Therapie des akuten Gichtanfalls mit Colchicum

In der vorliegenden Studie wurde untersucht, ob in einem akuten Gichtanfall eine höhere Colchicum‑Dosis besser wirksam ist als eine geringere Colchicum‑Dosis und wie häufig gastrointestinale Nebenwirkungen aufgetreten waren [2]. Nach den aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie wird die Arthritis urica mit Colchicum, nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) oder Glukokortikoiden behandelt [1]. In diagnostisch unklaren Fällen kann die Wirksamkeit einer Colchicum‑Therapie die Differentialdiagnose einer Gichtarthropathie unterstützen. Nach den Empfehlungen dieser Leitlinien soll die Colchicum‑Therapie mit 1 mg begonnen und alle 2 h um 0,5–1 mg bis zum Eintritt der Wirkung oder bei Nebenwirkungen oder bei Erreichen der absoluten Tageshöchstdosis von 8 mg gesteigert werden [1]. Bei Verwendung von hohen Colchicum‑Dosen (> 2 mg/Tag) wird die Einnahme oft durch erhebliche gastrointestinale Nebenwirkungen limitiert. Im Gegensatz zu den genannten Empfehlungen existieren jedoch nur wenige Studiendaten, die dieses Vorgehen rechtfertigen. In einer aktuellen Studie wurden Dosierung, Wirksamkeit und Nebenwirkungen einer Colchicum‑Therapie evaluiert. Patienten und Methodik In einer doppelblind‑plazebokontrollierten Studie wurden 185 Patienten mit einem akuten Gichtanfall mit einer hohen Colchicum‑Dosis (1,2 mg initial, weitere 6 × 0,6 mg über 5 h, kumulativ 4,8 mg, n = 52) oder einer geringeren Colchicum‑Dosis (1,2 mg initial, 0,6 mg nach 1 h, fünfmal Plazebo stündlich, kumulativ 1,8 mg, n = 74) oder Plazebo über 6 h (n = 59) behandelt sowie Wirkung und Nebenwirkungen nach 24 h untersucht. Abb.1: Anzahl der Patienten mit einer prozentualen Verbesserung nach einer analogen Schmerzskala (adaptiert nach [2]). Das Einnahmeschema von Colchicum oder Plazebo ist dargestellt. Die Wirksamkeit einer hohen und einer niedrigen Colchicum‑Dosis ist vergleichbar, und beide sind deutlich wirksamer als Plazebo. Springer Medizin × Ergebnisse Eine Analyse der Pharmakokinetik zeigt, dass nach einer einmaligen Einnahme von 0,6 mg nach 1,5 h ein Spitzenspiegel von 2 ng/ml Colchicum im Serum gemessen werden kann. Nach Einnahme von 1,8 mg über 1 h (niedrige Dosis) oder von 4,8 mg über 6 h (hohe Dosis) wurden vergleichbare Spitzenspiegel von 6 ng/ml gemessen, die Halbwertszeiten im Serum hatten 4 h (niedrige Dosis) und 10 h (hohe Dosis) betragen. Die Studienpatienten waren überwiegend kaukasischer Abstammung (83%), männlichen Geschlechts (95%) und im Mittel 52 Jahre alt. Der erste Gichtanfall war im mittleren Alter von 41 Jahren aufgetreten, mit zuletzt 4,3 Anfällen pro Jahr. Die Harnsäure im Serum betrug 8,8 mg/dl. Eine harnsäuresenkende Therapie wurde nur von 29% aller Studienpatienten durchgeführt. Mindestens ein Gichttophus wurde bei 9% aller Studienpatienten beobachtet. Der mittlere Body‑Mass‑Index betrug 33,0 kg/m2. Die Therapie wurde innerhalb von 12 h nach Anfallsbeginn eingeleitet, ein klinisches Ansprechen wurde definiert als 50%ige Reduktion auf einer analogen Schmerzskala nach 24 h. In der hohen Dosisgruppe wurde ein Ansprechen bei 33%, in der niedrigen Dosisgruppe bei 38% und im Plazeboarm bei 16% beobachtet. Eine eingehende Analyse der prozentualen Besserung innerhalb der ersten 24 h zeigte keinen Unterschied zwischen der hoch‑ und der niedrigdosierten Colchicum‑Einnahme (Abbildung 1). Bei starken Schmerzen wurde eine individuelle Rescuetherapie mit