Schon kurze Immobilisierung fördert Insulinresistenz

Eine Woche strikte Bettruhe führt bei Gesunden nicht nur zur Muskelatrophie, sondern senkt darüber hinaus die Insulinsensitivität, ohne zugleich die Lipidakkumulation in den Muskeln zu erhöhen. Um die Folgen völliger Bettruhe im Detail zu untersuchen, hat sich eine internationale Forschergruppe um die Stoffwechselforscherin Marlou L. Dirks vom Maastricht University Medical Centre in den Niederlanden die Mühe gemacht und eine ganze Reihe von Tests unter anderem mit Blut und an Muskelproben von jungen gesunden Männern gemacht. Diese waren im Schnitt 23 Jahre alt und hatten einen BMI von 23,0 ± 0,9 kg/m2. Um teilnehmen zu können, durften sie keinen Typ-2-Diabetes oder Thrombosen haben, auch nicht in der Familienanamnese. Auch ein Krafttraining innerhalb des vergangenen halben Jahres war tabu. Am ersten Versuchstag wurden morgens um 8 Uhr im Nüchternzustand die ersten Labormessungen vorgenommen. Von da an unterzogen sich die Studienteilnehmer einer strikten Bettruhe. Sie durften nur ein Kissen und das verstellbare Kopfteil des Klinikbetts nutzen, um den Oberkörper etwa für die tägliche Körperpflege oder zum Essen aufzurichten. Die Nahrungsaufnahme erfolgte so, dass das Körpergewicht stabil blieb. Geweckt wurde um 8 Uhr, ab 23 Uhr war Schlafenszeit. Clamp-Test über zweieinhalb Stunden Sowohl kurz vor Versuchsbeginn als auch nach sieben Tagen wurde mithilfe der DXA-Methode (dualenergy X-ray absorptiometry) die reine Muskelmasse ohne Fettanteil bestimmt und computertomografisch der Muskelquerschnitt des Quadrizeps gemessen. Darüber hinaus wurde ermittelt, wie hoch die maximale Sauerstoffaufnahme und die Beinkraft sind. Um die Ganzkörper-Insulinsensitivität zu bestimmen, verwendeten die Wissenschaftler die hyperinsulinämisch-euglykämische Clamp-Methode über einen Zeitraum von zweieinhalb Stunden. Dazu wurden jeweils in die Ellenbeugenvene des einen Armes sowohl 20%ige Glukose als auch 40 mU/m2/min Insulin infundiert. Aus einer Handrückenvene der anderen Hand, die sich in einer 60 °C heißen Box befand, wurde alle fünf Minuten etwas arterialisiertes Blut entnommen. Die Menge an infundierter Glukose wurde jeweils so geändert, dass eine Euglykämie mit einer Blutglukosekonzentration von 5 mmol/l erhalten wurde. Anhand von Muskelbiopsien wurden der Lipidanteil sowie Mitochondrien- und Gefäßmarker bestimmt. Wie Dirks und ihre Kollegen berichten, führte die strikte Bettruhe über sieben Tage zu einem Verlust an fettfreier Muskelmasse von 1,4 ± 0,2 kg, also von etwa 200 Gramm am Tag. Der Muskelquerschnitt nahm um 3,2 ± 0,9% ab. Die maximale Sauerstoffaufnahme sank um 6,4 ± 2,3%. Schließlich habe die Immobilisation zu einer Abnahme der Ganzkörper-Insulinsensitivität um 29 ± 5% geführt, mit p ˂ 0,01 ein signifikanter Unterschied im Vergleich zu Studienbeginn. Zudem habe die oxidative Kapazität der Muskeln, gemessen anhand mehrerer mitochondrialer Funktionsparameter wie der Beta-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase und der Citratsynthase, abgenommen, ohne zugleich etwa den Lipidanteil der Muskeln oder die immunhistochemisch gemessene Gefäßdichte zu beeinflussen, so die Forscher. Auch die Muskelkraft nahm um etwa 8% ab. Dirks und ihre Kollegen erinnern an eine Studie, in der gesunde junge Männer ein zwölf Wochen dauerndes Widerstandsmuskeltraining benötigten, um 1,7 kg reine Muskelmasse aufzubauen. „Wir können in einer Woche durch strikte Bettruhe so viel Muskelmasse verlieren, wie wir durch ein zwölfwöchiges intensives Muskeltraining aufbauen können“, so die Wissenschaftler. Den Effekt der Immobilisierung bei mangelernährten Patienten halten sie für deutlich größer.

Springer Medizin

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