Erschienen in:
01.05.2012 | Schwerpunkt
Prävalenz unentdeckter Glukosestoffwechselstörungen in der invasiven und interventionellen Kardiologie
„Silent diabetes“ im Herzkatheterlabor
verfasst von:
Dr. R. Dörr, J. Stumpf, S.G. Spitzer, B. Krosse, D. Tschöpe, T. Lohmann, O. Schnell
Erschienen in:
Herz
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Ausgabe 3/2012
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Zusammenfassung
In den meisten randomisierten kontrollierten Studien zur Revaskularisationstherapie bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit schwankt die Diabetesprävalenz etwa zwischen 15% und 35%. Die wahre Diabeteshäufigkeit wird damit jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich unterschätzt. Seit dem „European Heart Survey Diabetes and the Heart“ aus dem Jahre 2004 ist bekannt, dass es in jedem kardiologischen Patientengut eine hohe Dunkelziffer von zusätzlichen, noch unentdeckten Prä-diabetikern und Diabetikern gibt, deren Langzeitprognose mit der von bereits bekannten Diabetikern vergleichbar ist. Vor diesem Hintergrund untersuchte die in Dresden durchgeführte „Silent-Diabetes“-Studie die Prävalenz eines unentdeckten Diabetes mellitus bei 1015 Herzkatheterpatienten mittels eines oralen Glukosetoleranztests (OGTT) und einer vergleichenden HbA1c-Bestimmung. Patienten mit bekanntem Diabetes waren von der Studie ausgeschlossen.
Nach den Ergebnissen des OGTT hatten nur 513 von 1015 Patienten (51%) eine normale Glukosetoleranz (NGT), 10 Patienten (1%) hatten eine isoliert erhöhte Nüchternglukose (IFG), 349 Patienten (34%) eine eingeschränkte Glukosetoleranz (IGT) und 143 Patienten (14%) einen neu diagnostizierten Diabetes mellitus (DM). Nach den Ergebnissen der HbA1c-Messungen hatten nur 588 Patienten (58%) einen normalen Glukosestoffwechsel, 385 Patienten hatten einen Borderline-Befund (38%) und nur 42 Patienten (4%) einen neu diagnostizierten DM. Es konnte eine signifikante Korrelation zwischen dem Schweregrad einer koronaren Herzkrankheit (normal; min KHK; 1-GE, 2-GE, 3-GE) und dem glykämischen Status im OGTT nachgewiesen werden (IGT-Gruppe p<0,001, Diabetesgruppe p=0,01). Im Gegensatz dazu fand sich keine Korrelation zwischen dem Schweregrad einer koronaren Herzkrankheit und dem glykämischen Status im HbA1c-Test.
Nach diesen Ergebnissen sollte bei allen Herzkatheterpatienten mit vermuteter oder gesicherter koronarer Herzkrankheit routinemäßig ein OGTT-Test durchgeführt werden, denn bei alleiniger Bestimmung des HbA1c-Werts scheint ein beträchtlicher Anteil von unentdeckten Diabetikern nicht erfasst zu werden. Die Ergebnisse sind von hoher klinischer Relevanz für die Auswahl des optimalen Revaskularisationsverfahrens im Herzkatheterlabor (bevorzugt DES-Stents bei Diabetes mellitus oder neu entdecktem Diabetes mellitus und bevorzugt Bypass-Operation bei Diabetikern mit einer Mehrgefäßerkrankung und hohem SYNTAX-Score).