Ist es möglich, ein guter Arzt zu sein, ohne dass die Familie darunter leidet? Nein, sagt ein Hamburger Klinikdirektor – und bringt damit viele Jungmediziner gegen sich auf.
Wie groß die Gräben zwischen alter und junger Ärztegeneration mitunter sind, wurde beim Dialog mit jungen Ärztinnen und Ärzten offenbar, zu dem die Bundesärztekammer kurz vor Beginn des Ärztetages Ärzte in Weiterbildung und Medizinstudierende eingeladen hatte. Auf dem Podium stritten Katharina Thiede, Ärztin in Weiterbildung zur Allgemeinmedizinerin in Berlin, und Professor Jakob Izbicki, Klinikdirektor des Zentrums für Viszeral-, Thorax- und Allgemeinchirurgie am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf, miteinander.
Der Professor, der sich selbst mehrfach als "Dinosaurier" bezeichnete, vertrat dabei eine klare Meinung, die viele der anwesenden Jungmediziner aufbrachte. Zeitweise reichte die Schlange der Zuhörer, die eine Frage stellen oder eine Anmerkung beisteuern wollten, einmal quer durch den Raum. Immer wieder provozierte Izbicki die Anwesenden mit Sätzen wie: "Der Konflikt zwischen Work-Life-Balance und dem Wunsch, ein guter Arzt zu sein, wird immer bleiben. Letztlich müssen Sie sich entscheiden!" Auch, ob Frauen überhaupt als Chirurginnen arbeiten sollten, wenn der hundertprozentige Einsatz einem Kinderwunsch im Weg stehe, fragte der Hamburger Professor, der später zugab, von der Ärztekammer eingeladen worden zu sein, um "Handgranaten" in die Diskussion zu werfen.
Plakative Aussagen, ernster Kern
Doch auch wenn dies so manche plakative Aussage relativierte, blieb doch ein tiefernster Kern. Denn Izbicki räumte ein, sich selbst für die Arbeit entschieden zu haben: "Ich habe meine Kinder nicht aufwachsen sehen. Ein guter Doktor und ein guter Familienvater oder -Mutter zu sein lässt sich nicht unter einen Hut bringen."
Eine Aussage, die die Moderatorin, Landesärztekammerpräsidentin und vierfache Mutter Dr. Ellen Lundershausen zu der Aussage verleitete, sie sei gerade so richtig traurig, dass sie "nur" Moderatorin sei und ihre Meinung dazu nicht sagen dürfe. Auch Diskussionsgegnerin und Mutter Katharina Thiede hielt dagegen. Interessant ist in diesem Zusammenhang allerdings ihre Vita. Denn ursprünglich wollte auch sie Viszeralchirurgin werden – doch weil sie gleichzeitig auch einen Kinderwunsch hatte, entschied sie sich nach fünf Jahren Weiterbildung doch für die Allgemeinmedizin. Denn sonst "hätte ich meinen Mann, der Krankenpfleger im Schichtsystem ist, so gut wie nie mehr gesehen."
Izbicki räumte ein, er habe ein Problem mit der Mentalität des ärztlichen Nachwuchses. Als ausbildender Arzt sei man im Dilemma zwischen der Arbeit, die zu tun sei, und der Forderung der jungen Leute nach Work-Life-Balance. "Aber ein guter Chirurg operiert nach Feierabend Leichen, um seine Fertigkeiten zu schulen", so seine Überzeugung.
Thiede verwahrte sich dagegen, als "Generation Spaß" dargestellt zu werden. Die Berlinerin sagte, sie könne durchaus verstehen, dass auch in der Weiterbildung nicht immer ein pünktlicher Feierabend möglich sei. Sie bleibe natürlich gerne für eine Operation, doch wenn sie nach Feierabend Arztbriefe fertig machen müsse, sei das System falsch: "Man ist gerne ein guter Arzt, aber nicht gerne ein Verwaltungsheini."
Ausbilder bedauern Zeitmangel
Die ärztliche Weiterbildung darf kein Abfallprodukt des Alltags sein – dies forderte Oberarzt Dr. Pedram Emami von der Ärztekammer Hamburg in einem Redebeitrag. Eine andere Oberärztin sagte, sie bedauere es sehr, dass im Alltag kaum Zeit bleibe, den Nachwuchs so auszubilden, wie man es sich selbst wünschen würde.
Quelle: Ärzte Zeitung