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Erschienen in: Die Nephrologie 6/2023

Open Access 21.09.2023 | Leitthema

Thrombozytenstörungen bei Urämie

Mediator von Herz- und Gefäßschäden

verfasst von: Constance C. F. M. J. Baaten, Sonja Vondenhoff, Joachim Jankowski, Heidi Noels

Erschienen in: Die Nephrologie | Ausgabe 6/2023

Zusammenfassung

Chronisch niereninsuffiziente Patienten (CKD[„chronic kidney disease“]-Patienten) haben ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen („cardiovascular disease“; CVD) und Thrombose, wobei etwa die Hälfte der Patienten mit fortgeschrittener CKD an CVD verstirbt. Thrombozyten spielen eine wichtige physiologische Rolle bei der Aufrechterhaltung der Hämostase, tragen aber auch zu CVD bei: Sie sind Hauptakteure bei der Bildung von Thromben und der einhergehenden Entzündungsreaktion, tragen zur Atherosklerose als Hauptursache für z. B. Herzinfarkte bei und können auch kardiale Umbauprozesse beeinflussen. CKD-Patienten leiden gleichzeitig unter einem erhöhten Thrombose- und Blutungsrisiko, was die antithrombotische Therapie von CKD-Patienten erschwert. CKD-Patienten, insbesondere bei fortgeschrittener CKD, sind bislang in klinischen Studien zur antithrombotischen Therapie stark unterrepräsentiert, sodass die derzeitige klinische Praxis hauptsächlich auf Post-hoc-Subgruppenanalysen klinischer Studien und Beobachtungsstudien beruht. Bislang sind keine Leitlinien verfügbar, die für diese Patientengruppe optimiert wurden. Sowohl der Phänotyp als auch die Funktionen der Thrombozyten von CKD-Patienten sind verändert. Ein besseres Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen würde eine weitere Verbesserung der antithrombotischen Therapie bei CKD unterstützen. Im Folgenden werden die Rolle der Thrombozyten bei CVD, die Auswirkungen von CKD auf die Thrombozyten und deren zugrunde liegende Mechanismen sowie die aktuellen Erkenntnisse und Grenzen der antithrombotischen Therapie bei CKD-Patienten erörtert.
Hinweise

Redaktion

Joachim Hoyer, Marburg
Jürgen Floege, Aachen
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Die Fähigkeit, an der Gefäßwand zu haften, die Thrombusbildung durch ihre Aktivierung auszulösen sowie die Fibrinbildung zu unterstützen, machen Thrombozyten zu essenziellen Regulatoren der Hämostase. Diese Eigenschaften der Thrombozyten sind jedoch auch verantwortlich für Thromboseereignisse [17], begünstigen Entzündungen und Atherosklerose und bedingen direkt oder indirekt Umbauprozesse des Herzens. Somit beeinflussen Thrombozyten das kardiovaskuläre Risiko. Daher ist es von hoher Wichtigkeit, den Phänotyp und die Funktion der Thrombozyten von Patienten mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko besser zu verstehen. Dies trifft auch auf Patienten mit chronischer Nierenerkrankung („chronic kidney disease“; CKD) zu, die mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko behaftet sind; etwa die Hälfte der Patienten mit fortgeschrittener CKD stirbt aufgrund von kardiovaskulären Erkrankungen („cardiovascular disease“; CVD) [9, 13].

