Erbrechen bis zur Ptosis

Eine Schwangere kommt mit einem herabhängenden Augenlid in die Notaufnahme. Zuvor hatte sie sich heftig übergeben. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Übelkeit und Erbrechen kann so mancher Schwangeren zusetzen. Dass heftiges Übergeben jedoch die Augenmuskeln schädigt, dürfte eher selten sein. Neurologen der Universität in Amsterdam berichten über eine Patientin, bei der vieles dafür spricht, dass starkes Erbrechen ihre Ptosis verursacht hat. Die 31-jährige Schwangere stellte sich in der Notaufnahme der neurologischen Klinik in Amsterdam mit einem rechtsseitig herabhängenden Oberlid vor. Sie gab an, dass sie sich zuvor heftig übergeben hatte – so stark wie niemals zuvor. Anschließend habe sie einen dumpfen Schmerz hinter dem rechten Auge bemerkt, der nach etwa einer Stunde langsam verschwand. Die neurologische Untersuchung ergab neben der Ptosis keine anderen Zeichen einer Störung kranieller Nerven. Die Pupillen waren reaktiv, sie konnte ihre Augen uneingeschränkt und schmerzfrei bewegen, berichtete nicht über Kopfschmerzen oder visuelle Beeinträchtigungen, die Vitalparameter bewegten sich im Normbereich. Aneurysma ausschließen Um eine bedrohliche Ursache wie ein Aneurysma auszuschließen, unterzogen die Ärzte um Dr. Willem de Haan die Frau einer MRT und MR-Angiografie. Dabei fanden sie rechtsseitig eine T1-hypointense und T2-hyperintense extrakonale Auffälligkeit über dem Auge, die sich am ehesten als subperiostales Hämatom interpretieren ließ. Als wahrscheinlichste Erklärung für die isolierte Ptosis erachten die Ärzte eine lokale Kompression des Musculus levator palpebrae superioris infolge des Hämatoms. Alternativ zur direkten Beeinträchtigung des Lidhebers sei auch eine Kompression des innervierenden Oculomotoriuszweiges zu berücksichtigen. Dann wäre aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine Lähmung des Musculus superior rectus zu beobachten gewesen. Da dies nicht der Fall war, halten die Neurologen eine Nervenkompression als Ursache für eher unwahrscheinlich. Sie vermuten, dass die heftige Emesis über einen erhöhten venösen Druck zu dem Hämatom geführt hat. Fälle von emesisbedingten nichttraumatischen Hämatomen seien in der Literatur schon häufiger beschrieben worden. Neben einer Schädigung des Lidhebers könne eine isolierte Ptosis aber auch durch eine Beeinträchtigung des Musculus tarsalis superior (Müller-Muskel) hervorgerufen werden. Auszuschließen seien zudem Schäden der neuromuskulären Verbindungen. Vor allem müssten Ärzte aber ein Aneurysma der Arteria communicans posterior (Acop) in Betracht ziehen, welches auf ein proximales Segment des N. oculomotorius drücken könnte. Acop-Aneurysmen zählten zu den häufigsten überhaupt, geben die Neurologen zu bedenken. Eine dadurch verursachte Nervenkompression spare mitunter die Pupillenbewegung aus und mache sich als isolierte Ptosis bemerkbar. Sie gehen davon aus, dass eine Oculomotorius-Kompression bei jedem fünften Patienten die Pupillenbewegung nicht beeinträchtigt. Auch bei einer isolierten Ptosis empfehlen sie daher eine gründliche Untersuchung – Ärzte sollten sich nicht auf ein harmloses Hämatom als Ursache verlassen. Bei der beschriebenen Patientin bildete sich die Ptosis jedoch innerhalb einer Woche zurück, und die Schwangerschaft verlief ohne weitere Komplikationen.

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