Erschienen in:
24.03.2020 | Suizid | Leitthema
Ärztlich assistierter Suizid
Medizinische Ethik und suizidales Begehren
verfasst von:
Prof. Dr. Stephan Sahm
Erschienen in:
Die Onkologie
|
Ausgabe 5/2020
Einloggen, um Zugang zu erhalten
Zusammenfassung
Hintergrund
In Deutschland ist ein Gesetz, das geschäftsmäßige Suizidhilfe untersagte, kürzlich vom Verfassungsgericht aufgehoben worden. Die Integrität ärztlichen Handelns verlangt es, eine der professionellen Ethik angemessene Haltung zur Beihilfe zur Selbsttötung durch Ärzte („physician-assisted suicide“, PAS) zu begründen.
Medizinethische Analyse
Die normative Einordnung des PAS setzt den Gebrauch eindeutiger Begriffe zur Beschreibung ärztlicher Handlungen am Lebensende und eine palliative Kultur medizinischer Praxis voraus. Sie achtet die Grenzen der Behandlungspflicht bei Patienten mit fortgeschrittener, nicht heilbarer Erkrankung. Die angemessene Haltung einer freien und solidarischen Gesellschaft zum Suizid ist es, sich einer moralischen Bewertung zu enthalten. Gleichzeitig verbietet das die Menschenrechte und eine solidarische Gesellschaft begründende Axiom, diesen zu befördern. Die Berufung auf die Selbstbestimmung und das Vorliegen eines schweren Leidenszustands können PAS daher nicht rechtfertigen. Medizinische Kriterien zur Feststellung eines unerträglichen Leidenszustands, dem allein durch Beendigung des Lebens zu begegnen wäre, existieren nicht. Gründe für einen PAS aus der medizinischen Praxis erweisen sich als nicht tragfähig, da empirische Forschung zudem das jeweilige Gegenteil und einen erheblichen Anstieg der Rate an Suiziden durch das Angebot eines PAS belegt.
Schlussfolgerung
Ungeachtet einer in Deutschland nun erneut anstehenden gesetzlichen Regelung ist die ärztliche Rückweisung des PAS ein Akt der Gefahrenabwehr, entspricht den Prinzipien professioneller Ethik und den ethischen Grundsätzen des Weltärztebundes. Es ist daher angemessen, an der Rückweisung des PAS in der Musterberufsordnung und durch die Mehrzahl der Ärztekammern festzuhalten. Palliative Versorgung wird durch die Ablehnung des PAS nicht eingeschränkt.