Neuropathische Schmerzen mit Rückenmarksstimulation lindern

Eine epidurale 10-kHz-Stimulation lindert neuropathische Schmerzen von Diabetikern offenbar recht dauerhaft: Selbst nach 18 Monaten sahen Ärzte in einer kontrollierten Studie keine Gewöhnungseffekte. 85% zeigten eine deutliche und anhaltende Schmerzlinderung. Die Therapie von Diabetikern mit starken neuropathischen Schmerzen stellt Ärzte noch immer vor große Herausforderungen: Studien mit Medikamenten wie Gabapentin, Pregabalin, Opioiden und Antidepressiva lieferten Numbers Needed to Treat (NNT) zwischen 5 und 8, und diese liegen sehr nahe an den Numbers Needed to Harm der jeweiligen Medikamente, erläuterte Professorin Erika Petersen von der University of Arkansas in Little Rock. Zudem seien solche Arzneien meist nur über mehrere Wochen hinweg in Studien geprüft worden, über die langfristige Wirksamkeit lasse sich evidenzbasiert daher wenig sagen, so die Neurochirurgin auf dem virtuellen Kongress der amerikanischen Neurologengesellschaft AAN. Sie verwies auch auf Studien mit niedrigfrequenter Rückenmarkstimulation – meist im 60-Hertz-Bereich. Die Responderraten lagen hier nach sechs Monaten zwischen 50% und 70%, nach zwei Jahren aber meist deutlich unter 50%, zudem wurden mit der niederfrequenten Stimulation oft Parästhesien induziert. Petersen präsentierte auf dem Kongress nun Daten einer kontrollierten Studie mit Ansprechraten von über 80% – anhaltend über 18 Monate hinweg. Hochfrequenzstimulation mit 10 kHz Die Forscher erreichten solche Resultate jedoch mit einem anderen Verfahren – einer Hochfrequenzstimulation mit 10 kHz. Damit werden schmerzhemmende Neuronen im Hinterhorn angesprochen, aber kaum exzitatorische Nervenzellen. Geprüft wurde die Stimulation mit einem Gerät des Unternehmens Nevro in einer randomisierten Studie mit 216 Diabetikern. Alle mussten schon erfolglos eine Behandlung mit Gabapentin oder Pregabalin sowie einer weiteren Schmerzmittelklasse versucht haben, auf einer 10-Punkte-Analogskala sollte die Schmerzstärke in betroffenen Beinen mindestens 5, in den Armen mindestens 3 Punkte betragen, ansonsten waren die Kriterien recht weit gefasst: Der BMI sollte unter 45 liegen, der HbA1C unter 10%. Die Hälfte der Patienten wurde nach dem Zufallsprinzip der Kontrollgruppe zugeteilt und erhielt eine konventionelle Behandlung mit Arzneien, physikalischen oder kognitiven Therapien, die andere Hälfte bekam zusätzlich die Stimulation. Dafür implantierten die Ärzte zwei Elektroden epidural im Bereich T8 bis T11. Die Stimulation erfolgte über 10 Mikrosekunden dauernde Impulse mit einer Stärke zwischen 0,5 und 3,5 mA. Anhand des Patientenfeedbacks ermittelten die Neurochirurgen die optimale Lokalisation der Elektroden sowie die Stromstärke. Erste Ergebnisse sind bereits im vergangenen Jahr veröffentlicht worden (siehe Bericht). So sprachen sechs Monate nach Beginn der Behandlung 79% auf die Stimulation an – definiert als Schmerzreduktion in den Beinen um mindestens 50% ohne Verstärkung neurologischer Probleme, mit der alleinigen konventionellen Therapie schafften das hingegen nur 5%. Mit der Stimulation gingen die Schmerzen von 7,6 Punkten auf 1,6 Punkte zurück, ohne blieben sie weitgehend konstant. Ähnlich drastische Verbesserungen gab es auch bei der Lebens- und Schlafqualität. Operationskomplikationen wurden bei fünf Patienten mit Stimulation beobachtet, drei entwickelten Infektionen, zwei hatten Probleme mit der Wundheilung, bei zwei musste das Implantat wieder entfernt werden. Schmerzen im Mittel um 73% reduziert Auf der AAN-Tagung präsentierte Petersen nun Ergebnisse der Extensionsstudie. So konnten die Patienten nach sechs Monaten in die jeweils andere Gruppe wechseln, wenn sie mit der Therapie nicht zufrieden waren. Ein solcher Wechsel fand fast nur von der Kontrollgruppe in die Stimulationsgruppe statt, sodass sich insgesamt 181 der ursprünglichen 216 Patienten die Elektroden implantieren ließen, zu 146 liegen nun Angaben über 18 Monate vor. Nach eineinhalb Jahren lagen die Schmerzwerte in der ursprünglichen Stimulationsgruppe bei 1,7 Punkten – sie waren also weitgehend konstant geblieben. Ein ähnliches Bild bot sich bei den Wechslern: Ihre Schmerzwerte erreichten nach sechs Monaten in der Kontrollgruppe 7,5 Punkte und fielen nach der Implantation auf 2,0 Punkte, anschließend blieben sie konstant niedrig und lagen nach 18 Monaten im Schnitt bei 2,2 Punkten. Über alle stimulierten Patienten hinweg kamen die Ärzte um Peterson auf eine Ansprechrate von 85%, was einer NNT von 1,3 entspricht. Die Schmerzreduktion betrug im Mittel 73%, über die Hälfte erzielten eine Reduktion von mehr als 80%. Bei zwei Drittel der Stimulierten beobachteten Neurologen eine klinische Verbesserung von Motorik, Sensorik und Reflexen, auch dieser Anteil blieb im Verlauf weitgehend konstant. Mit der konventionellen Behandlung erreichten nur 3% solche Fortschritte. Rund 70% der Patienten erzielten unter der Stimulation eine Verbesserung der Schlafqualität und ähnlich viele eine Verbesserung der Lebensqualität – auch hier zeigten sich nach 18 Monaten keine Gewöhnungseffekte. Wie lange die Therapieeffekte anhalten, soll weiter geprüft werden. Eine erneute Auswertung ist nach 24 Monaten geplant. Quelle: American Academy of Neurology (AAN) 2022 Annual Meeting Virtual Experience, April 24–26. S3 Abstracts of Distinction. Erika Petersen: Durability of 10-kHz Spinal Cord Stimulation for Painful Diabetic Neuropathy: 18-Month Multicenter Randomized Controlled Trial Results. 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