Thrombozyten und Hämostase: Blutung vs. Thromboserisiko

Die Endothelzellschicht einer gesunden Gefäßwand hat einen entzündungshemmenden und antithrombotischen Phänotyp. So produzieren Endothelzellen Stickstoffmonoxid (NO) und Prostacyclin, Substanzen, die die Aktivierung von Thrombozyten hemmen. Bei einer Verletzung der Gefäßwand schütten aktivierte Endothelzellen Von-Willebrand-Faktor (VWF) aus, und das unter dem Endothel befindliche Kollagen wird freigelegt. Diese Prozesse lösen die Adhäsion von Thrombozyten, die Degranulation und die Produktion von Thromboxan A2 aus. Eine Entzündungsreaktion setzt ein, die die Adhäsion, Aktivierung und Aggregation der Thrombozyten verstärkt. Die Gefäßschädigungen führen zur erhöhten Expression des Gewebefaktors („tissue factor“), wodurch der extrinsische Weg der Blutgerinnung aktiviert wird; die prokoagulierende Oberfläche der aktivierten Thrombozyten begünstigt die Bildung von Thrombin. Thrombin verstärkt die Aktivierung der Thrombozyten und ermöglicht die Bildung von Fibrin, was in die Bildung eines stabilen Thrombus mündet [17]. Dieser Prozess ist für die Blutstillung entscheidend, jedoch erhöht eine übermäßige Reaktion das Risiko einer Thrombose. Dies unterstreicht die Bedeutung des empfindlichen Gleichgewichts der Hämostase.

Thrombozyten, Entzündung und Atherosklerose

Als Atherosklerose wird der fortschreitende Prozess von entzündlichen und lipidreichen Läsionen in der Gefäßwand bezeichnet; er stellt beispielsweise die Hauptursache für Herzinfarkte dar. Thrombozyten tragen durch proinflammatorische Effekte zur Entwicklung atherosklerotischer Läsionen bei [6]. Weiterhin führen Thrombozyten zur Endothelzellenaktivierung als einer Ursache der Atherosklerose, und sie begünstigen durch die Freisetzung proinflammatorischer Chemokine die Rekrutierung von Neutrophilen und Monozyten am Ort der Gefäßentzündung. Thrombozyten können Leukozyten binden und aktivieren; im Kontext der Atherosklerose wird die Aktivierung durch die Präsenz von oxidierten Low-density-Lipoproteinen (LDL) verstärkt und die Transformation von Makrophagen zu Schaumzellen gefördert [6].
Neben der Bedeutung für die Atheroskleroseentstehung tragen Thrombozyten auch zur Atherothrombose bei, die bei Ruptur einer instabilen atherosklerotischen Läsion entsteht. Durch die Ruptur wird thrombotisches Material aus dem Inneren der atherosklerotischen Läsion ins Blut freigesetzt, was eine Thrombusbildung auslöst. Eine Thrombusbildung kann auch durch eine Plaqueerosion erfolgen. Hierbei liegt eine Schädigung der Endothelzellen der atherosklerotischen Plaque vor, was zur Freisetzung von VWF und extrazellulären Matrixkomponenten führt, die die Aktivierung der Thrombozyten auslösen [6].

Thrombozyten und Thromboinflammation

Aktivierte neutrophile Granulozyten haben durch die Produktion von neutrophilen extrazellulären Fallen („neutrophil extracellular traps“, NET) eine essenzielle Funktion bei der Thrombusbildung. NET sind extrazelluläre Netzwerke, die primär aus DNA und Proteinen bestehen. Diese als Immunthrombose bezeichnete neutrophile Reaktion ist für die Bekämpfung eindringender Krankheitserreger bedeutsam, jedoch kann sie auch unter sterilen Entzündungsbedingungen aktiviert werden (Thromboinflammation). Unter entzündlichen Bedingungen lösen aktivierte Thrombozyten die Bildung von NET aus, und auch umgekehrt begünstigen NET die Aktivierung des Gerinnungssystems und der Thrombozyten. Dies erhöht insgesamt das Thromboserisiko der betreffenden Patienten [16].