NSAR 1 h nach der ersten Colchicum‑Dosis durchgeführt. NSAR wurden von 31% der Patienten in der niedrigen Dosisgruppe, von 35% in der hohen Dosisgruppe und von 50% in der Plazebogruppe eingenommen. Tab.1: Allgemeine und gastrointestinale Nebenwirkungen in den drei Therapiearmen (adaptiert nach [2]). Unter der hohen Colchicum‑Dosis treten signifikant mehr Nebenwirkungen auf. Springer Medizin × Die häufigsten Nebenwirkungen waren Diarrhö und Übelkeit und wurden bei 77% der Patienten in der hohen Dosisgruppe, bei 26% der Patienten in der niedrigen Dosisgruppe und bei 20% in der Plazebogruppe beobachtet (Tabelle 1). Schlussfolgerung In der hohen und der niedrigen Colchicum‑Dosisgruppe, nicht aber in der Plazebogruppe wurde eine vergleichbar gute schmerzlindernde Wirkung im akuten Gichtanfall beobachtet. Aufgrund der insbesondere mit einer hohen Colchicum‑Dosis assoziierten gastrointestinalen Nebenwirkungen war diese ohne erkennbaren zusätzlichen klinischen Nutzen für die Patienten. Daher sollte die Colchicum‑Tagesdosis von 2 mg nicht überschritten werden. "Die maximale Colchicum‑Tagesdosis von 2 mg gilt nur für nierengesunde Patienten." Kommentar von Norbert Blank In der Studie wurde ein in den USA zugelassenes Präparat mit 0,6‑mg‑Tabletten untersucht. In Deutschland werden überwiegend Tabletten mit 0,5 mg Colchicum oder eine Colchicum‑Lösung verwendet. Die maximale Colchicum‑Tagesdosis von 2 mg gilt nur für nierengesunde Patienten. Bei einer mittelgradig bzw. hochgradig eingeschränkten Nierenfunktion sollte die Colchicum‑Dosis 1,5 bzw. 1 mg nicht überschreiten. Bei Dialysepatienten ist eine Einzelfallentscheidung zu treffen, ob überhaupt Colchicum gegeben werden kann. Bei einer eingeschränkten Nierenfunktion sind NSAR obsolet; bei einem akuten Gichtanfall wird daher oft eine Kombination mit Glukokortikoiden eingesetzt. Die relativ geringen Ansprechraten um 35% in dieser Studie ergeben sich aus der 6‑stündigen Therapie mit Colchicum. In der täglichen Praxis wird ein Gichtanfall über mehrere Tage bis zum Abklingen der Attacke behandelt. Eine harnsäuresenkende Therapie sollte mit Allopurinol durchgeführt werden, bei Allopurinolunverträglichkeit kann Febuxostat eingesetzt werden. Bei Patienten mit Gichttophi konnten Studien eine bessere Rückbildung der Tophi unter Febuxostat zeigen [3]. Ein neuer Therapieansatz ist eine gegen Interleukin‑1β gerichtete Therapie, die gegenwärtig in Studien untersucht wird (Canakinumab, Anakinra) [4]. Aufgrund des derzeit noch hohen Preises wird diese Therapie vorerst Patienten mit einer eingeschränkten Nierenfunktion und einem hohen Steroidbedarf vorbehalten bleiben. Literatur 1. Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie. Qualitätssicherung, Teil 1: Diagnose, Teil 2: Therapie (http://dgrh.de). 2. Terkeltaub RA, Furst DE, Bennett K, et al. High versus low dosing of oral colchicine for early acute gout flare: twenty‑four‑hour outcome of the first multicenter, randomized, double‑blind, placebo‑controlled, parallel‑group, dose‑comparison colchicine study. Arthritis Rheum 2010;62: 1060–8. 3. Becker MA, Schumacher HR, Espinoza LR, et al. The urate‑lowering efficacy and safety of febuxostat in the treatment of the hyperuricemia of gout: the CONFIRMS trial. Arthritis Res Ther 2010;12:R63. 4. So A, De Smedt T, Revaz S, Tschopp J. A pilot study of IL‑1 inhibition by anakinra in acute gout. Arthritis Res Ther 2007;9:R28.

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