017 zu erfahren war. „Die PAVK ist die Gefäßerkrankung, die im Praxisalltag am wenigsten diagnostiziert und erkannt wird“, stellte Prof. Edelgard Lindhoff-Last heraus. Zwar sei im Alter über 60 jeder Fünfte und im Alter über 85 jeder Zweite betroffen – viele wüssten aber nichts von ihrer Erkrankung. Ein Grund dafür dürfte der hohe Anteil von asymptomatischen Stadien sein: „Wenn Sie nicht auf eine PAVK screenen, werden zwei Drittel der Fälle übersehen“, warnte die Ärztin vom Cardioangiologischen Centrum Bethanien in Frankfurt/Main. Für die Patienten kann das fatale Konsequenzen haben. In einer Metaanalyse war das Risiko, in den nächsten fünf Jahren zu sterben, im beschwerdefreien Fontaine-Stadium I mit 9% zwar niedriger als bei symptomatischen Patienten (13%), aber fast doppelt so hoch wie bei altersgleichen Patienten ohne PAVK (5%). Ein Diagnosehemmnis ist allerdings auch die Vergütung: In den meisten Bundesländern wird Hausärzten die Messung des ABI (Ankle Brachial Index, Knöchel-Arm-Index) nicht bezahlt. Die Ärztin empfiehlt daher einen simplen Vortest für die Routinediagnostik: das Tasten der vier Fußpulse (s. Kasten). „Sobald einer der vier Pulse nicht tastbar ist, benötigt der Patient eine ABI-Messung, im Zweifelsfall beim Angiologen.“ Bei erhöhtem LDL immer ein Statin Gemäß der aktuellen S3-Leitlinie sollen alle PAVK-Patienten ein kardiovaskuläres Risikomanagement erhalten. Das beinhaltet außer einer Nikotinkarenz und der Behandlung von Diabetes und Bluthochdruck auch eine Statintherapie. Dass schon Patienten ohne Beschwerden von Statinen profitieren, wurde vor kurzem in einer retrospektiven Kohorte von vergleichbaren Patientenpaaren festgestellt. Das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse ebenso wie die Mortalität lagen bei den Statinpatienten um rund 20% niedriger. „Das sind beeindruckende Daten“, so Lindhoff-Last, „solche Ergebnisse haben wir mit ASS nicht.“ Sie empfiehlt deswegen, auch bei Patienten mit asymptomatischer PAVK, sofern der LDL-Cholesterin-Serumspiegel 130 mg/dl überschreitet, eine Therapie mit einem niedrig dosierten Statin zu beginnen. Lindhoff-Last bevorzugt dafür potente Statine, z. B. 10 mg Atorvastatin; bei sehr alten Menschen ist sie aber zuückhaltender. Zu etwaigen Zielwerten gibt es bislang noch keine Evidenz. Lediglich für die Sekundärprävention mit Statinen nach peripherer Revaskularisation wurde gerade eine kleine Studie veröffentlicht. Danach scheint – analog zur KHK – eine Absenkung des LDL unter 70 mg/dl kardiovaskuläre Komplikationen und Todesfälle wirksamer zu verhindern als eine weniger aggressive Cholesterinsenkung. „Plättchenhemmung im Stadium I ohne Vorteil“ Eine Thrombozytenaggregationshemmung kann laut Leitlinie ebenfalls schon im asymptomatischen Stadium der PAVK begonnen werden. Lindhoff-Last hält diese Empfehlung für fragwürdig: „Bei diesen Patienten überwiegt das Risiko für gastrointestinale Blutungen den Vorteil der kardiovaskulären Risikoreduktion.“ Für Patienten ab dem Stadium II ist die Behandlung mit ASS oder Clopidogrel jedoch „zwingend“, wie die Angiologin betonte. Die Verwendung von Ticagrelor hat sich einer Clopidogreltherapie nicht als überlegen erwiesen – möglicherweise weil Patienten mit Clopidogrelresistenz ausgeschlossen waren. Weil diese Resistenz weit verbreitet ist, rät Lindhoff-Last dringend, PAVK-Patienten mit wiederholten Restenosen in einer Spezialambulanz darauf untersuchen zu lassen. Gehtraining: So wirksam wie interventionelle Therapie Patienten in den Stadien I und II wird außerdem ein strukturiertes Gehtraining empfohlen. Laut Lindhoff-Last sollen die Patienten mindestens 30 Minuten laufen – „wenn Schmerzen auftreten, stehenbleiben, wenn der Schmerz nachlässt, weitergehen“ – und dies dreimal die Woche über drei Monate hinweg. Damit lasse sich eine Verbesserung der schmerzfreien Gehstrecke um rund 200 Meter erreichen, „das entspricht dem Effekt einer Intervention“. Die Möglichkeit einer interventionellen Therapie ist zu prüfen, wenn konservative Therapien bei Patienten mit Claudicatio intermittens versagen. Bei kritischer Extremitätenischämie muss die Revaskularisation so schnell wie möglich erfolgen. Lindhoff-Last betrachtet auch hier die interventionellen Verfahren als Therapie der ersten Wahl. PAVK-Risiko an den Fußpulsen ertasten Das Tasten der vier Fußpulse kann laut einer Studie einen ersten Hinweis auf das pAVK-Risiko geben, wie Prof. Edelgard Lindhoff-Last (Frankfurt/M.) berichtete. „Wenn keiner der vier Pulse zu tasten ist, dann besteht mit einer 50%igen Wahrscheinlichkeit eine pAVK. Sind dagegen alle vier Pulse zu tasten, dann ist eine pAVK nahezu ausgeschlossen.“ Die ABI-Messung sei daher nur bei Patienten mit weniger als vier tastbaren Pulsen indiziert. Basierend auf: "Angiologie" von Prof. Dr. Edelgard Lindhoff-Last (Frankfurt am Main), Praxis Update in München, 05.-06. Mai 2017

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