Thrombozyten, kardiale Ischämie und Remodelling

Indem sie zum pathophysiologischen kardialen Remodelling nach einer Myokardischämie oder bei Drucküberlastung beitragen, können Thrombozyten auch direkt auf das Herzgewebe wirken. Hierbei löst beispielsweise das aus Thrombozyten freigesetzte Serotonin eine neutrophile Degranulation aus und fördert dadurch die myokardiale Ischämie [11]. Die proinflammatorische Signaltransduktion von Thrombozyten beeinflusst Entzündungsreaktionen, Infarktgröße und kardiale Dysfunktion nach einem Myokardinfarkt [15]. Darüber hinaus trägt die entzündungsfördernde Wirkung der Thrombozyten zur kardialen Funktionsstörung bei und löst auch direkt eine Hypertrophie der Kardiomyozyten aus [18]. Im CKD-Mausmodell beeinflussten Thrombozyten durch den direkten Crosstalk mit Makrophagen das urämieinduzierte kardiale Remodelling [20].

Veränderter Thrombozytenphänotyp bei CKD?

Die Literatur über die Auswirkungen von CKD auf Thrombozyten ist zurzeit noch widersprüchlich. Die vorliegende Übersicht fokussiert auf Thrombozytenzahl und -funktion bei nicht dialysepflichtigen CKD-Patienten, da das Dialyseverfahren selbst beide Parameter unabhängig von den Auswirkungen der Krankheit beeinflussen kann. CKD-Patienten, die keine Dialysebehandlung erhalten, weisen in der Regel keine verringerte Thrombozytenzahl auf [2]. Die Funktion der Thrombozyten dieser Patientengruppe ist hingegen beeinträchtigt, obwohl auch Studien verfügbar sind, die keine Auswirkungen der CKD auf die Funktion der Thrombozyten zeigen. In einer kürzlich durchgeführten systematischen Übersichtsarbeit gaben wir bereits einen Überblick über verfügbare Studien zur Funktion der Thrombozyten bei CKD. Obwohl nur eine begrenzte Anzahl von Studien über eine normale oder sogar erhöhte thrombotische Aktivität berichtet, zeigt die Mehrzahl der Studien, dass die Funktion der Thrombozyten bei CKD beeinträchtigt ist. Dies manifestiert sich durch verringerte Adhäsion, Aggregation und Sekretion von Thrombozyten bei Aktivierung (siehe Tab. 1; [3]). Diskrepanzen in den Studienergebnissen könnten auf Unterschiede in den Patientenkohorten (z. B. unterschiedliche CKD-Stadien oder unterschiedliche Begleiterkrankungen), den verwendeten experimentellen Assays sowie auf die gewählten Versuchsbedingungen zurückzuführen sein. Letzteres spiegelt sich in einer jüngst durchgeführten Metaanalyse wider, in der wir zeigen konnten, dass die kollageninduzierte Thrombozytenaggregation bei CKD-Patienten signifikant reduziert ist, während die Auswirkungen von CKD auf die ADP-induzierte Thrombozytenaggregation weniger eindeutig sind [3]. Diese Ergebnisse unterstreichen, dass die verschiedenen Wege der Thrombozytenaktivierung nicht gleichermaßen von einer Nierenfunktionsstörung beeinflusst werden.
Tab. 1
CKD(„chronic kidney disease“)-induzierte Thrombozytenanomalien. (Basierend auf [3])
Parameter
Ergebnis
Adhäsion
Verringert
Aggregation
Vermindert und erhöhta
Sekretion
Verringerter Gehalt in Granula
Thrombozytenvermittelte Gerinnselretraktion
Reduziert
Kalzium
Erhöhte Basalwerte
TXA2-Produktion
Reduziert
TXA2 Thromboxane A2
a unterschiedliche Befunde in der Literatur verfügbar

