Goldene Zeiten für die Remyelinisierung bei MS

Mit Gold zerstörte Myelinscheiden regenerieren? In einer Phase-2-Studie konnte eine Zusatztherapie mit speziellen Gold-Nanopartikeln das Kontrastsehen und die Alltagsfunktion von MS-Kranken verbessern. Die Therapie soll die Remyelinisierung fördern, indem sie den zellulären Energiestoffwechsel ankurbelt. Die antientzündliche Therapie mit Immunmodulatoren funktioniert bei MS inzwischen ganz gut, jedoch gibt es bislang nur wenige Möglichkeiten, einen bereits entstandenen Schaden zu reparieren. Dringend gesucht sind daher Therapien, welche die Remyelinisierung stärken. Vor zwei Jahren wurden auf dem MS-Kongress ECTRIMS Daten einer kleinen Studie mit Gold-Nanokristallen vorgestellt (siehe Bericht). Das Präparat CNM-Au8, eine trinkbare Suspension aus 13 Nanometer großen Goldpartikeln, konnte bei 13 MS-Kranken das NAD+/NADH-Verhältnis im Gehirn verbessern, was sich als erhebliche „Verjüngung“ des Energiestoffwechsels interpretieren lässt. Dies sollte auch die Remyelinisierung fördern oder zumindest eine weitere Verschlechterung verhindern. So nimmt bei MS-Kranken die Fähigkeit, ihre Axone nach einem Immunangriff neu mit Myelin zu isolieren, mit der Zeit ab, was auch darauf zurückzuführen ist, dass die elektrische Leitung in nicht isolierten Axonen besonders energieaufwändig ist und sich die Neuronen mit der Zeit auspowern. Dies führe letztlich zum Absterben der betroffenen Axone, erläuterte Professor Michael Barnett vom Brain and Mind Centre an der Universität in Sydney, Australien. Ein verbesserter Energiestoffwechsel, katalysiert durch Gold, sollte dem entgegenwirken. Ob sich mit Nanogold nicht nur der Zellstoffwechsel, sondern auch die Symptomatik bei MS verbessern lässt, war bislang unklar. Ergebnisse der Phase-2-Studie VISIONARY MS mit CNM-Au8 sprechen nun eindeutig dafür, sagte Barnett auf der Jahrestagung der amerikanischen Neurologengesellschaft AAN in Boston. Empfehlung der Redaktion AAN 2023 Kongressdossier zum Annual Meeting der American Academy of Neurology Die aktuelle Berichterstattung zum 75. Annual Meeting der American Academy of Neurology (AAN) in Boston: Geschädigte Nerven könnten sich bei MS und ALS durch Nanogold teilweise regenerieren, Cannabinoide wirken komplexer als gedacht und Luftverschmutzung scheint mit einem höheren Parkinsonrisiko zusammenzuhängen. Mehr lesen Sie in unserem Kongressdossier. Nach einem halben Jahr deutliche Verbesserungen beim Kontrastsehen An der Studie nahmen 73 MS-Kranke mit persistierenden Sehproblemen teil, die meisten hatten in ihrer Vergangenheit eine Optikusneuritis erlitten. Ursprünglich wurde eine Zahl von 150 Teilnehmenden angestrebt, was in der Pandemie jedoch nicht möglich gewesen sei, so Barnett. Die Betroffenen waren im Schnitt rund 39 Jahre alt, hatten einen EDSS-Wert von 1,7 und waren seit sechs Jahren an MS erkrankt. Etwa 80% bekamen bereits eine MS-Therapie, rund die Hälfte mit hochwirksamen monoklonalen Antikörpern. Zwei Drittel erhielten die Zusatzbehandlung mit den Goldpartikeln, und zwar in Dosierungen von 15 mg und 30 mg, die übrigen Placebo. Primärer Endpunkt waren Veränderungen beim Kontrastsehen nach 48 Wochen mit dem Low-Contrast-Letter-Acuity-Test (LCLA) auf dem stärker betroffenen Auge: Auf einer Tafel müssen Buchstaben mit abnehmender Größe bei geringem Kontrast korrekt erkannt werden. In den beiden Gruppen mit Nanogoldtherapie nahm die Sehschärfe im Laufe der Studie deutlich zu, so konnten im Schnitt drei Buchstaben mehr korrekt erkannt werden als zuvor. Der maximale Effekt stellte sich nach etwa 24 Wochen ein und blieb dann konstant. In der Kontrollgruppe mit Placebo fluktuierten die Testergebnisse im Studienverlauf um den Ausgangswert. Nach 48 Wochen ergab sich eine Differenz von 3,1 Buchstaben zugunsten der Gruppe mit Nanogold. Ein ähnliches Bild präsentierte sich beim modifizierten Multiple Sclerosis Functional Composite Index (mMSFC), der die Zeit für die Gehstrecke von 7,6 m misst sowie den Kognitionstest SDMT (Symbol Digit Modality), den 9-Loch-Steckbrett-Test (NHPT) und den LCLA enthält. Die standardisierten Z-Scores verbesserten sich mit der Goldtherapie um rund 0,35, mit Placebo um weniger als 0,1, am Studienende blieb eine signifikante Differenz von 0,28. Getrieben wurden die Unterschiede vor allem von Verbesserungen im LCLA, knapp signifikant waren die Differenzen aber auch beim NHPT und SDMT, nicht jedoch der Gehstrecke. Für Barnett liefern die Resultate genug Argumente, nun auch eine Phase-3-Studie zu beginnen. Quelle: American Academy of Neurology (AAN) Annual Meeting 2023. Boston, April 22–27. PL5 – Clinical Trial Plenary Session. Michael Barnett: VISIONARY-MS Top-line Results: A Phase 2, Randomized, Double-Blind, Parallel Group, Placebo-controlled Study to Assess the Safety and Efficacy of CNM-Au8, a Catalytically Active Gold Nanocrystal Suspension in Relapsing Multiple Sclerosis.

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