Pathophysiologische Mechanismen

Eine chronische, niedriggradige Entzündung ist eines der charakteristischen Kennzeichen der CKD. Wie oben beschrieben, fördert dieses entzündliche Umfeld die Aktivierung der Thrombozyten. Umgekehrt unterstützt die Aktivierung der Thrombozyten wiederum Entzündungsreaktionen [8]. Dies wird veranschaulicht durch die Beobachtung, dass CKD-Patienten erhöhte Werte von Thrombozyten-Monozyten-Aggregaten aufweisen. Interessanterweise banden Thrombozyten von Patienten mit CKD (Stadium 4–5) überwiegend an klassische Monozyten, während bei Patienten mit CKD im Stadium 2 bis 3 die Monozyten innerhalb der Aggregate überwiegend einen nichtklassischen Phänotyp aufwiesen [10]. Darüber hinaus kann die Akkumulation urämischer Toxine im Blutstrom direkte pathophysiologische Auswirkungen auf Thrombozyten bedingen. Von den mehr als 130 bislang identifizierten urämischen Toxinen wurde nur eine geringe Anzahl auf mögliche Effekte auf die Thrombozytenfunktion getestet. In den Studien wurden sowohl inhibitorische als auch stimulierende Effekte urämischer Toxine auf die Funktion der Thrombozyten in vitro berichtet [3]. Für ein geringe Anzahl urämischer Toxine wurden Wirkungen auf das hämostatische System in Tiermodellen untersucht, wobei urämische Toxine wie Indoxylsulfat und Trimethylamin-N-oxid (TMAO) prothrombotische Wirkungen zeigten [19, 21]. Hierbei handelt es sich jedoch um die isolierten Auswirkungen einzelner urämischer Toxine auf die Funktion der Thrombozyten, sodass möglicherweise nicht die Gesamtwirkung aller urämischen Toxine zusammen repräsentiert wurde. Auch posttranslationale Modifikationen von Proteinen, die durch urämische Toxine verursacht werden, können sich auf die Funktion der Thrombozyten auswirken. Kürzlich wurde von Binder et al. gezeigt, dass eine Carbamylierung des Thrombozytenintegrins αIIbβ3, eines essenziellen Rezeptors der Thrombozytenaggregation, zu einer Hemmung der Thrombozytenaktivität führt [5].
Carbamylierung des Thrombozytenintegrins αIIbβ3 führt zur Hemmung der Thrombozytenaktivität
Neben den Auswirkungen des entzündungsfördernden und urämischen Umfelds können Entzündungsreaktionen und Akkumulation urämischer Toxine die Funktion der Thrombozyten auch auf indirekte Weise beeinflussen. So ist bei der CKD das Endothel stetig erhöhten Konzentrationen von Entzündungsmediatoren und urämischen Toxinen ausgesetzt, was zur Endothelzellenaktivierung und zur Entwicklung einer endothelialen Zelldysfunktion führt. Dadurch werden antithrombotische Eigenschaften des Endothels vermindert, und die CKD-induzierte Thrombozytenaktivierung wird verstärkt [4]. Insgesamt scheint die Thrombozytendysfunktion bei CKD das Resultat aus dem Zusammenspiel einer kontinuierlichen Exposition der Thrombozyten gegenüber chronischen, niedriggradigen Entzündungsprozessen und urämischen Toxinen sowie einer Endothelzelldysfunktion zu sein (Abb. 1; [2]). Darüber hinaus wird die Funktion der Thrombozyten durch Hyperkoagulabilität und Anämie der CKD sowie durch die Dialyseintervention beeinflusst (Abb. 1; [2]). Diese Faktoren tragen zu einem komplexen und multifaktoriellen Prozess bei, der der Thrombozytendysfunktion zugrunde liegt.

Antithrombozytentherapie bei CKD

Acetylsalicylsäure (ASS) und Inhibitoren des Thrombozytenrezeptors P2Y12 blockieren die Thrombozytenaktivierung, indem sie in die Feed-forward-Verstärkung der Aktivierung eingreifen. Während ASS die Cyclooxygenase‑1 der Thrombozyten und damit die Thromboxanproduktion blockiert, blockieren P2Y12-Inhibitoren die ADP-induzierte Aktivierung der Thrombozyten. Antithrombozytentherapien werden zur Verringerung des kardiovaskulären Risikos CKD-unabhängig verwendet. Jedoch sind CKD-Patienten, insbesondere solche in den fortgeschrittenen CKD-Stadien 4 und 5, in den entsprechenden großen klinischen Studien stark unterrepräsentiert (Abb. 2). Dementsprechend stammt das gegenwärtige Wissen über die Antithrombozytentherapie bei CKD-Patienten hauptsächlich aus Post-hoc-Subgruppentests klinischer Studien oder großen Registern, die wir kürzlich in einem Review zusammengefasst haben [2].
ASS ist der wichtigste Thrombozytenhemmer, der zur Sekundärprävention von kardiovaskulären Ereignissen nach einem akuten Myokardinfarkt oder nach Revaskularisation CKD-unabhängig eingesetzt wird. Gegenwärtig liegen jedoch widersprüchliche Daten über die Wirksamkeit von ASS bei der Hemmung der Thrombozytenaktivierung bei CKD vor. Den Studien zufolge ist die Hemmung bei CKD-Patienten im Vergleich zu Nicht-CKD-Patienten vergleichbar oder geringer (wie in [2] näher erläutert). Eine im Jahre 2022 durchgeführte Überprüfung von 113 Studien mit 51.959 CKD-Patienten schlussfolgert, dass eine Antithrombozytentherapie das Risiko eines Myokardinfarkts verringert (relatives Risiko [RR]: 0,88; 95 %-Konfidenzintervall [KI]: 0,79–0,99), aber keine oder nur geringe Auswirkungen auf den Tod (RR: 0,94; 95 %-KI: 0,84–1,06) und eine ungewisse Auswirkung auf das Schlaganfallrisiko (RR: 1,01; 95 %-KI: 0,64–1,59) hat. Das Auftreten schwerer Blutungen – und möglicherweise auch kleinerer Blutungen – ist durch ASS bei CKD-Patienten erhöht [12]. Aufgrund der widersprüchlichen Aussagen in Hinblick auf den kardiovaskulären Nutzen gegenüber dem Blutungsrisiko [2] ist ASS derzeit nicht zur Primärprävention von kardiovaskulären Ereignissen bei CKD-Patienten gelistet, Derzeit läuft die ATTACK-Studie (ATTACK, NCT03796156), in der die Wirkung einer täglichen ASS-Behandlung als Primärprävention für kardiovaskuläre und blutungsbedingte Ereignisse bei Patienten mit CKD im Stadium 3 bis 4 genauer untersucht wird [7].
Nach der Stentimplantation wird ASS mit P2Y12-Hemmern zu einer dualen Antithrombozytentherapie ergänzt. Zu den P2Y12-Inhibitoren gehören Clopidogrel und die stärkeren Inhibitoren Prasugrel und Ticagrelor. Trotz des erhöhten Blutungsrisikos von CKD-Patienten enthalten die Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) oder der American Heart Association (AHA) bislang keine spezifischen Therapie- und Dosierungsempfehlungen der P2Y12-Inhibitoren für CKD-Patienten. Bei einer dualen Antithrombozytentherapie können CKD-Patienten im Vergleich zu Nicht-CKD-Patienten ein höheres kardiovaskuläres Restrisiko und ein höheres Restaktivierungspotenzial der Thrombozyten aufweisen, wie einige, aber jedoch nicht sämtliche Studien zur dualen Antithrombozytentherapie nach Stentimplantation oder bei akutem Koronarsyndrom zeigen (Ergebnisse von 11 klinischen Studien, zusammengefasst in [2]). Auch zeigen CKD-Patienten unter dualer Antithrombozytentherapie ein erhöhtes Blutungsrisiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung [2].

Schlussfolgerungen und Perspektiven

Insgesamt verringert eine antithrombotische Therapie das kardiovaskuläre Risiko bei CKD. Der kardiovaskuläre Nutzen dieses therapeutischen Ansatzes muss jedoch gegen das erhöhte Blutungsrisiko abgewogen werden, wie auch in den KDIGO-(Kidney Disease: Improving Global Outcomes)-Leitlinien von 2012 betont wird [1].
Jüngst zeigte eine Teilstudie der CANTOS-Studie, dass bei mit Statinen behandelten CKD-Patienten nach Myokardinfarkt das Entzündungsrisiko (hsCRP [„high-sensitivity C‑reactive protein“]oder Interleukin[IL]-6) ein starker Prädiktor für wiederkehrende schwere kardiovaskuläre Ereignisse und die Gesamtmortalität ist, während dies für das verbleibende Cholesterinrisiko (LDL- oder Nicht-HDL[„high-density lipoprotein“]-Cholesterin) nicht zutrifft [14]. In Anbetracht der umfangreichen Wechselwirkungen zwischen Immun- und hämostatischem System könnte eine bessere Kontrolle des (verbleibenden) Entzündungsrisikos auch die CKD-bedingte Dysfunktion der Thrombozyten teilweise beheben. Andererseits kann eine Normalisierung der Thrombozytenfunktion die CKD-induzierte Entzündungsreaktion dämpfen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass klinische Studien, die sich auf die Thrombozytendysfunktion und das Entzündungsrisiko konzentrieren und im Besonderen CKD-Patienten (CKD-Stadium 4 und höher) einbeziehen, nützlich wären, um die Behandlung der betreffenden Patienten zu optimieren und das kardiovaskuläre Risiko sowie das Blutungsrisiko zu senken.

Fazit für die Praxis

  • Thrombozyten sind wichtige Regulatoren der Blutstillung, haben aber auch einen entscheidenden Einfluss auf das kardiovaskuläre und thrombotische Risiko.
  • Der Thrombozytenphänotyp ist bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) verändert.
  • Da CKD-Patienten ein erhöhtes Thrombose- und Blutungsrisiko haben, muss der kardiovaskuläre Nutzen einer Antithrombozytentherapie sorgfältig gegen das erhöhte Blutungsrisiko abgewogen werden.
  • CKD-Patienten (CKD-Stadium 4 und höher) sind in klinischen Studien stark unterrepräsentiert. Es liegen aktuell keine Leitlinien für eine speziell für diese gefährdete Patientengruppe optimierte antithrombotische Therapie vor.
  • Klinische Studien mit hoher Einschlussrate von CKD-Patienten (Stadium 4 und höher) würden Kliniker bei der Therapie von CKD-Patienten im Hinblick auf das kardiovaskuläre Risiko und das Blutungsrisiko unterstützen.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

J. Jankowski und H. Noels sind Gründungsgesellschafter der AMICARE Development GmbH. C.C.F.M.J. Baaten und S. Vondenhoff geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access This article is licensed under a Creative Commons Attribution 4.0 International License, which permits use, sharing, adaptation, distribution and reproduction in any medium or format, as long as you give appropriate credit to the original author(s) and the source, provide a link to the Creative Commons licence, and indicate if changes were made. The images or other third party material in this article are included in the article’s Creative Commons licence, unless indicated otherwise in a credit line to the material. If material is not included in the article’s Creative Commons licence and your intended use is not permitted by statutory regulation or exceeds the permitted use, you will need to obtain permission directly from the copyright holder. To view a copy of this licence, visit http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​.

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Metadaten
Titel
Thrombozytenstörungen bei Urämie
Mediator von Herz- und Gefäßschäden
verfasst von
Constance C. F. M. J. Baaten
Sonja Vondenhoff
Joachim Jankowski
Heidi Noels
Publikationsdatum
21.09.2023
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Die Nephrologie / Ausgabe 6/2023
Print ISSN: 2731-7463
Elektronische ISSN: 2731-7471
DOI
https://doi.org/10.1007/s11560-023-00682-2

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